Regenwald Report 01/2013
Landraub in Kambodscha : Wir beschützen unseren Wald
Urwälder, seltene Wildtiere, fischreiche Gewässer, kleine Farmen und intakte Dorfgemeinschaften – nichts in Kambodscha ist mehr sicher vor der rasanten Ausbreitung von Industrie-Plantagen und Bergbau. Doch immer mehr Menschen wehren sich gegen Vertreibung und die Zerstörung ihrer Lebensquelle. Im einzigartigen Tieflandwald Prey Lang kämpft die Bevölkerung darum, die Natur unter Schutz zu stellen
Im Blätterdach des Baumriesen hockt eine Gruppe Kappengibbons und wird Zeuge, wie rundherum ihr Revier verschwindet. Alle zehn Minuten stürzt ein Baum durch die Kettensägen der Arbeiter zu Boden; den Affen bleibt nur die Flucht. Erst mit der Dämmerung kehren die Dschungelgeräusche für die Dauer der Nacht nach Boeng Per zurück – ein 241.000 Hektar umfassendes Schutzgebiet. Es ist das Herzstück des Regenwaldes von Prey Lang in Kambodscha, dem größten zusammenhängenden immergrünen Tieflandwald auf dem südostasiatischen Festland. Seine außergewöhnlich vielfältigen, ursprünglichen Ökosysteme sind Heimat vieler Tiere und Pflanzen, die auf der Roten Liste für bedrohte Arten stehen. Zu ihnen gehören Elefanten, Nebelparder, Siamkrokodile und die Kappengibbons genauso wie die meisten der hier Tag für Tag gefällten Bäume. Ihr kostbares Holz wird später als Palisander, Meranti oder Balau in die Welt verschifft, verarbeitet zu Gartenmöbeln oder Fußböden.
Das Königreich am Mekong ist dabei, sein Naturkapital zu vernichten – damit die Wirtschaft wächst und die Armut schrumpft, wie die Zeitung Cambodia Daily die Regierung von Premierminister Hun Sen zitiert. Doch die Menschen werden ärmer, denn es ist ihr Land und ihre Lebensquelle, die hier zum Verkauf freigegeben werden – an nationale und internationale Konzerne, vor allem industrielle Plantagen- und Bergbaufirmen. Die kambodschanische Menschenrechtsorganisation Licadho dokumentiert, dass sich private Unternehmen mittlerweile Konzessionen über insgesamt 3,9 Millionen Hektar Land angeeignet haben, das sind mehr als 22 Prozent von ganz Kambodscha. Immer häufiger liegen diese Konzessionen in geschützten Primärwäldern, die vor allem für Kautschukplantagen gerodet werden.
Der Kahlschlag ist inzwischen die Norm, selbst Schutzgebiete werden missachtet
„Kambodscha ist wieder zum Aushängeschild für Landraub und Waldzerstörung geworden, trotz einiger positiver Schritte in der Vergangenheit“, sagt Marcus Hardtke, der seit mehr als zehn Jahren in Kambodscha lebt und arbeitet – als unabhängiger Berater von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen. Zum Beispiel für die Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz ARA in Bielefeld, die seit vielen Jahren die Bevölkerung in Prey Lang unterstützt.
„Die Forstreform zwischen 1999 und 2004 hat den großflächigen industriellen Holzeinschlag zunächst beendet. Neue Ansätze der Waldnutzung sind entstanden, wie etwa die Bewirtschaftung durch die Gemeinden. Doch leider hat die Holzmafia zusammen mit korrupten Elementen in den Behörden mittlerweile neue Wege gefunden.“
Offiziell sind laut Forstgesetz Landkonzessionen in Waldgebieten untersagt, also illegal. Deshalb bedienen sich die Beteiligten eines Tricks: Die Regierung vergibt offiziell Konzessionen für z.B. eine Kautschukplantage, die Firma rodet die Urwaldbäume, um den Acker zu bereiten. So kommt sie an das Land und das wertvolle Holz. „Die Vergabe von agro-industriellen Plantagen ist seit etwa 2010 außer Kontrolle geraten und stellt mittlerweile die größte Bedrohung für die Wälder des Landes dar. Insbesondere für die letzten Tieflandregenwälder.“
„Prey Lang” bedeutet „Unser Wald” – er versorgt 200.000 Ureinwohner
Prey Lang ist mit seinen sieben unterschiedlichen Ökosystemen und ihrer jeweils besonderen Fauna und Flora nicht nur für Zoologen und Botaniker von großem Wert. Dieses rund 3.600 Quadratkilometer große Waldgebiet zwischen dem Mekong und dem Stung Sen-Fluss breitet sich über vier Provinzen aus – und ist auch die Heimat von 200.000 Menschen. Die meisten von ihnen gehören zum indigenen Volk der Kuy. Ihre Dörfer umgeben den Prey-Lang-Wald, der sie mit allem versorgt, was sie zum Leben brauchen, einschließlich Trinkwasser.
„Dieser Wald ist unsere Einnahmequelle“, sagt Prum Lom aus dem Dorf Spong. „Wir überleben, weil es diesen Wald gibt, denn wir nutzen und verkaufen seine Produkte: Rattan, Honig, Baumharz, Früchte, Wild und Medizinpflanzen.“ Die großen Bäume, aus denen die Kuy das Harz zapfen, gehören zu den kostbarsten Gütern der Familien – ihre Nutzung wird von Generation zu Generation vererbt. Doch für Holzfäller und Geschäftemacher haben die harzhaltigen Urwaldriesen noch einen anderen, viel größeren Wert: Sie liefern die Edelhölzer für die westliche Welt – von Fensterrahmen bis zu Luxusmöbeln.
Ihre Arten sind in Kambodscha streng geschützt. Und dennoch rollt ein Holzlaster nach dem anderen ins Nachbarland Vietnam, wo Fabriken alles herstellen, was zahlungskräftige Verbraucher begehren. So dringen die Plantagen- und Bergbaugesellschaften immer weiter in die letzten Primärwälder vor. Nicht, ohne Militärs und korrupte Beamte zu „beteiligen“.
„Wir haben den Wald von unseren Kinderngeborgt. Für sie müssen wir ihn schützen“
„Zu viele Wälder sind bereits verschwunden“, sagt Vong Phan aus dem Dorf Stung Treng. „Wir können nicht noch einen verlieren. Vor allem keinen, der so wichtig ist wie Prey Lang.“ Die 56-jährige Großmutter spricht damit aus, was die meisten indigenen Gemeinden hier denken. Die Menschen wollten die brutale Vertreibung von ihrem Land und die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage und die ihrer Kinder nicht mehr hinnehmen – und so formte sich unter der Leitung des Naturschützers Chut Wutty die Umweltgruppe Natural Resource Protection Group (NRPG). Schnell breitete sich ihr Netzwerk in den Gemeinden aus. Um kriminelle Holzfäller zu stoppen, stellte Chut Wutty in den Dörfern Patrouillen zusammen. Immer wieder haben die Männer Motorsägen konfisziert, die häufig lokalen Beamten gehörten. Unermüdlich hat Chut Wutty Daten und Beweise gesammelt und die Verbrechen öffentlich gemacht. Am 26. April 2012 war der Aktivist mit zwei Journalistinnen in den Kardamom-Bergen unterwegs, um Holzfäller bei ihrer illegalen Arbeit zu fotografieren. Weil er sich weigerte, sein Filmmaterial herauszugeben, wurde er von einem Militärpolizisten erschossen. Umwelt-Aktivisten und auch Journalisten setzen ihr Leben aufs Spiel, wenn sie die Verwicklung von Regierung und Militär in die illegalen Holzgeschäfte recherchieren und publizieren.
Mit Demos und Petitionen hat das Prey-Lang-Netzwerk erreicht, dass die Regierung immerhin über einen Schutzstatus diskutiert. Wir wollen die Menschen darin unterstützen, dass Prey Lang konsequent geschützt wird. Bitte helfen Sie mit Ihrer Unterschrift. Wenn Sie Internet-Zugang haben, können Sie sich auch online beteiligen: www.regenwald.org.
WAS SIE TUN KÖNNEN
Die Umweltgruppe Natural Resource Protection Group (NRPG) unterstützt das Prey Lang-Netzwerk organisatorisch und materiell: Sie versorgt die Aktivisten für ihre Kontrollgänge mit Kameras, Mobiltelefonen, Funkgeräten und Hängematten. Sie dokumentiert die illegalen Rodungen, deckt die Hintermänner auf und vermittelt zwischen Behörden und Netzwerk-Aktivisten. Außerdem sollen zum Schutz die Harzbäume markiert und Info-Center aufgebaut werden, um die Bevölkerung über alles, was in Prey Lang geschieht, auf dem Laufenden zu halten. Dazu werden auch Demos und Medienkampagnen organisiert.Bitte unterstützen Sie die Bevölkerung mit einer Spende und Ihrer Unterschrift.