Regenwald Report 01/2022 · Erfolg Ecuador
Verfassungsgericht fordert Rechte der Natur ein
2008 hat Ecuador die Rechte der Natur in der Verfassung festgeschrieben. Doch die Regierung hat sich darüber mit neuen Ölförder- und Bergbaulizenzen mitten im Regenwald hinweg gesetzt. Nun hat sich das Verfassungsgericht des Landes damit befasst – und erste wegweisende Urteile gefällt.
Seit über 25 Jahren unterstützt Rettet den Regenwald die Bevölkerung in Ecuador gegen die Öl- und Bergbauindustrie. Unternehmen verseuchen und zerstören die Natur und verursachen schwere Konflikte mit den dort lebenden Menschen. Doch Klagen gegen die Vorhaben werden von den Behörden häufig abgewiesen oder ignoriert. Dabei sieht die 2008 in Kraft getretene Verfassung des südamerikanischen Landes vor, dass die Rechte der Natur geschützt und die Betroffenen konsultiert werden und zustimmen müssen.
Nun hat das höchste ecuadorianische Gericht ernst gemacht und zahlreiche Fälle ausgewählt, um auf nationaler Ebene eine klare Rechtsprechung und Präzedenzfälle bei Verfassungsverstößen zu schaffen. Mit ersten bahnbrechenden Urteilen fordert es die Rechte der Natur und der indigenen Völker ein, über die Zukunft ihrer Regenwaldgebiete selbst zu entscheiden.
Richter stoppen die Zerstörung
In seinem jüngsten Urteil verhalf das Verfassungsgericht Anfang Februar den indigenen Cofan zu ihrem Recht. Auf dem angestammten Territorium der Cofan im Amazonasgebiet hatte das Umweltministerium ohne ihre Beteiligung insgesamt 53 Konzessionen für den Goldabbau erteilt. Der Staat habe damit gegen das Recht auf vorherige Information und Beratung mit den indigenen Völkern verstoßen, so die Richter. Wenige Tage zuvor hatte das Verfassungsgericht bereits Teile eines umstrittenen Regierungserlasses annulliert, der das Vorrücken der Ölindustrie bis in die Kernzone des Yasuní-Nationalparks genehmigt hätte. Das über eine Million Hektar große Regenwald-Schutzgebiet ist für die Biodiversität von globaler Bedeutung. Außerdem soll es das Überleben der Tagaeri und Taromenane sichern. Sie sind die letzten unkontaktierten, in freiwilliger Isolation lebenden Menschen in Ecuador. Zu deren Schutz wurden weite Teile Yasunís zu einer „unberührbaren Zone“ erklärt. Auswertungen von Satellitenfotos belegen, dass die Pisten und Förderanlagen des staatlichen Ölkonzerns Petroecuador bereits tief in den Yasuní-Nationalpark vorgedrungen sind.
Die beiden Urteile sind von enormer Bedeutung, denn sie stärken massiv den Schutz der neun Millionen Hektar großen indigenen Territorien in den Urwäldern von Ecuador. Davon betroffen sind auch die Sápara, die Rettet den Regenwald aktuell zusammen mit der Organisation Acción Ecológica gegen den chinesischen Ölkonzern Andes Petroleum unterstützt. Der will auf dem Land der Sápara nach Öl bohren, obwohl die Mehrheit der Betroffenen dagegen ist. Mithilfe des Landwirtschaftsministeriums wurde versucht, die Einheit der Sápara zu spalten, deren Territorium aufzuteilen und an eine neu geschaffene Organisation zu übertragen. Dabei schreibt die Verfassung des Landes vor, das deren Land „unveräußerlich, unpfändbar und unteilbar” ist. Erst nach einer Klage der Sápara konnten die Versuche per Gerichtsurteil gestoppt und ein schwerer Konflikt vermieden werden.
Kein Bergbau in Los Cedros
Um die Bergregenwälder der Anden vor Kupferminen zu bewahren, unterstützt Rettet den Regenwald die Einwohner und lokale Umweltgruppen wie OMASNE. An unserer gemeinsamen Petition „Die Rechte der Natur sind wichtiger als Bergbau“ haben sich 2021 mehr als 116.000 Menschen beteiligt. Ende des Jahres hat das Verfassungsgericht auch hier ein wichtiges Urteil gesprochen. Es hat den Klagen von Umweltschützern gegen den geplanten Kupferabbau im Schutzgebiet Los Cedros recht gegeben. Die hatten dagegen schon erfolgreich vor lokalen Gerichten geklagt – mit Unterstützung der Gemeinde Cotacachi. Los Cedros beherbergt eine enorme biologische Vielfalt, darunter bedrohte Arten wie Brillenbär, Braunkopfaffe und viele Amphibien. Zahlreiche Arten kommen nur dort vor; sie sind endemisch.
Doch die Ministerien für Bergbau und Umwelt wollten die bisherigen Gerichtsurteile nicht anerkennen und haben sie in dritter Instanz angefochten. Nun hat das Verfassungsgericht dem Treiben ein Ende bereitet. „Das Ökosystem Los Cedros ist Träger des Rechts auf die Existenz von Tier- und Pflanzenarten sowie auf die Aufrechterhaltung ihrer Zyklen, ihrer Struktur, ihrer Funktionen und ihres Evolutionsprozesses“, urteilt das Gericht. Damit müssen alle erteilten Minengenehmigungen zurückgenommen werden.