RegenwaldReport 01/2009
Monsanto: Grüne Wüste
Der US-Agrarmulti Monsanto hält faktisch ein Monopol am Markt für genveränderte Pflanzen und betreibt eine aggressive weltweite Expansionskampagne. Doch immer mehr betroffene Menschen organisieren sich und mobilisieren Widerstand.
Wer die argentinische Hauptstadt Buenos Aires Richtung Norden verlässt, blickt in grüne Ödnis. Was vor wenigen Jahren noch das Herzgebiet der Pampa mit den besten Weideländern der Welt war, ist nun mit Soja bedeckt, so weit das Auge reicht. Die traditionellen Familienbetriebe mit Rinderzucht, Getreide- und Obst- und Gemüseanbau sind dem US-Agrarkonzern Monsanto zum Opfer gefallen, seit dieser 1996 Argentinien als Sprungbrett für den südamerikanischen Markt entdeckte.
Dessen genverändertes „Roundup Ready“-Soja breitet sich mit einer in der Geschichte der Landwirtschaft einmaligen Geschwindigkeit aus. Das schreibt die französische Journalistin Marie-Monique Robin in ihrem Buch „Mit Gift und Genen - Wie der Biotech- Konzern Monsanto unsere Welt verändert“. „Da entsteht eine grüne Wüste und verschlingt eine der Kornkammern der Erde,“ so die Autorin. Gut 17 Millionen Hektar sind mit Monsantos Soja-Monokulturen bepflanzt – mehr als die Hälfte von Argentiniens Ackerfläche. Von Argentinien rückte Monsantos Gensojafront Richtung Norden nach Brasilien und Paraguay vor. Und so verschwindet mehr und mehr der Regenwald und mit ihm seine Artenvielfalt. Klingelnde Kasse macht Monsanto nicht nur mit dem patentierten Gensaatgut, zum Paket gehört auch das passende Herbizid „Roundup“, gegen das die genmanipulierte Soja- Sorte resistent ist. Monsanto bewirbt sein Pflanzenschutzmittel als biologisch abbaubar und umweltverträglich. Rund 170 Millionen Liter des Herbizids „Roundup“ werden alljährlich über den Feldern Argentiniens verteilt – das sind zehn Liter pro Hektar.
Mehr Herbizide - mehr Krankheiten
Nach der Studie „Wer hat Vorteile von Genpflanzen?“ der Umweltschutzorganisation Friends of the Earth vom Vorjahr nimmt der Herbizid-Einsatz durch den Anbau genveränderter Pflanzen weltweit keinesfalls wie von Monsanto behauptet ab, sondern massiv zu. Zahlreiche Wildkräuter haben Resistenzen gegen Roundup entwickelt und können nur noch durch einen immer giftigeren Cocktail verschiedener Herbizide in Schach gehalten werden. Die Herbiziddusche blieb nicht ohne Auswirkungen, allein in Argentinien gibt es mittlerweile Dutzende von Untersuchungen, welche die Gefährlichkeit des „Roundup“- Wirkstoffs Glyphosat belegen.
Die argentinische Umweltorganisation „Grupo Reflexión Rural“ (GRR) macht in ihrer aktuellen Studie die massive Verwendung von Glyphosat verantwortlich für Atemwegs- und Hautallergien, neurologische Erkrankungen und Missbildungen, ganz besonders der Nieren von Föten und Schwangeren. GRR hat für seine Untersuchung zehn über das Land verteilte Ortschaften aufgesucht. Eine davon ist Ituzaingó Anexo am Rande der Provinzhauptstadt Córdoba. Seit acht Jahren litten dort unerklärlich viele Menschen an Krebs und anderen Erkrankungen. Damals gründete sich die Organisation „Madres de Ituzaingó“, um den Ursachen auf die Spur zu kommen.
Die furchtlosen Mütter vermuteten schnell, dass die riesigen Soja-Plantagen etwas mit den Krankheitsfällen zu tun haben müssen, die direkt an ihr Viertel grenzen. Im Laufe der Jahre bestätigten diverse Untersuchungen ihren Verdacht. Aber erst im Januar 2009 verbot die Gesundheitsverwaltung Córdobas endlich das Sprühen von Pflanzenschutzmitteln wie Glyphosat in der Nähe von Ortschaften. Unter dem Druck der Öffentlichkeit zog nun auch die Präsidentin Christina Kirchner höchstpersönlich nach und ordnete landesweite Untersuchungen an.
Wie katastrophal das Monsanto-Herbizid Roundup auf menschliche Zellen wirken kann, haben gerade die Wissenschaftler der französischen Universität Caen eindrucksvoll bestätigt. Ihre ebenfalls im Januar veröffentlichte Studie zeigt: Selbst in einer hunderttausendfachen Verdünnung führt Roundup innerhalb von 24 Stunden zu einem völligen Zellsterben, es blockiert die Zellatmung und verursacht Schäden am Erbgut. Roundup ist bei den meisten auf dem Markt befindlichen genveränderten Lebens- und Futtermitteln nachweisbar. Der Biologe Rick Relyea hatte bereits 2005 Roundup als Ursache des weltweiten mysteriösen Amphibiensterbens ausfindig gemacht. Keine Überraschung, hatte Monsanto bereits in der Vergangenheit als Hersteller des Entlaubungsmittels „Agent Orange“ und Transformatoröls „PCB“ massenhaft Tod ausgelöst.
Monsanto ist mit seinem Gensoja, aber auch Genmais und Genbaumwolle, unangefochtener Marktführer für transgenes Saatgut. Volle Rückendeckung genießen Monsanto und Co dabei von der US-Regierung. Die Hälfte der Genpflanzen wuchern auf Äckern in den USA, danach folgen Argentinien und Brasilien. Der überwiegende Anteil der Gentech-Pflanzen wird als Futtermittel oder als Agrosprit für reiche Länder verwendet. Statt der versprochenen Ertragssteigerung zur Armutsbekämpfung in den Entwicklungsländern haben die Gen-Pflanzen lediglich neue Abhängigkeiten geschaffen – und die Kleinbauern verdrängt und in den Ruin getrieben.
Auch unter dem neuen US-Präsidenten wird sich das wohl nicht ändern, genauso wenig wie die generelle Ausrichtung der amerikanischen Landwirtschaftspolitik. Barack Obamas neuer Landwirtschaftsminister Tom Vilsack gilt als großer Freund der Gentechnik im Allgemeinen - und von Monsanto im Speziellen.
Das Blatt gegen Monsanto und seine „Wunderprodukte“ scheint sich eher an der Basis zu wenden. Ausgerechnet im Mutterland von Monsanto geht seit diesem Jahr die Anbaufläche von Gensoja erstmals zurück. Mehr USamerikanische Farmer pflanzen wieder traditionelle Soja ohne Gentechnik an. Der Grund: Die Preise für Monsantos Saatgut und Herbizid Roundup haben sich in den letzten Jahren bis zu verdreifacht. Und für genfreie Soja lassen sich höhere Verkaufserlöse erzielen.
Gensoja für unseren Fleischkonsum
Auch in Europa bläst kräftiger Gegenwind. Seit 2005 ist der Anbau von Monsantos Genmais um ein Drittel zurückgegangen, schreibt Friends of the Earth in seiner Studie. Um die Entwicklung zu vertuschen, frisierte die Genlobby kurzerhand die Zahlen. Der Anbau von Monsantos Genmais, der einzigen bisher in Europa für den Anbau auf 0,21% der Ackerfläche zugelassenen Pflanze, sollte damit als viel verbreiteter erscheinen, als er in Wirklichkeit ist. Die meisten Verbraucher wollen keine Gentechnik im Essen und Produkte mit Geninhalt tragen einen Warnhinweis auf der Verpackung. Doch was im Supermarkt ein Ladenhüter ist, war im Viehstall bisher der Renner. 80 Prozent aller weltweit geernteten Genpflanzen landen in Tierfutter. Bauern müssen nicht angeben, ob sie in den Futtertrog von Hühnern, Schweinen und Kühen Gensoja schütten. Verbraucher erfahren also nicht unbedingt, was an die Tiere verfüttert wird, wenn sie Fleisch, Eier oder Milchprodukte kaufen.
Das hat sich nun geändert. Nach einer Entscheidung der Bundesregierung vom Mai 2008 darf auf Produkten der Hinweis „Ohne Gentechnik“ aufgedruckt werden. Einige Molkereien wie die hessische Upländer Bauernmolkerei, die bayerische Andechser Molkerei und der größte Milchkonzern Europas, die niederländische Campina, werben bereits mit dem „Ohne-Gentechnik-Etikett“. Die Molkereien kaufen keine Milch mehr von Kühen, die mit Genfutter gemästet werden. Stattdessen setzen sie auf Raps und Lupinen vom gleichen Betrieb oder regionaler Produktion und schließen Futtermittelimporte aus Übersee aus. Damit reagiert Campina auch auf den Druck von Umweltschützern, die wiederholt vor den Kühlregalen gegen die Verwendung von Milch aus Genfütterung protestiert hatten.
Auch in der Bastion der EU regt sich Widerstand. Seit Jahren bedrängen Monsanto und die US-Regierung die EU massiv, der Gentechnik Türen und Tore in Europa zu öffnen. Während die EU-Kommission sich offen hinter die wirtschaftlichen Interessen der Genindustrie stellt, sind die Regierungen der Mitgliedsländer vorsichtiger und wollen sich keine Wählerstimmen verscherzen. Anfang März lehnten die EU-Umweltminister drei Anträge der EU-Kommission ab, mit denen Österreich und Ungarn zur Aufhebung des Verbots des Anbaus von gentechnisch verändertem Mais von Monsanto gezwungen werden sollten. Ähnliche EU-Entscheidungen stehen demnächst auch zu Frankreich und Griechenland an.