RegenwaldReport 03/2008
Die Orang-Utan-Retter
Überall auf Borneo finden sich auf schmutzigen Hinterhöfen in Käfigen eingekerkerte Orang-Utans. Deren Haltung ist illegal, doch täglich kommen neue Tiere hinzu. Ihr Lebensraum, der Regenwald, fällt massiv Ölpalmplantagen zum Opfer. Die Orang-Utans irren hilflos auf den Plantagen umher, verhungern, werden abgeschlachtet oder als Schauobjekt verhökert.
Die Ankunft der vier Umweltschützer von COP (Centre for Orangutan Protection) im Dorf Nanga Tayap im Regenwald hat sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen. Fahrzeuge kommen selten ins Dorf und schon gar nicht mit Leuten, die Orang-Utans retten. Im Nu sind die Umweltschützer von DorfbewohnerInnen umringt. Hardi Baktiantoro steigt auf die Ladefläche und öffnet die Tür des Transportkäfigs. Die Leute betrachten den beschlagnahmten Orang-Utan interessiert. Der soll jetzt von COP zu einer Rettungsstation gebracht werden. „Für COP ist es wichtig, das Vertrauen und die Achtung dieser Menschen zu gewinnen. Die Verantwortlichen für diese Katastrophe sind nicht die Menschen hier“, sagt Hardi. „Die Urheber tragen Nadelstreifenanzüge und sitzen in feinen Büros in Jakarta, Singapur, Rotterdam und Hamburg. Dort wird das Palmöl gekauft und konsumiert. Hier bei uns wird es angebaut und für die riesigen Ölpalmplantagen der Regenwald plattgemacht.“
Hardi ist Tier- und Umweltschützer mit Leib und Seele. Bis 2006 arbeitete er für das Orang-Utan Pflege- und Auswilderungs- Zentrum der Organisation BOS (Borneo Orangutan Survival) in Nyarumenteng auf Borneo. Mittlerweile drängeln sich in dem Zentrum etwa 600 der roten Menschenaffen oder wurden auf drei nahen Inseln ausgewildert. „Es ist sehr schwierig für uns, geeignete Urwaldstücke zu finden, in denen die Orang-Utans sicher leben können“, sagt Aldrianto Priadjati von BOS. Sehr viel Wald ist den Holzfällern schon zum Opfer gefallen oder droht gerodet zu werden. In Nyarumenteng musste Hardi täglich erleben, wie Orang-Utans mit von den Plantagenarbeitern eingeschlagenen Köpfen, gebrochenen Knochen und Einstichwunden im Bauch eingeliefert wurden und qualvoll verstarben. Und wie der Regenwald der indigenen Dayak zerstört wurde und die ihrer Lebensquelle beraubten Menschen als Plantagenarbeiter auf dem Land schuften mussten, das einst ihr stolzer Besitz war. „Die vom Sterben bedrohten Orang-Utans zu retten ist sehr wichtig“, sagt Hardi. „Aber das ist so ähnlich, wie die Pfütze unter einer gebrochenen Wasserleitung aufzuwischen, ohne das Rohr zu reparieren. Aktuell können wir die Rodungen zwar nicht komplett stoppen, aber wir können zumindest einzelne große Regenwaldflächen erhalten.“
Im März 2007 hat Hardi zusammen mit einigen engen Freunden COP gegründet. „Die Lobbyarbeit mit den Plantageninvestoren und der Regierung hat wenig gebracht. Wir müssen den Widerstand der Menschen vor Ort gegen diesen Wahnsinn organisieren“, erläutert Hardi. Seitdem ziehen die Umweltschützer im Regenwald von Dorf zu Dorf. „Wir klären die Menschen auf, wie die Regierung immer neue Holzeinschlags- und Palmölkonzessionen vergibt, die Firmen praktisch ohne Kontrolle legal und illegal roden, sich das Land und dessen Ressourcen aneignen, die Lebensgrundlagen der Menschen ruinieren und welche Rechte und Möglichkeiten die Menschen haben, sich dagegen zu wehren.
Wir halten Versammlungen in den Dörfern ab, gehen in Schulen, sprechen mit Polizisten und Forstbeamten, recherchieren und dokumentieren vor Ort und informieren die Behörden, Zeitungen und Fernsehen“, berichtet Novi Hardianto, ein weiterer Mitarbeiter von COP.
Erfolge von COP
„Mit unserer Arbeit und Kampagne haben wir in weniger als achtzehn Monaten seit unserer Gründung drei wichtige Siege errungen.“ Die Regierung hat drei Palmölfirmen die Konzessionen entzogen und diese Unternehmen angewiesen, Motorsägen und Bagger abzuziehen und den Wald zu verlassen. 42.000 Hektar Regenwald, der Lebensraum von mindestens 1.500 Orang-Utans, konnten so vor der Makin Group im Katingan Distrikt von Zentral-Kalimantan gerettet werden. Bei der PT. Nabatindo Karya Utama im Kotawaringin Timur-Distrikt sind es 13.000 Hektar und bei der Agro Group, dem jüngsten Erfolg, mindestens 6.000 Hektar. Direkt nebenan allerdings hat der Sinar Mas-Konzern eine Konzession im Regenwald erhalten.
Das ist ein Grund mehr für COP, mit der Arbeit vor Ort fortzufahren. So wurde ein Schutzcamp im Regenwald errichtet, um den Widerstand der lokalen Bevölkerung zu stärken, weitere Rodungen zu verhindern und Volontäre unterzubringen. Zusammen mit zwei Dörfern forstet COP einen degradierten Wald im Gebiet von Cempaga in Zentral-Kalimantan auf. „Wir wollen, dass unser Wald erhalten wird“, sagt eine Dorfbewohnerin und stopft einen Baumsetzling in eine mit Erde gefüllte Pflanztüte.
„Mit den Plänen der Firmen waren wir nie einverstanden, aber wir wussten nicht, welche Rechte wir haben und wie wir uns dagegen wehren können. COP hat geholfen, uns zu organisieren. Jetzt forsten wir wieder auf. Zusammen mit COP haben wir beim zuständigen Provinzgouverneur interveniert und den Wald vor der endgültigen Rodung gerettet. Dadurch konnten wir unser Land und etwa 1.500 Orang-Utans ihren Lebensraum behalten.“
Währenddessen geht auch die Rettung gefangener Orang-Utans weiter. COP hat herausgefunden, dass der Besitzer eines Friseursalons auf West-Kalimantan illegal einen Menschenaffen hält. Doch wie kommen die Aktivisten auf den Hof des Besitzers? Sie fackeln nicht lange. Während Hardi als Kunde im Friseursalon erscheint und seine Haarpracht ans Messer liefert, dreht sein wartender Kollege unauffällig eine Runde und wird schnell fündig. Angekettet findet er Orang-Utan- Männchen Haibibie, das dort seit fünf Jahren zwischen Unrat ein trostloses Dasein fristet. Die beiden Aktivisten gehen zur nahe gelegenen Station der Waldpolizei. Der zuständige Beamte ist schnell bereit, das Tier zu beschlagnahmen, wenn COP eine passende Transportkiste liefert. Kurze Zeit später wird Haibibie von COP befreit.
Helfen Sie helfen
„Hunderte Orang-Utans warten noch auf Rettung“, erklärt Hardi. „Allein im Juli hat die schnelle Eingreiftruppe von COP sechs weitere Orang-Utans gerettet. Die meisten irrten halb verhungert auf neu angelegten Ölpalmplantagen umher.“ Noch wichtiger als die Menschenaffen zu retten ist es, weitere Rodungen von Regenwald zu verhindern. Die Holz- und Palmölfirmen verfügen über Dutzende von weiteren Genehmigungen zum Einschlag der Bäume und Umwandlung des Urwalds in neue Plantagen. Das müssen wir stoppen, und zwar vor allem durch den Widerstand der Menschen vor Ort. Wir wollen deshalb dringend weiteren Dörfern helfen. Die Menschen müssen organisiert werden, brauchen rechtliche Beratung und finanzielle Hilfe beim Kampf gegen die Holzfäller und Palmölfirmen. Die Umweltschützer von COP müssen in die Dörfer fahren, an Versammlungen und Workshops teilnehmen sowie Aktionen und Blockaden durchführen. Mindestens zwei weitere Arbeitsteams sollen für die anderen beiden indonesischen Provinzen auf Borneo gebildet und ausgerüstet werden. Weiteres Personal muss eingestellt, Fahrtkosten, Unterkunft und Verpflegung sowie Arbeitsmaterialien müssen bezahlt werden. Dafür brauchen wir dringend 32 000 Euro Unterstützung von Rettet den Regenwald. „Die Investition lohnt sich, diese Menschen sind die Hoffnung für unseren Wald”, sagt Hardi.
Naturschützer Hardi Baktiantoro organisiert den Widerstand vor Ort: „Es reicht nicht aus, die Orang-Utans aufzupäppeln. Ihr Lebensraum, der Regenwald, muss erhalten bleiben.“ Orang-Utan-Baby Kerrie hat überlebt, die Mutter wurde vermutlich getötet. Orang-Utan-Kinder haben eine sehr enge Beziehung zur Mutter, von der sie über Jahre alles zum Leben im Regenwald Notwendige lernen.
Das hilflose Orang-Utan-Waisenkind Kerrie wäre ohne Hilfe zum Sterben verurteilt. Auf dem Abtransport zum Pflege- und Auswilderungszentrum für Orang-Utans ist Hardi der Ersatzvater. Im Rehabilitationszentrum für Orang- Utans wird Kerrie von Menschen aufgezogen und auf die Auswilderung vorbereitet werden.