Faktencheck: Palmöl von Nestlé nicht nachhaltig

Luftbild einer Rodung für Palmöl in Peru In den Regenwald von Ucayali (Peru) geschlagene Ölpalmplantage der Ocho Sur-Gruppe (© Rettet den Regenwald / Mathias Rittgerott)

2010 hat Nestlé versprochen, in zehn Jahren nur noch Palmöl ohne Abholzung zu verwenden. Das Ergebnis: Bis heute kann der Lebensmittelkonzern Regenwaldrodung für fast ein Drittel des Palmöls nicht ausschließen. 2019 registrierte Nestlé über 1.000 Fälle von Abholzung pro Tag. Entwicklungsorganisationen werfen Nestlés Palmöllieferanten auch Landkonflikte, Ausbeutung und Kinderarbeit vor.

29.09.2020

Der Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé verbraucht große Mengen Palmöl und steht deshalb seit vielen Jahren unter heftiger Kritik. 455.000 Tonnen Palmöl und Palmkernöl waren es allein im vergangenen Jahr.

Für den Anbau des tropischen Öls werden nicht nur Regenwälder mit all ihrer Artenvielfalt vernichtet und das Weltklima geschädigt, sondern auch Kleinbauern von ihrem Land vertrieben, Plantagenarbeiter ausgebeutet und zum Teil sogar Kinder eingesetzt.

2010 hat Nestlé schließlich reagiert und versprochen, innerhalb von zehn Jahren „100% von Abholzung freie Lieferketten” zu schaffen. Zehn Jahre später sind die nun von Nestlé veröffentlichten Zahlen (nachprüfen lassen sich die für das Jahr 2019 geltenden Angaben nicht) mehr als ernüchternd:

30% des Palmöls nicht frei von Abholzung

Nur 62% des Palmöls lassen sich bis zu den Plantagen zurückverfolgen, wobei Nestlé nicht angibt, um welche Ölpalmplantagen es sich handelt. 70 % unseres Palmöls stammen seit März 2020 aus verifiziert entwaldungsfreiem Anbau, so Nestlé. 30% des Palmöls (136.500 t) stammten dagegen aus Quellen, die nicht zurückverfolgbar oder noch nicht frei von Abholzung sind. 

Ein von Nestlé beauftragter Dienst zur Regenwaldüberwachung per Satellit habe vergangenes Jahr 388.047 Mal Alarm geschlagen, so der Konzern. Nestlé riefe die Palmöllieferanten dann an und frage sie, ob die Rodungen mit ihnen in Verbindung stünden, erklärt der Leiter für verantwortliche Beschaffung in einem Firmenvideo.

Über 1.000 Alarmmeldungen pro Tag

Angesichts von durchschnittlich über 1.000 Alarmen pro Tag ist letzteres schwer zu glauben. 473.000 Hektar Regenwald wurden dabei insgesamt abgeholzt, wobei Flächen im Umkreis von 50 Kilometern Entfernung um die Palmölmühlen herum erfasst wurden.

30% bis 40% der Abholzungsfälle sollen sich zwischen den Palmölplantagen ereignen, die mit den Lieferanten von Nestlé in Verbindung stehen, erklärt einer der beauftragten Consultants. Umgerechnet bedeutet das die Vernichtung von 142.000 bis 189.000 Hektar Regenwald pro Jahr – das entspricht etwa der doppelten Fläche von Berlin.

24.000 Hektar Regenwaldrodung innerhalb der Konzessionen

Innerhalb der Ölpalmkonzessionen beziffert Nestlé die Rodungen auf „lediglich 5% der abgeholzten Waldfläche“, was umgerechnet immer noch fast 24.000 Hektar (2019) sind. Da Nestlé allerdings in seiner Lieferkette noch nicht alle der Konzessionsgrenzen erfasst habe, könne die genaue Fläche nicht bestätigt werden, räumt das Unternehmen ein.

1.735 Palmöllieferanten aus 24 Ländern

Wer hinter den Rodungen steckt, gibt Nestlé nicht an. Die von Nestlé veröffentlichte Liste der Lieferanten und Palmölmühlen (Stand April 2020) ist extrem lang – es sind insgesamt 1.735 Betriebe in 24 Ländern rund um den Äquator. Lediglich acht Firmen hätte Nestlé im vergangenen Jahr suspendiert.

Von welchen Ölpalmplantagen Nestlé den Rohstoff bezieht, gibt der Konzern nicht bekannt. Es dürften in jedem Fall Zehntausende Monokulturen sein. Der Kauf so großer Palmölmengen durch Nestlé schafft zweifelsohne enorme Anreize, neue Ölpalmplantagen anzulegen.

Der Großteil der von Nestlé aufgeführten Palmölmühlen liegt in Indonesien und Malaysia, die zusammen etwa 90% der weltweiten Palmölproduktion auf sich vereinen. Die Mehrheit der Betriebe gehört globalen Agrarmultis wie ADM, Bunge, Cargill, Olam und Wilmar, denen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen immer wieder Regenwaldrodung, Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung vorwerfen:

In Peru kauft Nestlé u.a. Palmöl von der Ölmühle OLPESA, die nach Recherchen von Umweltjournalisten Palmöl von der Plantagenfirma Ocho Sur bezieht, die mindestens 12.000 Hektar Amazonasregenwald und das angestammte Land der indigenen Shipibo des Dorfes Santa Clara de Ushunya abgeholzt hat.

Gegen die Ocho Sur-Gruppe (vormals Plantaciones de Pucallpa SAC und Plantaciones de Ucayali SAC) laufen in Peru mehrere Ermittlungs- und Gerichtsverfahren bis hin zum Verfassungsgericht. Der staatliche norwegische Pensionsfonds Norges Bank Investment Management (NBIM) hat wegen der Vorwürfe seine Beteiligungen an dem größten peruanischen Lebensmittelkonzern ALICORP verkauft, der ebenfalls bei OLPESA Palmöl kaufte.

In Honduras kauft Nestlé Palmöl von der Firma Exportadora del Atlantico des Dinant-Konzerns. Rund um die aufgeführte Palmölmühle im Aguan-Tal am Atlantik wurden in den vergangenen Jahren nach Angaben von Bauern- und Menschenrechtsorganisationen 140 Einwohner im Rahmen eines gewaltsamen Landkonflikts ermordet.

Mindestens 40 Morde sollen in Verbindung mit Dinant stehen. 2019 konnten die Behörden einen flüchtigen ehemaligen Wachmann des Dinant-Konzerns festnehmen und in Untersuchungshaft nehmen, dem der Mord an drei Kleinbauern vorgeworfen wird.

In Malaysia kauft Nestlé Palmöl von Ölmühlen im Bundesstaat Sabah, informiert die NGO Solidar Suisse in ihrem Palmölbericht 2019  über Kinder- und Zwangsarbeit in Malaysia. Die Spur des billigen Palmöls führt in die Schweiz.

Die NGO berichtet von rücksichtsloser Ausbeutung und Zwangsarbeit auf den Ölpalmplantagen. Bei einem großen Teil der Plantagenarbeiter - etwa 840 000 Menschen – handelt es sich um Einwanderer aus Indonesien ohne legalen Status. Dazu gehören geschätzte 50.000 bis 200.000 Kinder. Aufgrund der prekären Situation ihrer Eltern sei Kinderarbeit auf den Plantagen, die die Ölmühlen beliefern, sehr verbreitet.

In Indonesien kauft Nestlé über den Konzern Golden Agri Resources Palmöl von PT Dua Perkasa Lestari, wie die Rechtshilfeorganisation LBH und die Umweltorganisation Walhi herausgefunden haben. Die NGOs berichten von einem Jahrzehnte langen Konflikt der Plantagenfirma mit Einwohnern der Provinz Aceh (auf Sumatra). Sie haben Landraub, Zerstörung von Feldern und systematische Bedrohung und Vertreibungen dokumentiert. Den Messungen von Walhi zufolge liegt die Plantage auf tiefem Torfboden, womit sie Umweltgesetze verletzt. Auch soll die Firma nicht über alle notwendigen Genehmigungen verfügen und damit wohlmöglich unrechtmässig agieren.

Weitere Plantagen, die wie die von PT Dua Perkasa Lestari im Leuser-Ökosystem liegen, stehen seit Jahren in der Kritik, da ihr Palmöl über die Ölmühlen von Wilmar weltweit vertrieben wird. Laut einer Untersuchung von Rainforest Action Network lieferte Wilmar 2017 das Palmöl aus dem Schutzgebiet auch an Nestlé. Nestlé ist damit mitverantwortlich für die massive Entwaldung des Habitats der bedrohten Großsäuger Sumatra-Orang-Utan, -Tiger, -Elefant und -Nashorn.

Fazit

Nestlé hat sich selbst zehn Jahre Zeit gegeben, das verwendete Palmöl umweltfreundlich und sozialverträglich zu machen. Gelungen ist das Nestlé bis heute nicht - trotz des sehr langen Zeitraums. Während die Kunden mit PR-Versprechen hingehalten wurden, hat der Schweizer Konzern weiterhin gute Geschäfte mit dem billigen tropischen Pflanzenöl gemacht. Die Kosten dafür zahlen die Menschen und Natur in den Tropenländern.

Deshalb empfiehlt Rettet den Regenwald, keine Produkte zu kaufen, die Palmöl enthalten.


  1. 40 Morde sollen in Verbindung mit DinantUncalculated Risks - Threats and attacks against human rights defenders and the role of development financiers, Seite 38-41: https://www.traffickingmatters.com/wp-content/uploads/2020/02/Uncalculated-Risks-Full-report-cmpr-h-1.pdf

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