Regenwald Report 01/2014
Liberia: Ein Land am Scheideweg
Liberia besitzt die größten intakten Regenwälder Westafrikas. Doch das ehemalige Bürgerkriegsland läuft Gefahr, seine Naturschätze für Tropenholz-Handel und Rohstoff-Förderung zu opfern
Liberia – Land der Freien: So hoffnungsvoll nannten ehemalige US-Sklaven ihren Staat, den sie 1847 in Westafrika gründeten. Doch der Traum wurde zerstört: Ein 14 Jahre währender Bürgerkrieg hat das kleine, wald- und rohstoffreiche Land ruiniert. Erst seit einem Jahrzehnt herrscht endlich Frieden. Ellen Johnson-Sirleaf wurde zur Präsidentin gewählt, 2011 erhielt sie den Friedensnobelpreis. Liberia schien auf einem guten Weg. Doch das bitterarme Land mit seinen knapp vier Millionen Einwohnern ist dabei, seine Zukunft zu verspielen: Internationale Konzerne erhalten Genehmigungen, Wald- und Bodenschätze auszubeuten.
Im größten Regenwaldgebiet Westafrikas stehen Ebenholz, Afrikanische Eiche und Khaya, recken sich Arbura-Bäume in den Himmel. 60 Prozent des Landes werden von üppigem Regenwald bedeckt – er ist laut Max-Planck-Institut die Heimat von rund 7.000 Schimpansen. Noch. Denn es ist zu befürchten, dass ein Großteil des Waldes verschwinden wird.
Im Boden Liberias schlummert so viel Eisenerz wie nur in wenigen anderen Regionen der Welt. Auch Lagerstätten von Mangan, Baryl, Kyanit sind beachtlich. Es gibt Gold und Diamanten.
Die großen globalen Rohstoffkonzerne haben längst begonnen, ihre Claims abzustecken; zu ihnen gehören AcelorMittal, BHP Billiton, Vale und Rio Tinto. Vor der Küste ist Chevron aktiv. Laut Auswärtigem Amt wurden bereits Konzessionen für 17 Milliarden US-Dollar vergeben, in einem Land, dessen Bruttoinlandsprodukt magere 1,3 Milliarden US-Dollar beträgt.
Die Regierung hat bereits Konzessionen für 17 Milliarden US-Dollar vergeben
Weil im tropischen Klima Ölpalmen vorzüglich gedeihen, wird auch in Plantagen investiert. Beispielsweise von Equatorial Palm Oil (EPO). Der Konzern hält bereits seit den 1960ern zwei Konzessionen für 89.000 Hektar Land, das er bisher nicht nutzte – jetzt will er seine Rechte zu Geld ummünzen. Als EPO sein Land abstecken ließ, gingen die Bewohner des Grand Bassa County auf die Barrikaden. Es kam zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Mike Collah, ein Wortführer der Dorfbewohner, klagte über „unmenschliche Behandlung“. Versprechungen, es würden Brunnen gegraben, Ärzte und Lehrer geschickt, seien gebrochen worden.
Der Vizepräsident des Senats, Gbehzohngar M. Findley, versuchte die Gemüter zu beruhigen. Er sprach von „Missverständnissen“. Bei der Neuvermessung des Landes werde die Bevölkerung beteiligt. Übergriffe durch Polizisten würden bestraft, Wasserverschmutzer müssten Brunnen bauen. Präsidentin Johnson-Sirleaf werde sich mit den Bewohnern treffen und „die Angelegenheit ein für allemal lösen“.
Eine Ursache für das rasante Tempo des Kahlschlags sind sogenannte Private Use Permits. Diese sollten ursprünglich kleinen Holzproduzenten zugutekommen und sind mit weniger Auflagen verbunden als andere Konzessionen. Stattdessen erschlichen sich große Firmen diese Genehmigungen – 40 Prozent von Liberias Wäldern sind nun durch Abholzungen bedroht.
Die Umweltschutzorganisation Global Witness beklagt, dass viele Landtitel gefälscht seien. Außerdem hätten viele Menschen, die seit Generationen auf ihrem Land lebten, nicht verstanden, wie wenig Geld sie von den Unternehmen bekommen würden. Sie hätten Verträge unterschrieben, wonach ihnen maximal drei Dollar für einen Kubikmeter Hartholz gezahlt werden. Auf dem Markt bringt das Holz 200 Dollar. Insbesondere Atlantic Forest soll von Private Use Permits profitiert haben. Die liberianische Firma wird dem malaysischen Konzern Samling zugerechnet.
Womöglich wurde in Liberia ein Bock zum Gärtner gemacht. Ausgerechnet der ehemalige Chef der staatlichen Forstverwaltung, Moses Wogbeh, wurde Ende Februar verhaftet, weil er 61 von 66 bislang erteilten Genehmigungen illegal vergeben haben soll. Zweieinhalb Millionen Hektar Land wurden demnach für die Abholzung freigegeben. Für Wogbeh und seine Komplizen soll das ein einträgliches Geschäft gewesen sein: Laut Nachrichtenagentur AP sollen sie bis zu 15 Millionen Dollar unterschlagen haben.
Besonderes Gewicht erhält der Skandal um Wogbeh, weil ausgerechnet er ein Moratorium umsetzen sollte, das Präsidentin Johnson-Sirleaf verhängt hatte, um den Missbrauch der Private Use Permits zu stoppen.