Regenwald Report 03/2022 · Schwerpunktthema Bergbau: Indonesien
„Wir lebten bescheiden – bis der Bergbau kam“
Auf der indonesischen Insel Sulawesi zerstört Nickelabbau immer mehr Wälder und Schutzgebiete. Die globale Nachfrage des Metalls für E-Autos und Batterien hat verheerende Folgen für Menschen und Natur. Widerstand wird brutal niedergeschlagen.
Fünf Tage dauerten die Proteste gegen die Nickel-Mine im Süden der Insel Sulawesi. Sicherheitskräfte prügelten auf die Demonstranten ein. Ein Bus durchbrach rücksichtslos ihre Linien. Am 10. Mai 2022 rückte die Polizei an und verhaftete Hamrullah, Renaldy und Nimrod.
Die drei Indigenen aus der Gemeinde Sorowako sitzen seither im Gefängnis, weil sie von einem Bergbau-Konzern Selbstverständliches gefordert haben: verbesserte Lebensverhältnisse statt Zerstörung ihrer Umwelt, sauberes Trinkwasser statt verseuchter Flüsse und die Respektierung ihrer Grundrechte.
Die Mine des Konzerns PT Vale Indonesia liegt auf dem angestammten Land der Indigenen im Verbeek-Gebirge, in ihrem Wald, auf ihren Feldern. „Für die Vale-Mine, die größte Nickel-Mine Indonesiens, wurde innerhalb weniger Jahre sehr viel Wald abgeholzt“, erklärt Amien von der Umweltorganisation WALHI. „Dabei sind die Bauern und Fischer nicht nur ökonomisch vom Wald abhängig. Der Wald spendet Wasser und schützt vor Erdrutschen und Überschwemmungen!“
Der Protest von Sorowako ist kein Einzelfall. An vielen Orten auf Sulawesi erheben sich Stimmen gegen die Vernichtung der Natur und der Lebensgrundlagen der Menschen. In rasantem Tempo werden Wälder kahl geschlagen und Gewässer verseucht – für Nickel. Die Menschen verlieren ihre Felder und Fanggründe. Sie sind niemals gefragt worden.
„Die Dorfgemeinschaften haben begonnen, Widerstand zu leisten“, sagt Amiens WALHI-Kollege Asmar aus Zentral-Sulawesi. „Aber ihre Rechte werden mit Füßen getreten. Polizei und Konzerne reagieren mit brutaler Gewalt. Immer wieder werden Menschen verhaftet, weil sie gegen die Zerstörung der Umwelt protestieren!“ WALHI und andere Partner von Rettet den Regenwald auf Sulawesi schlagen schon lange Alarm. Dutzende Bergbaufirmen fördern dort inzwischen Nickel und Kobalt und dringen immer weiter in Wälder und Schutzgebiete vor. Der global steigende Bedarf an Nickel hat verheerende Folgen für die Natur.
Die Energiewende zerstört Regenwald
Seit hundert Jahren wird auf Sulawesi Nickelerz in kleinen Mengen abgebaut und unverarbeitet exportiert. Mit der Machtübernahme durch Suharto begann ein neues Zeitalter der Ausbeu-tung. 1968 startete der groß angelegte Nickel-Abbau, als sich der kanadische Konzern INCO (International Nickel Company) die Konzession für Sulawesi sicherte. INCO ist inzwischen im brasilianischen Unternehmen Vale aufgegangen, dem zweitgrößten Nickel-Bergbaukonzern der Welt. PT Vale Indonesia betreibt mehrere Minen auf Sulawesi. Der Vertrag mit der indonesischen Regierung ist bis 2025 gültig. Das Nickelerz wird in eigenen Anlagen geschmolzen und verarbeitet; die gesamte Produktion wird laut Vale nach Japan exportiert.
Maleo – einzigartig und bedroht
„Treu wie ein Maleo“ sagen die Einwohner Sulawesis. Tatsächlich haben Maleos lebenslang nur einen Partner. Um den Nachwuchs kümmern sich die Hammerhühner nicht. Zur Ablage eines Eies – fünfmal so groß wie ein Hühnerei – buddelt das Weibchen am Strand ein Loch in den Sand. Mit dem hammerähnlichen Höcker auf dem Kopf misst es die Bodentemperatur. Der warme Sandboden brütet das Ei aus.
Die Vögel leben im Regenwald und können besser laufen als fliegen. Bei diesem ungewöhnlichen Huhn sehen Männchen und Weibchen ähnlich aus. Einen halben Meter groß, schwarz mit heller Brust und kräftigen Füßen, kommt es nur auf Sulawesi vor. Jagd und Abholzung des Regenwaldes für den Abbau von Nickel, Gold und Sand haben den Lebensraum des Maleo stark dezimiert. Auf der CITES-Liste der bedrohten Arten wird das Hammerhuhn als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft.
In Indonesien liegen die weltgrößten Vorkommen von Nickelerz. Nach offiziellen Daten verfügt das südostasiatische Land über ein Viertel der globalen Reserven, vor allem auf Sulawesi und den Nord-Molukken. Auf den Ruf nach einer Energiewende hat Indonesien mit ehrgeizigen Plänen reagiert. Nickel ist nicht nur Bestandteil von Stahl, sondern auch von Batterien für E-Autos. Seit 2020 gilt ein Exportverbot für unverarbeitetes Nickelerz. Die Weiterverarbeitung und damit die Wertschöpfung soll im Land bleiben. Indonesien will die gesamte Auto-Industrie mit Nickelstahl und Nickelbatterien bedienen und fördert deshalb Minen, Hochöfen, Schmelzen, Häfen und Infra-struktur. Die erforderliche Elektrizität liefern Kohlekraftwerke.
Inzwischen sind auf der gesamten Insel Sulawesi 279 Genehmigungen für Nickel-Minen auf 690.442 Hektar Land erteilt, zumeist in Wäldern und sogar im Schutzwald. Die Folgen: Abholzung, Umweltzerstörung, Verletzung der Menschenrechte, Landraub und zunehmende Verarmung. „Mit anderen Worten“, sagt Amien von WALHI, „die Energiewende führt auf Sulawesi zu einer schweren sozialen Katastrophe!“
Riesige Fabriken bedrohen ein Schutzgebiet
In Pongian, Zentral-Sulawesi, fließt eine rote Schlammbrühe mitten durch das Dorf. „Das kommt von der Nickel-Mine flussaufwärts“, sagt der Anwohner Asro. „Der Fluss ist die Quelle unseres Lebens. Wir trinken sein Wasser und tränken damit unser Vieh. Doch seit es die Mine gibt, ist das Flusswasser verschlammt, verseucht und unbrauchbar. Leid, Angst und Not bestimmen heute unser Dasein. Das Dorf kämpft gegen die Mine, um unsere Umwelt zu retten!“
Weiter nördlich liegt das Naturschutzgebiet Morowali, bekannt für seine vielfältigen Ökosysteme. Mangrovenwälder bilden den Übergang von Land und Meer. Tieflandregenwald geht allmählich in Bergwald über, der noch viel von seiner Ursprünglichkeit bewahrt hat. In Höhenlagen über 1600 Meter wächst Nebelwald. Anoa, das kleinste Rind der Erde, winzige Fledermäuse, das Hammerhuhn Maleo und viele andere Arten, die es nur im Inselreich von Sulawesi gibt, finden in diesem großen Schutzgebiet ihr Zuhause.
Von oben ist mitten in diesem Naturparadies ein riesiger Industriekomplex zu sehen. „Das ist IMIP, Indonesia Morowali Industrial Park“, erklärt Bergbau-Experte Andika, ein früherer Aktivist unserer Partner-Organisation JATAM. Andika hat Rettet den Regenwald schon 2017 auf die beginnende Zerstörung von Morowali aufmerksam gemacht. IMIP ist eine von drei Sonder-Industriezonen für die Weiterverarbeitung von Nickel – und der Beweis dafür, wie rasant und rücksichtslos die Entwicklung in Indonesien vorangeht. Zahlreiche Hütten zur Raffinierung von Nickelerz sind in Betrieb, weitere in Bau oder Planung. Laut Sri Bimo Pratomo vom Industrieministerium liegen 14 der insgesamt 19 Nickelschmelzen des Landes auf Sulawesi – neun davon im IMIP-Komplex. Dabei nahm die erste Nickelschmelze erst 2017 den Betrieb auf.
Verseuchte Flüsse, zerstörte Felder
Schon bei Baubeginn zeigten sich Folgen wie Abholzung der Wälder und Vertreibung der Bewohner. Und nur wenige Monate nach der Eröffnung der ersten Schmelze durch Präsident Joko Widodo kam es zu Erdrutschen und Überschwemmungen. Die meterdicken Schlammlawinen des ins Meer geleiteten Abraums vernichten die Unterwasserfauna. Fischfang ist nicht mehr möglich.
„Bahodopi war vor Kurzem noch ein Dorf mit wenigen Einwohnern, Welten entfernt von Industrie und globalem Geschehen“, sagt Andika, der hier geboren und aufgewachsen ist. „Bevor Nickel abgebaut wurde, waren die Menschen Kleinbauern und Fischer; dazu verkauften sie ihre Cashew-Nüsse. Das Leben war einfach und bescheiden.“ Heute werden die Bahodoper „Stahlmenschen“ genannt. Morowali produziert keine Cashew-Nüsse mehr, sondern Nickelstahl. Schornsteine ragen in den Himmel. In der schattigen Tolo-Bucht ankern große Frachter. „Bahodopi ist überschwemmt von Industriearbeitern aus China“, sagt Andika.
Abbau und Weiterverarbeitung von Nickel ist inzwischen in chinesischer Hand. Präsident Joko Widodo will Indonesien zum weltgrößten Produzenten von Nickelstahl und Batterien für Elektrofahrzeuge machen. Für dieses Ziel wurde ein Kooperationsabkommen mit China zum Bau der IMIP-Anlagen in Morowali geschlossen. Sonder-Industriezonen bedeuten Wirtschaftswachstum, aber auch eingeschränkte Rechte der Arbeitenden und Einwohner. Proteste wie gegen die Vale-Mine sind bei IMIP undenkbar.
Andernorts aber geht der Widerstand weiter. Auffallend viele Frauen sind dabei. „Wir spüren die Folgen des Bergbaus im Alltag am stärksten“, sagt Halifa aus Sorowako. „Wir können das Flusswasser nicht mehr zum Trinken, Kochen und Waschen nutzen!“
Halifa, 26 Jahre alt und Mutter von vier Kindern, ist die Frau eines der drei Gefangenen von den März-Protesten gegen die Vale-Mine. Sie erklärt, dass die Solidarität der Frauen wächst. „Wir sind hoch motiviert und verstehen uns als Regenwald-Retterinnen. Und wir haben das Recht, Nein zu sagen. Nein zur Zerstörung unserer Lebenswelt!“
Aktiv werden! Helfen Sie mit
Unter dem massiven Ansturm auf Rohstoffe leiden Menschen und Natur in vielen Weltregionen. Auf Sulawesi unterstützen wir mit der Aliansi Sulawesi die Ausbildung indigener Frauen zu Waldschützer-innen und den Widerstand gegen den zerstörerischen Abbau von Nickel. Unser langjähriger Partner Jatam bringt korrupte Politiker und Unternehmen vor Gericht.
Auch in Lateinamerika und Afrika können Sie die Menschen, die sich mit Mut und Verzweiflung gegen die aggressive Bergbauindustrie wehren, gezielt unterstützen.
Spenden Sie über das Formular auf der Heft-Rückseite oder online:
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