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Regenwald Report 02/2010

Wir dürfen nicht quälen

In Indonesien leiden und sterben die letzten und einzigen Menschenaffen Asiens – 2000 Orang-Utans pro Jahr. Ein Grund: Ihr Lebensraum wird vernichtet. Immer schneller verschwinden die Urwälder für Palmölplantagen. Weil wir mit „grüner“ Energie heizen und Auto fahren wollen

Gefesselt und halbtot wurde Orang-Utan-Baby Helen von Tierschützern gerettet.Gefesselt und halbtot wurde Orang-Utan-Baby Helen von Tierschützern befreit.
Plantagenarbeiter hatten ihre Mutter getötet - die Tiere waren hilflos auf den Äckern
herumgeirrt.

Der 18. Oktober bringt Glück ins Unglück von Helen und Jera: Forstbeamte und Tierschützer befreien sie aus ihrer Qual und retten ihnen das Leben. Doch welches Leben erwartet ein Orang-Utan-Baby, das für sieben Jahre in eine hautnahe Mutter-Kind-Beziehung hineingeboren wird – und nun Waise ist? Die Mütter von Helen und Jera, so haben die Retter sie getauft, wurden von Plantagenarbeitern getötet und gegessen. Unzählige Tage verbrachten die Affenbabys gefesselt, verwundet, halb verhungert und verdurstet auf verbrannter Erde. Im Rettungszentrum der OrganisationInternational Animal Rescue wurden Helen und Jera fünf Monate lang gepflegt und auf die Freiheit vorbereitet. Bald ist es so weit – dann können die Orang-Utan-Waisen in den Urwald zurückkehren; denn noch gibt es Wald in der indonesischen Provinz Westkalimantan auf der Insel Borneo.

Indonesien ist dabei, sein Symbol auszulöschen, den einzigen Menschenaffen Asiens – und wir im fernen Deutschland tragen dazu bei. Denn Palmöl ist für uns im neuen Jahrtausend zum wichtigsten Pflanzenöl aufgestiegen; wir wollen „saubere“ Energie, um unser Klima zu schützen. Und weil für die ehrgeizigen Ziele unserer Regierung – zuerst Rot-Grün, jetzt Schwarz-Gelb – alle heimischen Rapsfelder nicht ausreichen, importieren wir in großem Stil: Knapp eine Million Tonnen verbrauchten wir 2008 – eine Hälfte davon verbrennt in unseren Blockheizkraftwerken und Autotanks, die andere Hälfte verbrauchen Lebensmittel- und Chemieindustrie. Bioenergie nennen Politiker diese Alternative zu fossilen Brennstoffen und forcieren ihre Nutzung mit Subventionen und durch festgesetzte Beimischungsquoten für Dieselkraftstoff – Tendenz steigend. Und Indonesien hat sein Wirtschaftspotenzial längst erkannt: Das Land ist Palmöl-Exportweltmeister.

Dafür sterben die letzten großen Regenwaldgebiete der Erde – und mit ihnen die letzten roten Menschenaffen. Noch bis Mitte des letzten Jahrhunderts haben vermutlich Hunderttausende Orang-Utans die Wälder bewohnt – jetzt sind es schätzungsweise noch 50.000; nur auf den Inseln Borneo und Sumatra konnten sie noch überleben. Doch seitdem Palmölkonzerne in atemberaubendem Tempo die Wälder für Plantagen vernichten, wird die Lage für die Orang- Utans immer bedrohlicher.

Jeder von ihnen braucht mindestens einen Quadratkilometer Regenwald, um satt zu werden von Früchten und Blättern. Ohne Wald verlieren die Tiere ihre Nahrungsquelle, ihren Schutz und Spielraum. Hilflos irren sie durch baumlose Ödnis – und sind Freiwild für ihre Häscher.

„In den letzten zehn Jahren wurden mindestens 20.000 Orang-Utans entweder getötet oder gefangen und illegal verkauft an skrupellose Tierhändler“, sagt Hardi Baktiantoro, Gründer der Organisation Centre for Orangutan Protection, COP. „Und zwar ohne jegliche strafrechtliche Verfolgung. Niemand ist jemals angeklagt worden. Leute, die Orang-Utans fangen oder kaufen, wissen genau, dass sie nichts zu befürchten haben. Selbst Militärs, Polizisten und lokale Beamte halten sich zu Hause Orang- Utans – im vollen Bewusstsein, dass sie das Gesetz brechen. Denn diese Tiere sind streng geschützt.“ Dennoch, so Hardi, erteilt das Forstministerium weiterhin ungestraft Genehmigungen, Wälder zu zerstören, in denen erwiesenermaßen geschützte Arten leben – wie Orang-Utans, Tiger und Elefanten. „Was mit den Orang-Utans geschieht, kann man in einem Wort zusammenfassen: Genozid.“ Das schreibt Sean Whyte, Direktor der englischen Naturschutzorganisation Nature Alert, in dem bestürzenden Bericht „PalmOil Report“. Er wurde Ende letzten Jahres zusammen mit COP erarbeitet und veröffentlicht.

Für Hardi Baktiantoro ist die Palmölindustrie die schlimmste naturzerstörende Industrie der Welt. Tag und Nacht sind deswegen die COP-Aktivisten auf Borneo unterwegs, um die hilflos auf den Plantagen herumirrenden Orang-Utans vor dem sicheren Tod zu retten. „Für die Plantagen- Betreiber sind die Affen eine Pest“; sagt Hardi. „Denn sie fressen die jungen Ölpalmen, weil keine einzige andere Pflanze mehr übrigblieb von dem Wald, der ihnen Nahrung und Lebensraum gab.“

Die Orang Utans sind als Sympathieträger jedoch nur Symbol für Tausende anderer bedrohter Tier- und Pflanzenarten.

Wer die drittgrößte Insel der Erde aus der Luft betrachtet, wird die Tragödie Borneos mit einem Blick begreifen: Riesenhafte Rechtecke aus Ölpalmen bedecken einheitsgrün das Land – insgesamt sind es acht Millionen Hektar. Dazwischen die furchtbaren Narben, die Feuer und Kahlschläge hinterlassen haben. Denn die Palmölindustrie besitzt bereits Landrechte für nahezu 30 Millionen Hektar, von denen 20 Millionen schon gerodet wurden.

Ganz besonders dramatisch verschwindet der Regenwald zurzeit im Westen der Insel, in der Provinz Westkalimantan. Dort, wo die Affenwaisen Helen und Jera gefunden wurden. Elf Tiere retteten die Helfer von Animal Rescue in kurzer Zeit von Limpah Sejahtera-Plantagen, neun von ihnen sind Waisenbabys. Die Karte vom Distrikt Ketapang sieht aus wie ein Puzzle: 90 Palmölfirmen haben dort ihren Claim abgesteckt. Hauptakteur ist der Konzern First Resources, nach eigenen Angaben eine der größten Palmölfirmen Indonesiens: „1992 gegründet, sind wir eine der am schnellsten wachsenden Plantagenfirmen der Region“, so rühmt sich der Konzern. „Wir bewirtschaften 91 000 Hektar Palmölplantagen und betreiben sieben Ölmühlen in Indonesien.“

Doch First Resources ist auch aus anderen Landesteilen berüchtigt. So hat eine ihrer diversen Unterfirmen auf Sumatra geschützten Lebensraum der Tiger und Elefanten vernichtet. Und in Westkalimantan holzt ihr Subunternehmen PT. Limpah Sejahtera ungestört sogenannten High Conservation Forest ab. Das ist streng geschützter artenreicher Primärwald,in dem auch Orang-Utans leben.

Nach den Regeln des Runden Tischs für nachhaltiges Palmöl (RSPO), bei dem First Resources Mitglied ist, ist das streng verboten. First Resources, dessen Palmöl auch auf unsere Märkte kommt, ist kein Einzelfall und zeigt den Betrug und die Wirkungslosigkeit der Siegel und Zertifizierung auf.

Für den Agrospritbereich hat die Bundesregierung mit dem kürzlich gegründeten ISCC-Verein ein weiteres Siegel geschaffen. Auch die Agrospritindustrie hat angekündigt, bis Juni ein eigenes Label namens Ret auf die Beine zu stellen. Unsere Politiker, von CDU/CSU, FDP bis zu den Grünen, können noch so viele „grüne“ Siegel erfinden, aber eins können sie nicht behaupten: sie hätten nichts gewusst. First Resources ist nur ein Beispiel von vielen – überall dort, wo Umweltgruppen auf Abholzung und Plantagenbau stoßen, erleben sie Lug und Betrug.

„Es gibt keine umweltverträgliche Produktion von Palmöl“, sagt Hardi Baktiantoro. „Wer das behauptet, will sein blutiges Geschäft grünwaschen. Mit ihren sogenannten Nachhaltigkeitssiegeln hängen sich die Palmölfirmen grüne Mäntel um, damit die Geschäfte weiterhin blühen. Und in den Regierungen der Welt finden sie willige Geschäftspartner, die sie letztendlich zu ihren Komplizen machen.“Der COP-Chef bleibt dabei: „Ob mitoder ohne Siegel: Palmölplantagen bedeuten den Tod für unsere Urwälder mit ihren Elefanten, Tigern undOrang-Utans. Und Elend für unzählige Menschen.“

WIR FORDERN: HÄNDE WEG VON UNSEREM WALD!

Noch ist die Hälfte der Insel von Urwäldern bedeckt; noch besitzt Borneo eine größere biologische Vielfalt als die meisten Landschaften der Erde. Um sie zu schützen, sind die Regenwaldkämpfer an allen Fronten aktiv. Drei Forderungen stellen Hardi Baktiantoro und seine Organisation COP an die indonesische Regierung:

1. Wendet die bestehenden Gesetze an, die geschaf fen wurden, alle bedrohten Arten zu schützen, einschließlich der Orang-Utans.

2. Vergebt ab sofort keine Abholzkonzessionen mehr; weder für die Holz- und Palmölindustrie noch für Papier-Plantagen – und zwar in Wäldern, in denen Orang-Utans leben. Die bereits erteilten Abholzgenehmigungen müssen sofort zurückgenommen werden.

3. Stoppt die weitere Zersplitterung der Orang-Utan-Lebensräume durch immer neue Straßen. Bis die indonesische Regierung diese Forderungen erfüllt, müssen wir als Konsumenten Fakten schaffen, damit der Mord am Regenwald und seinen Bewohnern aufhört.

Hardi Baktiantoro und seine Mitstreiter fordern von den Regierungen in Deutschland und Europa: „Stoppen Sie die Förderung von Palmöl für Heizkraftwerke und Autotanks. Palmöl hat mit „Bio“ nichts zu tun. Palmöl vernichtet unsere Regenwälder und ihre Bewohner. Palmöl raubt den Menschen ihre Lebensgrundlage und tötet mit den Orang-Utans die einzigen und letzten Menschenaffen Asiens.“

Wir sind es den Regenwald-Bewohnern schuldig, sie in ihrem Kampf um ihren Lebensraum zu unterstützen und unsere eigene Regierung aufzufordern: Stoppt den Import von Palmöl! Protest- Postkarten an Bundeskanzlerin Merkel und an die EU finden Sie in der Mitte dieses Hefts.

 

ORANG-UTANS – STRENG GESCHÜTZT UND DOCH FREIWILD

Waldmensch bedeutet das Wort Orang Hutan in Indonesien. Die roten Menschenaffen sind die größten auf Bäumen lebenden Tiere der Erde. Tag und Nacht verbringen sie oben in den blätterdichten Kronen – von den Menschen am Boden so unbemerkt, dass westliche Wissenschaftler sie erst vor rund 200 Jahren entdeckten.

Die Superhirne des Dschungels sind den Menschen klar überlegen: in ihrer Lern- und Merkfähigkeit und im räumlichen Denken. In einem Revier von 300 Hektar kennt ein Orang-Utan jeden Baum und merkt sich genau, wann wo welche Früchte pflückreif sind. Außerdem kann er in seinem Wald ca. Tausend Pflanzen unterscheiden und weiß z.B., welches Kraut gegen Malaria oder Migräne gewachsen ist.

Hilflos sind die einzigen Menschenaffen Asiens den Menschen ausgeliefert: Der Verlust ihres Lebensraumes, Wilderei und Tierhandel haben ihre Zahl drastisch reduziert – obwohl sie streng geschützt sind. Die letzten offiziellen Zahlen aus Indonesien sind von 2004: in Kalimantan/Borneo waren es 60.000, auf Sumatra 7000. Doch jedes Jahr sterben bis zu 2000 Tiere. Eine dramatische Entwicklung, denn Orang-Utans haben die niedrigste Geburtenrate aller Säugetiere, weil die Mutter sieben Jahre für ihr Junges sorgt.

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