Regenwald Report 04/2012
Keinen Regenwald auf den Teller!
Fleisch muss heute billig sein – Supermärkte unterbieten sich gegenseitig mit Sonderangeboten. Möglich ist der Preiskampf nur durch Tierfabriken. Rinder, Schweine, Hühner und Puten werden in Rekordzeit gemästet – mit Soja-Kraftfutter aus Südamerika. Auf der Strecke bleiben dort die Menschen und ihre Natur
Edeka lädt zur Fleischwoche ein: Ein Kilogramm Thüringer Mett vom Schwein zum Superknüller-Preis von 2,99 Euro, Hähnchenkeulen gut & günstig für nur 2,45 Euro und Rinderbraten als Topknüller für 6,99 Euro das Kilo. Stück für Stück puren Genuss verspricht die Einzelhandelskette in ihrer Werbung. Und betont: Wir lieben Lebensmittel.
Edeka ist nur ein Händler von vielen, die Tierprodukte zu Dumpingpreisen verkaufen – also weit unter ihrem wahren Wert. Fleisch, Eier und Milchwaren sind bei uns billig und für viele Bundesbürger immer noch der wichtigste Teil auf dem Teller. 70 Kilogramm Fleisch verzehren wir statistisch gesehen pro Kopf und Jahr, hinzu kommen 105 Kilo Milchprodukte und mehr als 200 Eier. Die Preise und Essgewohnheiten in unseren europäischen Nachbarländern sind ähnlich. Möglich macht die Billigangebote die industrielle Massentierhaltung.
Den wirklichen Preis dafür zahlen die Tiere, die Umwelt und auch die Menschen – vor allem in den Ländern des Südens, aus dem das Mastfutter kommt. Allein 55 Millionen Schweinen kostet der Fleischhunger der Deutschen alljährlich das Leben. Ein Drittel davon landet letztendlich im Müll, weil das Angebot für unseren Magen offenbar zu groß ist.
Für jedes Kilo Schweinefleisch werden 540 Gramm Soja-Schrot verfüttert
Aufgezogen und gemästet werden die Tiere oft unter grausamen Bedingungen. Dicht an dicht stehen die Mastschweine in den Fabriken und auch Millionen Rindern, Hühnern und Puten ergeht es nicht besser. Die Tiere sind mit Exkrementen verschmiert, viele verletzen sich auf den rutschigen Böden oder werden im Dauerstress von ihren Artgenossen malträtiert. Von artgerechter Haltung kann keine Rede sein, stattdessen machen sich Krankheitserreger und Seuchen breit. Häufig müssen die Tiere mit Antibiotika behandelt werden.
Damit die Schweine in Rekordzeit das Schlachtgewicht von 115 Kilogramm erreichen, werden sie mit einem Kraftfuttergemisch gemästet. Es enthält im Durchschnitt knapp 15 Prozent Sojaschrot. Umgerechnet stecken damit in jedem Kilogramm Schweinefleisch 540 Gramm Sojaschrot. Die proteinreiche Hülsenfrucht für die Tiermast wird jedoch nicht auf heimischen Äckern angebaut. Etwa 35 Millionen Tonnen der wärmeliebenden Bohnen importieren die Mitgliedsländer der Europäischen Union (EU) pro Jahr als Futtermittel für Rinder, Schweine, Hühner und Puten, vor allem aus Südamerika.
In Argentinien, Brasilien und Paraguay boomt deshalb seit Jahren die Sojaindustrie. Auf 45 Millionen Hektar – so groß wie Deutschland und die Niederlande zusammen – dehnen sich dort schon die Sojamonokulturen aus, Dreiviertel davon ist Gensoja des berüchtigten Monsanto-Konzerns aus den USA (lesen Sie dazu Seite 12 – 14). Um Platz für immer neue Anbauflächen zu schaffen, brennen die Agrarwirte Regenwälder und tropische Savannen ab. In den Flammen sterben Aras, Brüllaffen oder Tapire; und mit ihnen opfern wir die einzigartige Artenvielfalt Südamerikas – für unseren Bedarf an billigen Futtermitteln und billigem Fleisch.
„Für die zunehmende Sojaproduktion werden unsere Wälder immer dramatischer abgeholzt. Im vergangenen Jahr wurden allein im Chaco bis zu mehr als eintausend Hektar pro Tag gerodet“, sagt Marcos Andrés Glauser vom Sozialforschungsinstitut BASE IS in Paraguay. Der Sojaboom verdrängt die Viehzüchter, die nun in den tropischen Trockenwäldern des Chaco Platz für ihre Herden schaffen.
Der Soja-Boom verdrängt die Viehzüchter in die Tropenwälder des Chaco
Die Sojaplantagen wachsen auch auf Kosten der Bevölkerung. Vor allem Kleinbauern und Indigene werden von ihrem angestammten Land verdrängt oder vertrieben. Oder vom Sprühnebel vergiftet. Ein ganzer Cocktail toxischer Chemikalien, darunter das Totalherbizid Round-up, kommt auf den Sojaplantagen zum Einsatz. Missbildungen, Fehlgeburten, Nierenversagen und Krebserkrankungen gehören zu den schrecklichen Folgen.
„Die industrielle Sojaproduktion schafft überhaupt keine Arbeitsplätze. Für ein tausend Hektar großes Soja-Feld wird nur ein einziger Arbeiter beschäftigt“, klagt Perla Álvarez Britez von der paraguayischen Kleinbauernorganisation CONAMURI.
Weiter nördlich im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso liegt das Soja-Imperium von Blairo Maggi. Sein Konzern Andre Maggi ist Weltmarktführer bei Soja und beherrscht den Anbau, die Verarbeitung und den Export der Bohnen genauso wie die Regenwaldabholzung. Während Maggis Amtszeit als Gouverneur von Mato Grosso gab es dort die höchsten Rodungsraten von ganz Brasilien.
Trotzdem bekam seine Firmengruppe 2011 als erster Produzent das neu geschaffene Siegel „Runder Tisch für verantwortliche Soja“ verliehen. Die beiden zertifizierten Riesenfarmen am südlichen Rand des Amazonasgebietes wurden mitten in den Wald geschlagen. Das zeigen deutlich die Satellitenaufnahmen im Zertifizierungsbericht. Auch gentechnisch veränderte Soja darf sich mit dem Label schmücken. Was daran „verantwortlich“ sein soll, bleibt ein Geheimnis der Mitglieder des Vereins.
Dass man Nutztiere durchaus verantwortungsbewusst züchten kann, zeigt die Biobranche. „Wir setzen gar keine Soja ein, sondern greifen auf heimische Leguminosen zurück wie Lupine, Erbse und Ackerbohne“, erklärt uns Biobauer Georg Lutz vom Gut Wulfsdorf in Ahrensburg bei Hamburg. Als Mitglied im Landwirtschaftsverband Demeter verzichtet der Betrieb auf jegliche Futtermittelimporte. „Wir betreiben streng ökologischen Anbau mit geschlossenen Kreisläufen, ohne Kunstdünger, Pestizide und Chemikalien. Wir produzieren keine billige Massenware und behandeln die Tiere mit Würde.“
Für menschliche Nahrung wird Soja hauptsächlich in Südeuropa angebaut
Aber auch die Hersteller und Einzelhandelsketten stellen zunehmend auf heimische Futtermittel um. Immer mehr Menschen ernähren sich vegan. Tierische Produkte kommen bei ihnen gar nicht auf den Teller. Dafür häufiger Soja. Die Sojaeinfuhren für die menschliche Nahrung machen nur einen Bruchteil der Importe für Futtermittel aus und wachsen meistens auf südeuropäischen Äckern. Also ganz ohne Regenwaldrodung.
WAS SIE TUN KÖNNEN
Rettet den Regenwald will seine Kampagnenarbeit gegen Massentierhaltung und die Importe von Futtermitteln und Gen-Pflanzen verstärken. Bitte unterstützen Sie unsere öffentlichen Proteste, Aktionen, Info-Veranstaltungen, politische Arbeit und Dokumentationen zu diesem Thema mit einer Spende. Stichwort: Massentierhaltung
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Soja und Futtermittel
Soja-Fußabdruck der deutschen Tierfabriken
SCHWEINFLEISCH
• 50 kg Sojaschrot werden pro Mastschwein verfüttert.
• 540 Gramm Sojaschrot stecken umgerechnet in jedem Kilo Schweinefleisch.
• Die Soja-Anbaufläche für jedes Mastschwein beträgt 275 m2 (0,0275 Hektar).
• Allein die 55 Millionen Mastschweine in Deutschland benötigen pro Jahr 2,75 Millionen Tonnen Sojaschrot. Dafür wird eine Anbaufläche von 1,5 Millionen Hektar beansprucht.
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RINDFLEISCH
• Der Sojaschroteinsatz in der deutschen Bullenmast beträgt 920 Gramm pro Kilogramm verwertbarem Rindfleisch
• Die deutsche Rindfleischproduktion belegt Soja-Anbauflächen von 360.000 Hektar.
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HÜHNERFLEISCH
• Für jedes Kilogramm Hühnerfleisch werden 470 Gramm Sojaschrot als Futtermittel eingesetzt.
• Die Hühnerfleischerzeugung nimmt eine Soja-Anbaufläche von 220.000 Hektar in Anspruch.
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MILCH-PRODUKTION AUS INTENSIVHALTUNG
• In jedem Liter Milch sind etwa 50 Gramm Sojaschrot enthalten. Für die durchschnittlich von jedem Bundesbürger pro Jahr verzehrten 105 Kilogramm Milchprodukte werden also gut 5 Kilogramm Sojaschrot verfüttert.
• Für die deutsche Milchproduktion werden cirka 1,4 Millionen Tonnen Sojaschrot eingesetzt, für die eine Anbaufläche von 750.000 Hektar notwendig ist.
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Hauptanbauländer in Südamerika
BRASILIEN:
23 Millionen Hektar.
Größter Soja-Produzent ist
der Bundesstaat Mato Grosso. Zwischen 2000 und 2010 ist
die Produktion von 8,8 Mio.
Tonnen auf 18,2 Mio. Tonnen
pro Jahr angestiegen.
ARGENTINIEN:
19 Millionen Hektar.
PARAGUAY:
3 – 4 Millionen Hektar.
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Soja-Anbaufläche für die deutsche Tierproduktion
Gesamtfläche für deutschen Bedarf: 2,9 Mio. Hektar. Damit entfallen rein rechnerisch auf jeden Bundesbürger 350 m2 Soja-Anbaufläche pro Jahr.
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