Regenwald Report 03/2015
Der Wald ist unser Leben
Seit zwei Jahren unterstützen wir die Bevölkerung von Tamshiyacu, ihren Wald gegen die Abholzungen durch die Firma Cacao del Peru Norte zu verteidigen. Unsere Mitarbeiterin Lea Horak hat die Menschen am Amazonas mehrere Wochen lang begleitet
Tamshiyacu war immer ein ruhiges Dorf – was wir zum Leben brauchten, haben wir auf unseren Feldern angebaut: Yucca, Bananen, Ananas. Im Wald haben wir Baumaterial für unsere Häuser und Medizin gegen die Krankheiten unserer Kinder gesammelt“, erzählt uns die alte Dame und wippt nachdenklich in ihrem Schaukelstuhl. „Doch dann kam die Firma und hat uns unseren Wald genommen.“
Die Firma ist Cacao del Peru Norte SAC. Mit riesigen Baggern, laut lärmenden Lastwagen und großen Versprechungen kam sie 2013 in das verschlafene Amazonasdorf im Osten Perus: Man würde gute Arbeitsplätze schaffen, die Straße ausbauen und die Armut bekämpfen. Nach zwei Jahren ist von der versprochenen Entwicklung in Tamshiyacu noch immer nichts zu spüren – stattdessen wurden mehr als 2.000 Hektar Regenwald vernichtet. Die schwarzen Geier, die auf dem von der Firma gestifteten Sportplatz zu Dutzenden ihre fahlen Flügel der Sonne entgegenrecken, beobachten gleichgültig, wie die Dorfbewohner zu ihren Füßen über die wassergetränkte Schlammpiste ziehen. Für knapp 30 Tage verschwinden sie auf den Plantagen von Cacao del Peru Norte. Ehemalige Angestellte erzählen, man dürfe das Gelände selbst an Sonntagen und nach der Arbeit nicht verlassen. Sie berichten von Sieben-Tage-Arbeitswochen, feuchten Unterkünften, schlechtem Essen, Krankheiten und fehlender Schutzkleidung. „Wenn du arbeiten willst, musst du machen, was sie dir sagen.“ Und sie wollen arbeiten. Sie müssen arbeiten. Viele Dorfbewohner haben ihr Land an die Firma verloren – um sich auf dem Markt mit Grundnahrungsmitteln versorgen und ihre Kinder zur Schule schicken zu können, sind sie auf die Einkünfte durch den Konzern angewiesen.
Unterdessen werden die Lebensgrundlagen Tamshiyacus weiter zerstört. Die Leute erzählen, dass die großflächigen Rodungen ihre Quellen verschütten und das Trinkwasser vergiften, dass die Fische sterben und die Tiere tiefer in den Wald fliehen. Der Kunsthandwerker Hernán Tananta, der von den Ressourcen des Waldes lebt, wagt eine düstere Zukunftsprognose: „Für unsere Kinder und Enkelkinder wird nichts mehr bleiben: Nichts zu jagen, keine Fische, keine Nahrung, kein Baumaterial – es wird schrecklich sein!“ Den Sorgen und Ängsten sowie dem wachsenden Unmut der Bevölkerung begegnet Cacao del Peru Norte anscheinend mit einer ausgeklügelten Strategie. Der Konzern gibt vor, sich in den Dienst der Gemeinde zu stellen: Geschenke, Fußballturniere und Feste sollen offenbar die Bevölkerung beschwichtigen. Man lässt die Arbeiter am „Tag zum Schutz des Wassers“ für die Firma marschieren und sammelt Unterschriften, die den Rückhalt des Konzerns in der Bevölkerung beweisen sollen. Kleinbauern, die bereit sind, auf ihrem Land Kakao zu pflanzen, erhalten auf Mikrokreditbasis Setzlinge, Düngemittel und technische Unterstützung. Cacao del Peru Norte verspricht die Abnahme der Kakaobohnen.
Ehemalige Angestellte erzählen, man dürfe das Gelände selbst an Sonntagen und nach der Arbeit nicht verlassen
„Doch was passiert, wenn die Bauern nicht genug ernten? Wenn sie den Kredit nicht zurückzahlen können?“ Consuelo García Hualinga, die Präsidentin der lokalen Organisation El Puente, sieht in dem vermeintlichen Sozialprogramm der Firma nur eine weitere Strategie des Unternehmens, sich kostengünstig Land anzueignen.
„Wir lassen uns unser Land und unsere Zukunft nicht nehmen!“ Seit dem Erscheinen von Cacao del Peru Norte, das zum transnationalen Holdingkonzern United Cacao gehört, kämpft Gremish Ahu Yumbato gegen alle Widerstände für den Erhalt des Waldes. Unermüdlich klärt der Präsident der Frente Patriótico über Monokulturen und die Machenschaften des Konzerns auf. Immer mehr Dorfbewohner folgen seinem Beispiel: Geschädigte Kleinbauern ziehen gegen die Firma vor Gericht, eine Gruppe ehemaliger Arbeiter kämpft um ihre Sozial-
leistungen, und El Puente kauft Wald-gebiete auf, bevor sie dem Kakao-Konzern zum Opfer fallen.
„Auf den gekauften Regenwaldgrundstücken werden wir nachhaltige Projekte und Einkommensquellen für die Menschen entwickeln.“
Consuelo García Hualinga, Präsidentin des Vereins El Puente
„Cacao del Peru Norte bedroht unsere Kultur und Lebensqualität, unsere Umwelt und Wasserquellen. Wir verteidigen unser Land, unsere Rechte und den Wald.“
Gremish Ahu Yumbato, Kleinbauer und Präsident des Frente Patriótico
„Diese Abholzung betrifft nicht nur uns, die wir unser Land verloren haben. Sie betrifft das ganze Dorf, ja die gesamte Welt. Auch wenn unsere Autoritäten uns Steine in den Weg legen: Wir kämpfen weiter!“