Regenwald Report 03/2013
Palmöl – Treibstoff der Sklaverei
Das billige Pflanzenöl steckt in jedem zweiten Supermarktartikel und fließt als Biodiesel in unsere Autotanks. Für Ölpalmen fallen die letzten Tropenwaldbäume, Regenwaldbewohner werden gewaltsam vertrieben. Doch auch auf den Plantagen gelten Menschenrechte wenig. Konzerne halten dort Arbeiter wie Sklaven. Das berichten jetzt Reporter der US-Zeitschrift Bloomberg-Businessweek
Der Morgen nach der Feuernacht enthüllt ein Schreckensbild: Dichter Qualm wabert über verkohltes Land, auf dem noch vor wenigen Tagen ein Wald voller Leben wuchs. Die Flammen haben ganze Arbeit geleistet; Arbeit zugunsten eines Palmölkonzerns. „Jedes Jahr brennen unsere Wälder“, sagt Nordin, Gründer der Umweltorganisation Save our Borneo. Seit vielen Jahren kämpfen Nordin und seine Aktivisten gegen die Naturzerstörung in ihrer indonesischen Heimat. „Viele dieser Feuer werden gelegt, um Land für Ölpalmplantagen zu schaffen. Das ist in Indonesien verboten. Aber es ist der schnellste Weg, um den Regenwald zu vernichten.“
Im Juni schlugen sogar Indonesiens Nachbarn Singapur und Malaysia Alarm. Mehr als hundert Waldbrände auf Sumatra schickten giftigen Qualm übers Meer und bescherten ihnen die schlimmsten Luftverschmutzungen aller Zeiten. Allerdings: Die fünf größten Palmölkonzerne der Welt, die mit ihren riesigen Plantagen in Indonesien Milliarden verdienen, werden von Singapur bzw. Malaysia aus gelenkt.
Mit den Wäldern sterben auch die letzten
Orang-Utans und Sumatra-Tiger
Sumatra und Borneo sind die Zentren der Palmölproduktion, Indonesien ist Exportweltmeister, dicht gefolgt von Malaysia. Die global steigende Nachfrage nach diesem billigen Pflanzenöl facht die Abholzung weiter an. Unaufhörlich fressen sich die riesigen Monokulturen in die letzten zusammenhängenden Regenwälder Südostasiens hinein – grüne Wüsten, in denen Menschen, Tiere und Pflanzen keinen Raum zum Leben finden. „Wir sind dabei, das Symbol unseres Landes auszulöschen, den einzigen Menschenaffen Asiens“, sagt Nordin. Doch nicht nur Indonesiens Orang-Utans gehören zu den Letzten ihrer Art. Auch Zwergelefanten, Sumatra-Tiger und -Nashörner sind längst hoch gefährdet.
Kaum besser ergeht es den Ureinwohnern und Kleinbauern, die seit Generationen von und mit den Wäldern leben. Gewaltsam werden sie vom Land ihrer Ahnen vertrieben. Indonesiens Nationaler Menschenrechtskommission lagen 2011 5000 Fälle von Menschenrechtsverletzungen vor – ein Drittel geht auf das Konto der Palmölindustrie.
Doch es sind nicht allein die Vertreibungen, der Landraub, die Vergiftung von Böden und Gewässern in den Dörfern – auch auf den Plantagen selbst gelten Menschenrechte offenbar so gut wie nichts: Palmölfirmen halten Arbeiter dort wie Sklaven, wie ein Team von Journalisten für die US-Zeitschrift Bloomberg Businessweek kürzlich recherchierte.
Palmöl-Hotspots
Indonesien ist mit gut 50 % Marktanteil größter Produzent. Plantagen: 9,4 Mio. Hektar, die größten auf Sumatra und Borneo. Malaysia steht mit 40 % auf Platz 2. Sarawak und vor allem Sabah (beide Borneo) sind die neuen Anbauzentren.In Indonesiens Palmöl-Industrie
arbeiten 3,7 Mio. Menschen, viele sind Kinder
Der Artikel erzählt die Geschichte eines jungen Mannes aus Sumatra; die Reporter nennen ihn Adam. Mit 19 Jahren wurde Adam in die Zwangsarbeit verschleppt, eingesperrt, bedroht, geschlagen, er litt Hunger und Durst.
Sein Schicksal ist das von Tausenden Sklavenarbeitern, die für unsere Konsumgüter – vom Lippenstift über Schokocreme bis zu Biodiesel – auf indonesischen und malaysischen Ölpalmplantagen schuften. Viele von ihnen sind noch Kinder.
Adams Alptraum begann im Juli 2010 auf seiner kleinen Heimatinsel Nias vor Nordsumatra. Adam und sein Cousin willigten ein, als der Arbeitsvermittler Zendrato ihnen für umgerechnet sechs Dollar am Tag einen Job als Lkw-Fahrer bei einer Palmölfirma anbot – 3.200 Kilometer von Nias entfernt. Die Reise in die Provinz Ostkalimantan auf Borneo dauerte drei Wochen. Unterwegs rekrutierte Zendrato 18 weitere Arbeiter, manche waren erst 14 Jahre alt.
Schließlich landete die Gruppe auf einer Ölpalmplantage der Firma PT 198. Sie gehört zum malaysischen Konzern Kuala Lumpur Kepong (KLK), dem fünftgrößten Palmölproduzenten der Welt. Adam und die anderen Arbeiter erlebten dort die Hölle. Sie waren Gefangene – die Ausweise wurden ihnen abgenommen und sie wurden scharf bewacht. Niemand durfte die Plantage verlassen. Wer es doch versuchte, wurde vor den Augen der anderen geschlagen. Nachts schlossen die Aufseher sie in fensterlose Baracken ein.
Der Palmölboom
Palmöl ist das billigste Pflanzenöl auf dem Markt; heute wird weltweit fünfmal so viel verbraucht wie 1990: 54 Millionen Tonnen (2012). Die Hälfte aller Supermarkt-Artikel enthält Palmöl - es steckt in Nahrungs- und Waschmitteln, Kosmetik, aber auch in Heizkraftwerken und im Diesel. Als „Biosprit“ flossen im letzten Jahr europaweit 1,9 Millionen Tonnen Palmöl in unsere Dieseltanks, so schreiben es Bundesregierung und EU vor.Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft
Niedriglöhne, unfaire Arbeits- und Vertragsbedingungen und allzu oft sogar erzwungene Arbeit machen die Palmölproduktion konkurrenzlos billig. Die Palmölfirmen lagern ihr Personal an Leiharbeiter-Firmen oder Menschenhändler aus. Die Schuldknechtschaft zwingt die Arbeiter in sklavereiähnliche Abhängigkeit. So werden z. B. Arbeitern für Unterbringung und Verpflegung Kosten aufgebürdet, die ihren Lohn übersteigen. Oft erhalten sie während der Vertragsdauer überhaupt keinen Lohn.Kinderarbeit
82,4 % der Jungen und 64,8 % der Mädchen zwischen 10 und 14 Jahren arbeiten in Indonesien in der Landwirtschaft, so eine Studie der US-Arbeitsagentur. Kinder helfen der Familie oft auf den Plantagen, um das gesetzte Tagessoll zu erfüllen. In Malaysia schuften schätzungsweise 50.000 Kinder von indonesischen und philippinischen Einwanderern auf Sabahs Plantagen – ohne Papiere, Gesundheitsfürsorge und Aussicht auf Bildung, wie der Foto-Reporter Jason Motlagh berichtet.Verträge verpflichten die Betroffenen
zu 2 Jahren Zwangsarbeit ohne Lohn
Die Verpflegung bestand aus kleinen Portionen von getrocknetem Fisch und Reis, die oft von Ungeziefer befallen waren. Einmal im Monat brachte ein Lkw Frischwasser – es reichte für eine Woche. Dann mussten die Arbeiter das Wasser zum Trinken, Kochen und Waschen aus einem Graben schöpfen.
Die Arbeiter wurden gezwungen, einen Zweijahresvertrag zu unterschreiben. Lohn bekamen sie in dieser Zeit nicht, nur monatlich 16 Dollar „Kredit“ für Medikamente oder zusätzliche Lebensmittel. Die mussten sie völlig überteuert auf der Plantage kaufen. Anstatt Geld zu verdienen, häuften sie dadurch nur Schulden an.
Männer, Frauen und Kinder schufteten von morgens bis abends auf den frisch bepflanzten Plantagen – sieben Tage in der Woche. Vor allem Frauen mussten täglich mindestens 20 Fünfzig-Kilo-Säcke Dünger ausbringen. Männer versprühten jeden Tag das hochgiftige Herbizid Paraquat – ohne Schutzkleidung. Paraquat schädigt Nieren, Leber und Atemwege und kann Krebs und Parkinson auslösen. In 32 Ländern ist dieses Herbizid deshalb verboten.
Vergiftetes Land
Ohne ausreichenden Schutz versprühen Arbeiter auf indonesischen Plantagen das hochgiftige Herbizid Paraquat. Die Kanister sind oft undicht, verätzen Rücken und Hände (Foto links: CIFOR, Foto oben rechts: Benjamin Skinner)
Ende August 2010 gelang es Adam und seinem Cousin durch eine List, der Hölle von PT 198 zu entkommen.
KLK verfügt nach eigenen Angaben in Malaysia und Indonesien über rund 200.000 Hektar Ölpalmplantagen. Der Konzern ist Mitglied beim Label „Runder Tisch für Nachhaltiges Palmöl“ (RSPO), das ein Palmöl-Siegel an die Mitgliedsfirmen vergibt. Der Schweizer Industrievereinigung gehören auch die großen Chemie- und Nahrungsmittelkonzerne wie BASF, Unilever und Nestlé an, die unter anderem ihr Palmöl bei KLK einkaufen. Palmöl, das mit Zwangsarbeit und Naturzerstörung gewonnen wird. Für Umweltschützer und Menschenrechtler aus aller Welt ist das Label daher reines Greenwashing und Verbrauchertäuschung.
WERDEN SIE AKTIV
Die EU entscheidet demnächst über ihre Agrosprit-Politik. Machen Sie mit bei unserer Aktion auf Seite 14. Und protestieren Sie online gegen Sklavenarbeit:www.regenwald.org/aktion/921