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RegenwaldReport 01/2006

Keine Natur in den Tank!

Der Run auf Treibstoffe aus Zuckerrohr und Ölpflanzen hat begonnen. Die Energiegewinnung aus tropischen Früchten hat oft katastrophale ökologische und soziale Folgen

Die Empörung über die skrupellose Naturzerstörung in seinem Heimatland war größer als sein Wille, weiterzuleben: Am 12. November 2005 übergoss sich der 65jährige Francisco Anselmo de Barros mit Benzin und verbrannte sich selbst. Die verzweifelte Protestaktion in CampoGrande im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso do Sul richtete sich gegen den Bau von neuen Zuckerrohrplantagen und Alkoholfabriken im Becken des Alto Paraguai.

Barros war Präsident der 1980 gegründeten Umweltstiftung für Naturschutz in Mato Grosso do Sul. In einem Abschiedsbrief schrieb er: „Ich musste es tun, um die Menschen wachzurütteln, damit sie die ökologische Bedrohung begreifen.“

Die Regierung des Bundesstaates plant neue Zuckerrohr- Plantagen und -verarbeitungsbetriebe am Oberlauf des Paraguay Flusses, der durch das Pantanal fließt, dem größten Feuchtgebiet der Erde. Aus dem Zucker soll Bioalkohol produziert werden, der als Kraftstoff für Autos genutzt wird. Die Pläne bedrohen das sensible ökologische Gleichgewicht des Pantanal und den westlichen Amazonas.

Das Vorhaben steht zudem im Widerspruch zum Beschluss 001/85 des Conama (Conselho Nacional de Meio Ambiente), des nationalen Umweltrates, welcher die Vergabe von Umweltlizenzen für Fabriken in den Bewässerungsbecken des Pantanal verbietet. Nach der Selbstverbrennung von Barros wurde das Projekt zunächst aufgeschoben, ist aber keineswegs aufgehoben.

Der Ausbau der brasilianischen Ethanol-Produktion hat direkt etwas mit unserem Kraftstoffverbrauch zu tun. Im Mai 2003 ist die EU-Richtlinie 2003/30/EG zur „Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen oder anderen erneuerbaren Kraftstoffen im Verkehrssektor“ in Kraft getreten. Um den Zielen des Kyoto-Protokolls gerecht zu werden, soll der Bioanteil bei Kraftstoffen in der EU schon in den kommenden fünf Jahren 5,75 Prozent entsprechen. Im Januar 2004 beschloss die damalige Bundesregierung auf der Grundlage der EU-Richtlinie die Förderung von Biokraftstoffen.

Erdöl einzusparen ist gut. Beim Verbrauch von Erdöl wird CO2 frei gesetzt, ein Gas, das erheblich zur Klimaerwärmung beiträgt. Und schon die Förderung von Erdöl führt fast immer zu ökologischen und sozialen Problemen. In Ecuador und Peru beispielsweise werden dabei Regenwälder vernichtet und indigene Lebensräume zerstört. In Nigeria kam es durch die Ausbeutung von Ölquellen zu schweren Menschenrechtsverletzungen und der Verseuchung großer Landstriche. Erdöl durch sogenannte Biotreibstoffe aus Pflanzenöl, Zucker oder Holz zu ersetzen, ist daher auf den ersten Blick eine umwelt- und menschenfreundliche Alternative. Tatsächlich ist sie kontraproduktiv, weil sie – vor allem in tropischen Ländern – zu neuen sozialen und ökologischen Katastrophen führt.

Fatale Lücken

Zwar heißt es in der EU-Richtlinie, der verstärkte Einsatz von Biokraftstoffen sollte „von einer genauen Analyse der ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen begleitet werden.“ Doch die EU-Richtlinie enthält zwei entscheidende Fehler: Statt verbindliche Vorgaben zur Energieeinsparung zu machen, wird lediglich der teilweise Ersatz fossiler Energieträger durch biologische forciert. Und konkrete Warnungen davor, dass die Produktion von Biokraftstoffen zunehmend intakte Ökosysteme vernichtet, fehlen in der Richtlinie.

Diese wurde erarbeitet, ohne Umweltschutzorganisationen daran zu beteiligen, und sieht ausdrücklich auch den Import von Bio-Treibstoffen vor. Damit sind neue Kahlschläge in den Regenwäldern programmiert, wenn Ethanol zum Beispiel aus brasilianischem Zuckerrohr oder Biodiesel aus indonesischem Palmöl produziert wird.

Dabei führt schon heute der wachsende Verbrauch von Palmöl in den Industriestaaten zur Zerstörung von Regenwäldern und Lebensräumen selten gewordener Pflanzen und Tiere. In Brasilien werden jedes Jahr mehr als 20.000 Quadratkilometer Regenwald in Sojafelder umgewandelt, überwiegend für den hohen Verbrauch in der EU, den USA und China. Finanziert wird der Sojaboom mit Krediten aus den Industrieländern, unter anderem von der Westdeutschen Landesbank. Aus Soja- und Palmöl kann Biodiesel hergestellt werden. Steigt die Nachfrage nach diesem Kraftstoff zum Beispiel in der EU, werden mit Sicherheit weitere Regenwaldflächen in Monokulturen umgewandelt.

Regenwald verheizen

In Amsterdam wird Palmöl inzwischen zur Stromerzeugung verbrannt. Auch in Deutschland sind solche Kraftwerke in Planung. Damit wälzen wir durch unseren Konsum verursachte Umweltprobleme auf Regenwaldländer ab. Durch die Anlage der Monokulturen werden Kleinbauern enteignet, indigene Völker vertrieben und artenreiche Wälder vernichtet. Statt in Energiesparmaßnahmen zu investieren und konsequent nachhaltige Erneuerbare Energie zu fördern, forcieren wir eine großflächige Waldvernichtung.

Die angebliche neutrale Klimabilanz der Energiegewinnung aus Soja und Palmöl ist eine Milchmädchenrechnung, die nicht berücksichtigt, wo die nachwachsenden Rohstoffe angebaut werden. So sind die Sumpf- und Torfwälder auf Sumatra und Borneo bedeutende CO2-Senken.Genau diese Wälder werden per Brandrodung vernichtet und die Flächen für Palmöl-Plantagen genutzt. Damit verschwinden nicht nur wichtige Ökosysteme, auch der Vorteil durch die Nutzung biogener Treibstoffe relativiert sich mit der Vernichtung der CO2-Senken.

Vor diesem Hintergrund muss ein klarer Trennungsstrich gezogen werden. Biokraftstoffe aus „Abfällen“ europäischer Landwirtschaft oder aus biologischem Anbau auf Brachflächen von zum Beispiel Raps ist akzeptabel. Beim Einsatz tropischer Produkte für unseren Energiehunger müssen strenge Kriterien eingehalten werden. Es darf keine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion entstehen. Der Anbau muss biologisch ohne Einsatz von Kunstdünger und Agrargiften erfolgen. Außerdem müssen dabei kleinbäuerliche Strukturen gefördert, nicht zerstört werden.

Genauso wichtiger ist eine grundlegende Änderung unserer Energiepolitik, statt lediglich Erdöl teilweise durch Biokraftstoffe zu ersetzen. Dazu gehören unter anderem die Förderung des öffentlichen Personenverkehrs zu Lasten der individuellen Mobilität, radikale Energiesparmaßnahmen und der konsequente Ausbau von Erneuerbaren Energien wie Sonnen- und Windkraft.

Die Politik von EU und Bundesregierung versucht zwar, die Abhängigkeit von Erdöl zu vermindern, schafft aber neue ökologische Probleme. Biodiesel wird – anders als reines Pflanzenöl, das ebenfalls als Kraftstoff genutzt werden kann – chemisch in Großanlagen aufbereitet. Das aufwendige Verfahren verschlingt Energie. In Deutschland wird Biodiesel überwiegend aus Raps hergestellt. Die etwa 1,4 Millionen Hektar Acker, auf denen derzeit Raps angebaut wird, werden fast ausschließlich konventionell bewirtschaftet. Eingesetzt werden dabei Kunstdünger und Pestizide, deren Produktion ebenfalls Energie verbraucht. Folglich hat Biodiesel keine CO2-neutrale Bilanz.

Noch fataler aber wirkt sich aus, dass in der EU nicht genügend Ackerfläche vorhanden ist, um einen großen Teil des Dieselverbrauchs durch Biodiesel zu ersetzen. Deswegen setzt die EU auf den Import von Biokraftstoffen und sucht weltweit nach Alternativen – das sind vor allem Soja und Zuckerrohr aus Brasilien und Palmöl aus Südostasien. Im Klartext: Wir verheizen die weltweiten Regenwälder künftig in Fahrzeugen, die mit Bio-Treibstoffen angetrieben werden. Deshalb fordert Rettet den Regenwald die Bundesregierung und die EU-Kommission auf: Keine Vernichtung von Naturwäldern für Biokraftstoffe!

Aktion gegen Kraftstoff aus tropischen Früchten

Bitte nutzen Sie unseren Musterbrief unter www.regenwald.org oder schreiben Sie selbst formulierte Briefe an die folgenden Personen und fordern Sie: Keine Natur in den Tank! Landwirtschaftsminister Horst Seehofer Wilhelmstraße 54, 10117 Berlin, Telefax: 030 2006- 4262, E-mail: internet@bmvel.bund.de Österreich hat derzeit die EU-Präsidentschaft. Landwirtschaftsminister Josef Pröll, E-mail: Josef. Proell@bmlfuw.gv.at, Fax 00 43 1 712 0710 Bei der Europäischen Kommission, 200 Rue de la Loi, B-1049 Brussels Generaldirektorat Landwirtschaft, Frau Fischer-Boel, E-mail: mariann.fischer-Boel@cec.eu.int Fax: 00 322 298 1899 Generaldirektorat Umwelt, Herrn Dimas, E-mail: stavros.dimas@cec.eu.int Fax 00 322 298 2099 Generaldirektorat Wirtschaft, Herrn Verheugen, E-mail: guenter.verheugen@cec.eu.int Fax 00 322 299 1827 Generaldirektorat Tranport & Energie, Herrn Piebalgs, cab-piebalgs-archives@cec.eu.int Fax 00 322 298 8624

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