Regenwald Report 02/2023 · Biodiversität
Die Vielfalt der Natur
Die Inselwelten Indonesiens und der Philippinen haben ganz unterschiedliche Tier- und Pflanzenarten hervorgebracht, ebenso die Mekong-Region auf dem südostasiatischen Festland. Oft sind es Arten, die nur an diesem einen Ort der Erde heimisch sind.
Indonesien: Archipel des Lebens
„Wir glauben, dass die Tiger und wir Menschen von denselben Vorfahren abstammen“, sagt Bestari Raden, ein Umweltschützer von der Insel Sumatra. „Die Indigenen nennen den Tiger sogar Großvater. In der Dämmerung bewacht er die Gräber unserer Ahnen.“
Viele Mythen ranken sich um die große Raubkatze. Sie thematisieren das Verhältnis zwischen Mensch und Wildtier – ein Verhältnis, das inzwischen massiv gestört ist. Heute ist der Tiger ein Symbol für die fortschreitende Vernichtung seiner Umwelt in Südostasien, dem drittgrößten Regenwaldgebiet der Erde.
Wo Indischer und Pazifischer Ozean zusammenstoßen, bilden große, kleine und winzige Inseln ein buntes Mosaik aus Wäldern, Buchten, Vulkanen und bizarren Felsformationen, aus dem Grün der Reisterrassen, dem Betongrau der Megastädte und dem tiefen Meeresblau. Und am Meeresboden trennt ein tiefer Riss die asiatische und australische Fauna. Dieser Einschnitt ist eine Schlüsselregion für die Biodiversität.
Die Inselwelt birgt einen unermesslichen Reichtum an Lebewesen, im Wasser und an Land. Auch der Tiger war überall im westlichen asiatischen Teil beheimatet, bis die Natur zum Objekt menschlicher Gier wurde. Es begann die Jagd auf Felle und auf Land für Palmöl, Papier und Bergbau. Vor 90 Jahren wurde der letzte Bali-Tiger erschossen. Der Sumatra-Tiger ist stark gefährdet. In Thailand und Malaysia gibt es nur noch wenige hundert Exemplare. In Singapur, einst reich an Tigern, waren sie um 1930 ausgerottet.
Die Orang-Utans teilen ihr Schicksal mit den Tigern. Diese Parade-Primaten leben nur noch auf Borneo und Sumatra. Die beiden Inseln waren in der Erdgeschichte zeitweise mit dem Festland, Java und Bali verbunden. Nach der Trennung entwickelten sich eigene Arten auf Borneo und Sumatra. Die ulkigen Nasenaffen gibt es nur auf Borneo. Ähnlich wie die Orang-Utans haben sich Tiger, Vögel, Schmetterlinge und viele andere Arten von gemeinsamen Vorfahren getrennt entwickelt.
Schon der englische Naturforscher Alfred Russel Wallace hat Mitte des 19. Jahrhunderts auf einer achtjährigen Forschungsreise durch den Archipel erkannt, dass die Evolution in der Isolation überall eigene Wege geht. Jede Insel hat ihre besondere Geschichte und ihren besonderen Charakter im Mosaik der Biodiversität.
Erst 2022 haben Wissenschaftler auf abgelegenen Inseln im Osten Indonesiens mehrere Arten von Nektarvögeln bestimmt, darunter den Wakatobi-Nektarvogel mit seiner leuchtend blaugelben Brust. Vergleichbar mit den Darwin-Finken von Galapagos hat die Evolution auf den isolierten Inselchen hundert- und tausendfach endemische Arten hervorgebracht. Auch in der Flora: Auf Borneo gedeihen Pflanzen, die kaum ein Biologe kennt. Einheimische Dayak wissen von Heilpflanzen, für die es bis heute keinen wissenschaftlichen Namen gibt.
Eierlegende Säugetiere und andere Kapriolen der Evolution
Ihre prächtigen Federn waren in der Modewelt lange Zeit begehrt: Die Paradiesvögel kommen nur auf Neuguinea und benachbarten Inseln vor. Dort leben auch Beuteltiere wie Baumkängurus, eierlegende Säugetiere, Warane oder die flugunfährigen Kasuare, die an Australien erinnern: Einst waren die Aru-Inseln und Neuguinea mit dem australischen Kontinent verbunden. Manche Art ist nur in einem begrenzten Ökosystem, einem isolierten Gebiet oder auf einer einzigen einsamen Insel endemisch – ein Zeichen, dass sich Arten in erdgeschichtlich kurzer Zeit verändern können. Die Inselwelten Indonesiens sind in ihrer Artenvielfalt einzigartig – und brauchen unseren Schutz.
Komodowarane: Die letzten Drachen der Erde
Sie sind die größten Echsen unserer Zeit – bis zu drei Meter lang und 80 Kilo schwer. Und auch wenn ein Komododrache kein Feuer speit – mit seinem Speichel kann er einen Wasserbüffel töten. Seit etwa fünf Millionen Jahren bewohnen diese einzigartigen Reptilien unseren Planeten – doch jetzt hängt ihr Überleben am seidenen Faden.
Die letzten ihrer Art bewohnen nur noch die fünf Inseln des Komodo-Nationalparks im Osten des indonesischen Archipels. Doch durch Siedlungen, Landwirtschaft und große Tourismusprojekte schrumpft ihr Lebensraum bedrohlich. Wir müssen alles tun, damit die letzten 3022 Drachen nicht von der Erde verschwinden.
Palawan – Schatzinsel der Philippinen
Wie eine Kreissäge sirrt der Ruf des Hornvogels durch das Dickicht der Mangroven. Rustico Mauricio kennt dieses Geräusch – der große Vogel mit dem markanten Höckerschnabel ist in den Baumwipfeln auf Nahrungssuche. Wer weiß, wie lange noch. Denn er ist gefährdet – wie viele Tier- und Pflanzenarten seiner Heimat.
Die Inselgruppe Palawan im Westen des Philippinen-Archipels ist mit ihrer vielfältigen Natur seit 1990 UNESCO-Biosphären-Reservat. Sie beherbergt zahlreiche Tierarten, die nirgends sonst auf der Erde vorkommen. Wie der Palawan-Hornvogel, der Pfaufasan und örtliche Varianten der Spitzhörnchen, Schuppentiere, Flughunde oder Marderbären. Und weit mehr als 1.500 Blütenpflanzen.
Doch dieser Reichtum ist seit Jahren in Gefahr. Bergbau, Monokulturen aus Öl- und Kokospalmen zerstören die artenreichen Regenwälder und die Lebensräume der Menschen.
Rustico Mauricio gehört zu den indigenen Batak. Seine Vorfahren sollen vor Tausenden Jahren die Bergwälder im Herzen von Palawan besiedelt haben. „Heute gehören zu unserem Volk gerade noch 300 Menschen. Aber das Wissen um die Natur und wie wir sie nutzen, haben wir uns bewahrt.“ Bis heute ist es den Batak gelungen, ihren Regenwald zu schützen – angesichts der überall fortschreitenden Vernichtung der Regenwälder ist dies ein großer Erfolg. Unser Verein unterstützt die Menschen auf Palawan seit mehr als zehn Jahren.
Der Mekong – Füllhorn der Arten
Eine Blaukopf-Schönechse, eine Mini-Orchidee und der Popa-Langur (Fotos) gehören zu den Arten, die Forscher-Teams in der „Großen Mekong-Region“ in den letzten Jahren neu entdeckt haben. Seit 1997 wurden dort insgesamt 3.389 Pflanzen, Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere erstmals wissenschaftlich beschrieben – das berichtet der WWF. Die Region um Asiens großen Strom umfasst 800.000 Quadratkilometer und erstreckt sich über die Länder Myanmar, Laos, Thailand, Kambodscha und Vietnam. Ihre Natur ist so vielfältig wie ihre Landschaften: hohe Gebirgsketten, Feuchtgebiete, Mangroven-, Trocken- und Regenwälder – eine Fundgrube der Biodiversität.