Regenwald Report 01/2013
Holzmafia im Visier von Interpol
Mit immer ausgefeilteren Methoden plündern kriminelle Holzfirmen die Naturressourcen der Erde – oft mithilfe von korrupten Funktionären und Regierungen. Interpol und die UNO haben in ihrer Studie „Green Carbon - Black Trade“ die Tricks und Wege der Umweltverbrecher aufgedeckt. Und Strategien entwickelt, um ihnen das Handwerk zu legen
„Wir lassen uns von den Drohungen der Holzfäller nicht einschüchtern“, sagt eine Penanfrau im Regenwald von Malaysia. „Wir brauchen den Wald zum Leben. Deshalb versperren wir den Bulldozern den Weg und beschützen unsere Bäume.“
Wer sich wie die Ureinwohner Borneos gegen die Holzkonzerne wehrt, braucht Mut. In den malaysischen Bundesstaaten Sabah und Sarawak kommt der Abholzungsbefehl sogar von höchster Stelle: Seit Jahren bereichern sich die autoritären Gouverneure Musa bin Aman und Taib Mahmud an der Rodung der Regenwälder und dem illegalen Holzhandel. Die Machthaber erteilen gesetzwidrige Holzeinschlags- und Exportgenehmigungen und kassieren dafür saftige Schmiergelder. Gegen den bin-Aman-Clan ermittelt bereits seit 2007 die malaysische Antikorruptionsbehörde. Das mafiöse Netzwerk aus Korruption und Geldwäsche Bin Amans reicht bis in die Schweiz. 70 Millionen Euro Schmiergeld sollen über Konten der UBS-Großbank gewaschen worden sein. Nach einer Anzeige der Umweltorganisation Bruno Manser Fonds hat die Schweizer Bundesanwaltschaft gegen die Bank ein Strafverfahren eröffnet.
Die Verbrecher sitzenimmer häufiger in edlen Büroetagen
Nicht nur in Südostasien, auch im Kongo- und Amazonasbecken kämpfen die Menschen gegen illegale Holzfäller. Nach Angaben der internationalen Polizeiorganisation Interpol, der UNO und der Weltbank gehen je nach Land bis zu 90 Prozent der Regenwaldrodung auf das Konto der weltweit agierenden Holzmafia.
Die internationalen Verbrecher-Netzwerke sind ähnlich wie die Drogenkartelle organisiert und verlagern ständig ihre Geschäftspraktiken. Mit immer ausgeklügelteren Methoden tricksen sie die Behörden aus. Interpol führt allein dreißig gängige Praktiken auf, mit denen die Verbrecher wertvolle Bäume fällen, die illegalen Hölzer in den Handel bringen und die Einnahmen reinwaschen.
Fälschung, Bestechung, Bedrohung und Gewalt gehören dabei zu den klassischen Vorgehensweisen der Holzräuber. Und immer mehr von ihnen arbeiten unbehelligt in den Bürotürmen der Städte. In Brasilien sind die Holzhändler über das Internet in die staatlichen Datenbanken eingebrochen. Per Computer haben sie massiv die Holzmengen, Holzeinschlags- und Transportgenehmigungen manipuliert. Ganze Wirtschaftszweige wie die Plantagenindustrie in Indonesien sind tief in den illegalen Holzeinschlag verstrickt. Die Konzessionen zur Anlage von Akazien-, Eukalyptus- oder Ölpalm-Plantagen in den Regenwäldern dienen oft nur dazu, um an das Holz der wertvollen Urwaldbäume zu kommen.
Bis zu 75 Milliarden Euro nimmt die Holzmafia weltweit ein – pro Jahr
Banken, Investmentfonds und Anleger aus aller Welt stecken jährlich Milliardensummen in Firmen, die in den illegalen Holzeinschlag involviert sind. Oder sie helfen, die Herkunft der Gelder zu verschleiern, und ermöglichen den Hehlern die Geldwäsche. Die Einnahmen dieses global organisierten Verbrechens liegen zwischen 25 und 75 Milliarden Euro jährlich, schätzt die Weltbank.
Mit Handelsabkommen und Gesetzen wollen Bundesregierung und Europäische Union zukünftig verhindern, dass illegale Hölzer weiterhin fast unbehelligt importiert werden und bei uns über die Ladentische gehen. Im März tritt die Holzhandelsverordnung der EU in Kraft, die Bundesregierung hat dazu das Holzhandels-Sicherungs-Gesetz geändert. Ob das ausreicht, ist zu bezweifeln. Denn ein großer Teil der Hölzer kommt nun über China zu uns, und zwar in Form von Fertigprodukten. Eine gerade veröffentlichte Studie der britischen Umweltorganisation EIA deckt auf, dass China in den letzten zehn Jahren zum weltgrößten Händler von illegal geschlagenem Holz aufgestiegen ist. Interpol und die UNO fordern von den Regierungen, systematisch und international abgestimmt gegen die illegalen Holzkartelle vorzugehen. Lesen Sie dazu auf Seite 14 unser Interview mit dem Norweger Christian Nellemann, Hauptautor der Interpol-Studie.
DIE WEGE DES ILLEGALEN HOLZHANDELS
Die Pfeile zeigen die Hauptströme: aus Brasilien, Afrika, Malaysia, Indonesien, Papua Neuguinea und Russland zu den größten Abnehmern: China, USA, EU (Quelle: GRID-Arendal)
„ES GIBT PRAKTISCH KEINE KONTROLLEN“
Interview mit Christian Nellemann, dem Hauptautor der Studie „Green Carbon – Black Trade” von Interpol und UNO. Nellemann ist Leiter einer Sondereinheit für Umweltfragen beim Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP):Herr Nellemann, gibt es Hoffnung, den Kampf gegen den Handel mit illegalen Hölzern zu gewinnen?
Es gibt sehr gute Möglichkeiten, illegalen Holzeinschlag zu bekämpfen. Im Gegensatz zu beispielsweise Drogen sind Holzstämme eine sehr große physische Masse, die durch zahlreiche Flaschenhälse geschleust werden muss: Straßen, Sägewerke, Häfen usw. An diesen Orten sind Kontrollen leicht möglich. In Brasilien gibt es enorme Fortschritte gegen den illegalen Holzeinschlag. Das Beispiel zeigt, dass wir im Kampf gegen illegalen Holzeinschlag vorankommen, wenn der Wille dazu besteht.
Leider verlagert sich nun der illegale Holzeinschlag auf die Nachbarländer im Amazonasbecken und sogar bis weit in den Süden in den Chaco nach Paraguay hinein. Und generell verlegt das organisierte Verbrechen weltweit seine Aktivitäten nicht nur in die Holzindustrie, sondern auch in den Landwirtschaftssektor, den Handel mit Wildtieren, die Fischerei und den Bergbau.
Ist die Arbeit nicht sehr schwierig, weil Politiker und so viele Regierungen verwickelt sind?
Es müssen in jedem Fall alle Länder mitziehen. Aber es gibt internationale Strukturen, auf die wir zurückgreifen können. An unserer Pressekonferenz haben hohe Polizeifunktionäre aus vielen Ländern teilgenommen. Anfang Oktober 2012 haben wir eine spezielle Umwelteingreiftruppe gegründet, die rasches Handeln ermöglichen soll.
Wie kommt es, dass es in Deutschland kaum Berichte in den Medien gab?
Es hat weltweite Berichterstattung über die Pressekonferenz und Veröffentlichung der Studie gegeben, auch in Deutschland sind Artikel erschienen. Wir erwarten allerdings auch keinen kurzzeitigen Presserummel, es handelt sich um eine langfristige und globale Perspektive, wir werden viele Jahre brauchen. Deshalb haben wir im Juni letzten Jahres das Projekt zur Einhaltung der Waldgesetze (LEAF-Projekt – Law Enforcement Assistance for Forests) gestartet. Es zielt darauf ab, den illegalen Holzeinschlag und das organisierte Verbrechen mit dem Holz zu bekämpfen.
Was können NGOs konkret tun?
NGOs spielen eine sehr wichtige Rolle. Sie sind weltweit tätig und meist direkt vor Ort. Sie weisen auf die Fälle von illegalem Holzeinschlag hin, liefern Informationen und schaffen öffentlichen Druck. Auf Basis dieser Informationen können wir tätig werden.
Was können wir von der Bundesregierung und EU fordern?
Wir brauchen eine viel stärkere Beteiligung am LEAF-Projekt, nicht nur von den Regierungen, auch von der EU und der UNO. Die Bundesregierung muss von der EU verlangen, sich in der LEAF-Initiative zu engagieren. Wir müssen die Gesetze in der Praxis durchsetzen, nicht nur auf dem Papier. Und wir müssen dem organisierten Verbrechen mit dem illegalen Holz die Geldhähne zudrehen. Investitionen in beteiligte Firmen müssen gestoppt, die Einnahmen aus dem Geschäft konfisziert und die Täter vor Gericht gestellt werden. Solange die Wahrscheinlichkeit für die Kriminellen sehr gering ist, für ihre Taten bestraft zu werden, lässt sich das Geschäft nicht wirklich beenden. Deshalb versuchen wir auch, die Methoden der Holzkartelle wie Geldwäsche, Steuerbetrug und Subventionsschwindel offenzulegen. Der daraus entstehende Schaden für die Volkswirtschaften ist enorm.
Kann ein Zöllner beispielsweise in einem deutschen Hafen überhaupt illegale Hölzer von legaler Ware unterscheiden? Zumal ein großer Teil des Holzes bereits als fertige Produkte wie Gartenmöbel geliefert wird.
Nein, es gibt praktisch keine Kontrollen, sie wären aber möglich. Zum Beispiel werden riesige Holzmengen als Plantagenware deklariert. Wenn man sich aber die Holzarten anschaut, dann stellt man schnell fest, dass die Hölzer aus Primärwäldern stammen müssen, weil es gar keine Plantagen mit diesen Holzarten gibt.
Die Studie als PDF: www.unep.org/pdf/RRAlogging_english_scr.pdf