RegenwaldReport 01/2005
Der Mensch hilft den Fluten
Die Zerstörung der Mangrovenwälder hatte zur Folge, dass sich die Naturkatastrophe noch verherender auswirkte. Experten ziehen eine bittere Bilanz
Wer vor einem halben Jahrhundert entlang der Küsten des Indischen Ozeans gesegelt ist, der hat vor allem eins gesehen: Mangroven. Sumpfige Regenwälder an der Schnittstelle von Wasser und Land. Frühmorgens am 2. Weihnachtstag 2004 bot sich ein ganz anderes Bild: Eine Mischung aus industriellen Shrimps-Farmen, Touristenhotels, Städten und Dörfern. Dazwischen nur noch Fragmente der einstigen Mangrovengürtel. Das war vor der Welle. Wenige Stunden später waren die Strände des Indischen Ozeans verwüstet. Aber es gab Unterschiede. Als der Tsunami auf die Küste des südindischen Bundesstaates Tamil Nadu raste, prallte er in den Regionen Pichavaram und Muthupet auf dichte Mangrovenwälder. Dort wurden weniger Tote und Sachschäden beklagt als in Gebieten ohne Mangrovengürtel. „Wir haben beobachtet, dass Mangroven häufig eine natürliche Barriere für die Gewalten des Ozeans bilden“, sagt Monkombu Sambasivan Swaminathan. Der Mann gilt als „Vater der indischen grünen Revolution“ und ist Chef einer nach ihm benannten Forschungsstiftung in Chennai (Tamil Nadu). Die dortigen Wissenschaftler fanden zum Beispiel heraus, dass Mangrovenwälder die Auswirkungen eines Super-Zyklons abschwächten, der 1999 in Orissa an Indiens Ostküste tobte. Zwar sind die Windwellen auf der Meeresoberfläche, hervorgerufen durch einen Zyklon, nicht mit denen zu vergleichen, die ein Tsumani erzeugt: Eine Schockwelle, die vom Meeresboden bis zur Wasseroberfläche reicht. Und auch beim nächsten Tsunami wird es nicht helfen, sich hinter dichte Mangroven zu flüchten. Aber je mehr die Menschen die Natur der Küsten verändert, indem sie Korallenriffe und Mangroven zerstören, desto größer wird die Gefahr. Kein Wissenschaftler wird je exakt berechnen können, wie viele Menschen durch einen intakten natürlichen Schutzgürtel an den Küsten des Indischen Ozeans hätten gerettet werden können. Aber einig sind sich die Meeresbiologen, dass Mangrovenwälder für die tropischen Küstenregionen eine existentielle Bedeutung haben. „Sie schützen die Küsten durch ihr spezialisiertes Wurzelsystem vor Erosion und verbessern die Wasserqualität“, sagen etwa die Experten vom „Florida Marine Research Institute. Außerdem lieferten sie der lokalen Bevölkerung Holz, Nahrung und traditionelle Medizinalpflanzen.