Regenwald Report 02/2023 · Indigene Völker
Die Regenwaldmenschen
Schon vor 65.000 Jahren wanderten die ersten modernen Menschen nach Südostasien. Bis heute hüten die indigenen Völker mit ihrem Wissen und ihrer Kultur den wertvollsten Schatz der Natur unserer Erde.
Im Regenwald in den Bergen von Borneo ertönen die schwebenden Klänge eines Bronzegongs. Im Langhaus reihen sich Körbe mit Wildreis, Fisch, Gemüse und Gewürzen. Wie jedes Jahr feiern die Dayak Tomun ihr Festival, ein buntes Treiben mit Brauchtum, Handwerkskunst und sportlichen Wettkämpfen. „Mit dem Fest wollen wir die Kenntnisse unserer Vorfahren am Leben erhalten und unsere Kultur und den Zusammenhalt unserer Gemeinschaft festigen“, sagt Effendi Buhing, der Älteste der Dayak Tomun aus Kinipan. „Indigene Kultur und unser intakter Wald sind eine Einheit!“
Doch diese Einheit ist in Gefahr. Die Kultur, das Wissen und die Lebensweise der indigenen Gemeinschaften Südostasiens sind mit dem Schwinden des Regenwaldes bedroht. Ölpalmplantagen und Minen dringen immer weiter in entfernte Regionen vor und zerstören die Wälder.
Sie sind tief überzeugt, ein Teil der Natur zu sein
Regenwälder sind Heimat einer Vielfalt von Pflanzen, Tieren – und Menschen, die wir Indigene nennen. Allein in Südostasien leben 100, vielleicht sogar 200 Millionen Indigene, mehr als in anderen Weltregionen. Beispiele sind die Dayak-Völker auf Borneo, die Batak auf der Philippinen-Insel Palawan oder Hunderte von Papua-Ethnien auf Neuguinea. Es ist unmöglich, genaue Zahlen anzugeben, denn die elf Staaten Südostasiens haben keine einheitliche Bezeichnung für den internationalen Begriff Indigene. Sie nennen sie Ureinwohner, Gemeinschaften traditionellen Rechts, Bergvölker oder sogar rückständige Völker. Das erklärt die missliche rechtliche Lage der Indigenen.
„Wir verstehen uns als Gemeinschaft kollektiven Rechts“, erklärt die Organisation Asia Indigenous Peoples Pact. Laut der Deklaration über indigene Völker haben sie das Recht auf Selbstbestimmung, auf Land und seine Ressourcen sowie auf freie Entscheidung bei Projekten auf ihrem Land. Dieses kollektive Recht aber, obwohl es in den letzten Jahrzehnten völkerrechtlichen Status gewonnen hat, wird ihnen oft verwehrt, wenn etwa Bergbau oder Plantagen in ihr Gebiet eindringen. Dabei spielen die Indigenen mit ihrem Wissen und ihrer tiefen Überzeugung, Teil der Natur zu sein, seit Urzeiten eine herausragende Rolle für den Regenwald und seine Biodiversität.
Uralte Höhlenmalerei zeugt von der frühen Besiedlung
45.000 Jahre alt sind die Bilder, die in einer Höhle auf der indonesischen Insel Sulawesi entdeckt wurden. Sie sind die ältesten vom modernen Menschen geschaffenen künstlerischen Darstellungen. Das lässt den Schluss zu, dass der homo sapiens sapiens Südostasien früher besiedelt hat als Europa. Einige der indigenen Gemeinschaften können ihre Wurzeln sogar bis zu den ersten frühen Menschen zurückverfolgen, die vor etwa 65.000 Jahren in Südostasien und Australien ankamen.
„Wir sind die Nachfahren der Menschen, die diese Region zuerst besiedelt haben“, sagen die Dayak Tomun auf Borneo. Aus diesem Wissen resultiert ihr Selbstverständnis als indigene und juristische Gemeinschaft. Und so sehr sich die vielen indigenen Kulturen unterscheiden, so haben sie doch gemeinsame Merkmale; etwa ihre soziale Struktur und ihr nachhaltiger Umgang mit der Natur.
Ihre Rechtssysteme, die auf Erfahrung und Respekt beruhen, ordnen das Leben in der Gemeinschaft und mit dem Regenwald. Sie kennen Waldzonen, die zu betreten untersagt ist. Sie legen fest, wo Fischerei, Jagd und die Nutzung von Pflanzen erlaubt sind – und wo all das verboten ist.
Die indigenen Völker bewahren die Vielfalt menschlicher Kulturen. Und sie hüten den größten Schatz der Natur, den es auf unserer Erde gibt. Wir können von ihnen lernen, wie es gelingt, den Regenwald so zu nutzen und zu schützen, dass er für kommende Generationen erhalten bleibt.