RegenwaldReport 04/2005
Orang-Utan-Wald verschenken
Um Orang-Utans auf Borneo vor der Ausrottung zu schützen, wird in Samboja Lestari neuer Lebensraum für die Menschenaffen gepflanzt
Der Jeep fährt die leicht ansteigende Straße nach Samboja Lestari hinauf, ein Gebiet knapp unterhalb des Äquators an der Ostküste von Borneo. Auf einmal wird die Landschaft tiefgrün und ist voller Bäume, während sie vorher aus endlosen Graswüsten bestand. Auch die Temperatur ändert sich – hier ist es deutlich kühler.
An der Hauptstraße stehen eine Menge neuer Häuser, und der Polizeichef von Samboja sagt, es gäbe kaum noch Kriminalität in der Gegend. Die Leute hier erzählen noch mehr erstaunliche Geschichten: „Wir haben auch nach heftigen Regenfällen keine Überschwemmungen mehr wie früher, und seit drei Jahren mussten wir keinen giftigen Rauch mehr einatmen, der immer in der Trockenzeit vorbeizog, weil irgendwo in der Nähe Wälder gebrannt haben“, berichtet ein Anwohner. „Stimmt“, bestätigt der Arzt aus dem neuen Hospital, „früher kamen scharenweise Patienten mit Atemwegsbeschwerden, heute kaum noch.“ Dafür ist die Natur zurückgekehrt mit ihren Geräuschen. Vögel zwitschern, Zikaden zirpen, und das Flusswasser ist wieder genießbar.
„Es ist das Samboja Lestari Projekt“, sagt Willie Smits. „Menschen aus aller Welt können sich finanziell daran beteiligen und ein einmaliges Naturschutzreservat für Orang-Utans schaffen“, so der ehemals holländische Forstwissenschaftler, der 1991 die Borneo Orangutan Survival Foundation (BOS) gegründet hat und mittlerweile indonesischer Staatsbürger ist.
Um den Menschenaffen auf Borneo eine neue Heimat zu geben, wird in Samboja Lestari neuer Lebensraum für sie gekauft. Der ehemals artenreiche Regenwald von Samboja Lestari wurde in den letzten Jahrzehnten rücksichtslos zerstört. Nährstoff zehrendes Alang-Alang-Gras hat sich flächendeckend ausgebreitet. Zurück blieb eine ökologische Wüste. Doch schon heute kann man deutlich erkennen, dass dies nicht so bleiben wird – BOS pflanzt seit 2001 neuen Regenwald. Das Gebiet von über 17 Millionen Quadratmetern wird durch ein innovatives Aufforstungs- und Schutzkonzept wieder in natürlichen Lebensraum verwandelt. In dem weltweit einzigartigen Projekt werden auf völlig zerstörtem Land jährlich Hunderttausende von Bäumen gepflanzt. Die Baumsamen wurden aus dem Dung der wild lebenden Orang-Utans identifiziert. So entsteht ein Wald mit 1.700 verschiedenen Baumarten, darunter spezielle Fruchtbäume für die Menschenaffen.
1985 kam der heute 48jährige Smits als junger Forstwissenschaftler nach Indonesien und kümmerte sich um Baumschulen, doch ein Erlebnis auf einem Wochenmarkt in Balikpapan auf Borneo änderte sein Leben radikal. Smits fand ein sterbendes Orang-Utan-Baby, das ein Händler achtlos auf einen Müllhaufen geworfen hatte. Er nahm es mit, und zu Hause gelang es ihm, das Baby gesund zu pflegen. Heute lebt Uce, wie Smits das Weibchen genannt hat, im 10.500 Hektar großen BOS-Auswilderungsgebiet Sungai Wain. Rund 1.000 Orang-Utans hat der BOS-Gründer inzwischen befreit, die irgendwer irgendwo auf Borneo in Gefangenschaft gehalten hat – was in Indonesien verboten ist. Ungefähr die Hälfte hat Smits inzwischen wieder auswildern können. Ein ausgewachsener Orang-Utan braucht als Revier mindestens 100 Hektar intakten Regenwald, um genug Blätter und Früchte zu finden.
Tropenholzeinschlag, häufig illegal, und monatelange Waldbrände auf Borneo haben den Lebensraum der Orang-Utans bis auf geringe Bestände vernichtet. Die Tiere flüchten in die angrenzenden Ölpalmplantagen und werden Opfer von Wilderern. Oft unter Lebensgefahr beschlagnahmen die Mitarbeiter von BOS die gequälten Tiere.
Orang-Utans gehören zur Gruppe der großen Menschenaffen und zählen ebenso wie Schimpansen, Bonobos und Gorillas zu unseren nächsten Verwandten, nicht nur, weil ihre DNA zu 97 Prozent der unseren gleicht. Orang-Utans sind erstaunlich intelligent und besitzen ausgeprägte soziale und individuelle Fähigkeiten, die sonst nur dem Menschen bescheinigt werden. Während früher Hunderttausende der roten Affen die Wälder auf Borneo bevölkerten, ist ihre Zahl inzwischen auf dramatische wenige 10.000 gesunken. Und der Trend geht ungebrochen abwärts. „Wir müssen diese einzigartigen Lebewesen retten“, sagt Willie Smits mit Nachdruck. Der Affenwald von Samboja Lestari ist ihre vielleicht letzte Chance.
Im tropischen Borneo wachsen Pflanzen um ein Vielfaches schneller als in Europa. Schon in wenigen Jahren können die ersten Orang-Utans im neuen Regenwald ausgewildert werden und die Freiheit mit anderen Tieren teilen. In Samboja Lestari („ewiges Samboja“) entsteht ein Naturschutzgebiet zum dauerhaften Nutzen für Menschen, Tiere und Pflanzen.
Während der frühen Aufforstungsphase bauen die indonesischen Landwirte Gewinn bringende Agrarprodukte zwischen den neu gepflanzten Bäumen an. Landwirtschaft und Aufforstung beeinflussen sich positiv durch viele Faktoren. Die Agrarprodukte schützen die jungen Tro-penbäume vor dem Überwuchern mit Alang-Alang-Gras. Bäume verbessern die Bodenqualität und spenden Schatten. Früchte wie Papaya und Ananas werden den Bauern garantiert von BOS abgekauft, regional vermarktet oder dienen der Eigenversorgung. Allein für die Versorgung der Orang-Utans in der nahe gelegenen Rehabilitationsstation Wanariset werden rund 1.000 Kilogramm Früchte täglich benötigt.
Rund um das Naturreservat wird ein Ring aus Zuckerpalmplantagen angelegt. Über 650 Familien werden vom Zucker als Hauptprodukt profitieren. Der Ring schützt das Naturreservat vor den gefürchteten Waldbränden als Feuerbarriere. Ein innerer Schutzring aus dicht wachsenden, stacheligen Salakpalmen erschwert das Eindringen von Menschen in das Schutzgebiet und verhindert das Ausbrechen von Orang-Utans. Die Früchte der Salakpalme sind zudem Nahrung für Mensch und Tier. Ultraleichtflugzeuge und moderne Satellitentechnik unterstützen die ständige Überwachung der BOS-Projekte aus Luft und Weltraum. Illegaler Holzeinschlag sowie Brandrodung können so sehr viel effektiver verfolgt werden.
Zur Finanzierung des Naturreservates hat BOS ein System zum symbolischen Landkauf entwickelt. Spenderinnen und Spender finanzieren den Landkauf, ökologische Aufforstung, eine Baumschule, ökologische Landwirtschaft, Zuckerpalmplantagen, Löhne für indonesische Mitarbeiter, Überwachung und Schutz des Gebietes, Feuerbekämpfung, Umweltbildung, Infrastruktur und Forschung.
Schlüssel zum Erfolg
Das Naturreservat Samboja Lestari bietet der lokalen Bevölkerung ein gesichertes Einkommen, Gesundheit und Bildung. Die Menschen werden in alle Phasen des Projektes mit einbezogen. Landwirtschaft, Baumschule, Kompostproduktion, Aufforstung, Anpflanzung, Forschung und Aufbau der Infrastruktur bieten sichere Arbeitsplätze.
„Auf diese Weise wird den Menschen eine Alternative geboten, und sie brauchen den Wald nicht mehr zu roden. So können wir der Welt zeigen, dass Natur und Menschen zusammen leben können und einander nicht auszuschließen brauchen“, sagt Dr. Willie Smits, Vorsitzender von BOS Indonesien.
Die Menschen des Waldes
Orang-Utans, auch Menschen des Waldes genannt, gehören zu den unmittelbar von Ausrottung bedrohten Menschenaffen. Sie sind nicht nur unsere nächsten Verwandten im Tierreich, sie sind als Samenverbreiter auch unentbehrlich für die Vielfalt des Regenwaldes. Der Schutz dieser faszinierenden Menschenaffen dient gleichzeitig auch dem Erhalt des Waldökosystems.
Heute leben Orang-Utans nur noch auf Sumatra und Borneo. Massive Regenwaldzerstörung und skrupelloser Tierhandel könnten bald das Ende ihrer Art bedeuten. Aufgrund der anhaltend schlechten Wirtschaftslage boomt der nationale und internationale Tierhandel in Indonesien. Auf der Liste der Tiere, mit denen illegal gehandelt wird, stehen 45 Säugetierarten, darunter 29 Primaten, 14 Nicht-Primaten, aber auch acht Reptilienarten und 51 Arten von Vögeln.
Orang-Utan-Babys, die ihre Mutter verloren haben, sind ziemlich hilflos und klammern sich an jeden Menschen, der sie füttert und sich um sie kümmert. Deswegen werden Orang-Utans häufig gern als Haustiere gehalten. Auf den örtlichen Schwarzmärkten von Kalimantan werden sie schon für zehn bis 15 Euro verkauft. Auf dem internationalen Markt werden die geschmuggelten Tiere weltweit jedoch bis zu einem Wert von 30.000 Euro gehandelt.
Nach dem Start des Films „Every Which Way But Loose“ mit Clint Eastwood 1978 und einer Fernsehserie namens „The Naughty Family“ mit einem Orang-Utan als Darsteller, wurde es auch in Taiwan sehr populär, einen Orang-Utan als Haustier zu halten. Laut indonesischen Naturschutzorganisationen wurden seitdem mindestens 1.000 Orang-Utan-Babys von Borneo nach Taiwan geschmuggelt, obwohl die Ausfuhr verboten ist.
Um ein Orang-Utan-Baby zu fangen, wird die Mutter angeschossen, die meist mit dem Baby zusammen aus dem Baum fällt. Oft überleben beide Tiere den Sturz nicht oder sind schwer verletzt. Viele Babys sterben während der Gefangenschaft bei den Tierhändlern.
Zerstörung des Lebensraumes
Eine weitere große Bedrohung für das Überleben des Orang-Utans ist die rasante Zerstörung des Lebensraumes Regenwald durch Waldbrände und Holzeinschlag. Bei den katastrophalen Waldbränden 1997/98 wurden 5,1 Millionen Hektar Regenwald zerstört, und die Gefahr der Waldbrände steigt jährlich in der Trockenzeit. Hauptgrund ist die häufig praktizierte Brandrodung, bei der Wald einfach abgefackelt wird. Auf den verbrannten Flächen werden anschließend unter anderem Ölpalmplantagen angepflanzt. Die Brände greifen oft auch unkontrolliert auf größere Regenwaldgebiete über, was dramatische Folgen hat.
Täglich fortschreitend wird Wald durch legale und illegale Abholzung für Tropenholzexporte und die Papierindustrie zerstört. Insgesamt werden jährlich über zwei Millionen Hektar indonesischer Regenwald abgeholzt – mit steigender Tendenz – und davon weit mehr als die Hälfte illegal.
Wenn die Abholzung so rasant weitergeht, schätzt man, dass bis zum Jahr 2010 auf Borneo der gesamte Regenwald zerstört sein wird. In Indonesien gibt es schon heute die größte Anzahl von gefährdeten Tierarten, darunter Sumatratiger, Nebelparder, Nasenaffe, Malaienbär und der Orang-Utan.
Aufgrund der zahlreichen Bedrohungen ist die Anzahl der wilden Orang-Utans allein in den letzen zehn Jahren um mehr als die Hälfte gesunken. Wenn keine unmittelbaren Maßnahmen getroffen werden, wird der Orang-Utan spätestens in den nächsten zehn Jahren ausgerottet sein.
Für nur 20 Euro können Sie 30 Quadratmeter vom Orang-Utan-Wald mit aufbauen. Ein Spendenformular und die entsprechende Urkunde finden Sie unter www.regenwald.org