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Regenwald Report 03/2015

Singapur raubt uns die Heimat: Hände weg von unserem Sand

Umweltschützer stehen auf einem aufgeschütteten Sandhügel und halten ein Protestbanner hoch: Kampagne gegen Sandabbau in der ganzen Koh Kong-Provinz „Stoppt den Sandabbau in der Provinz Koh Kong“, fordern die Umweltschützer von Mother Nature (© Mother Nature)

Sand ist eine weltweit begehrte Ressource, die längst knapp geworden ist. Kein Land importiert mehr Sand als Singapur. Für Landgewinnung und Hausbau baggert der Stadtstaat seinen Nachbarn Strände, Küsten, Flussbetten und ganze Inseln weg. In Kambodscha wehren sich die Fischer gegen die Zerstörung ihrer Natur

Sie haben unseren Fluss und seine Ufer ruiniert. Das Wasser ist dreckig, und es gibt kaum noch Fische!“ Vey Van Ning ist wütend, als er am 27. Juli frühmorgens sein kleines Boot besteigt. Zusammen mit den anderen Fischern und ihren Familien und Naturschützern der Umweltgruppe Mother Nature nimmt er Kurs auf die Baggerschiffe und Transportkähne, die zu Dutzenden im Mündungsgebiet des Andoung Teuk den wertvollen Flusssand hochschaufeln und verladen. Sie gehören den vietnamesischen Firmen Rainbow International und Direct Access. Den Flussbewohnern und Aktivisten – mehr als einhundert sind an diesem Morgen zusammengekommen – gelingt es schließlich, die räuberische Flotte zu vertreiben. Vorerst.

„Seit 2009 beschädigen und verseuchen diese beiden Firmen die Flussmündungen an der Küste von Koh Kong“, sagt Sun Mala, Gründer von Mother Nature. „Sie haben für all das, was sie tun, keine Genehmigung. Und sie haben auch niemals untersucht, welche Schäden dieser Sandabbau der Natur und dem Leben der Bevölkerung zufügt.“

In Kambodschas Provinz Koh Kong wurden durch jahrelangen Sandabbau die Mangrovenwälder zerstört. Dadurch haben die Fischerfamilien 80 Prozent ihrer Fänge an Fischen, Muscheln, Krabben und Hummern verloren. Das berichtet die Weltnaturschutzorganisation IUCN in ihrer Studie „Study of Coastal Mangrove Forest Devastation and Channel Sedimentation“.

Den Preis für Singapurs Wachstum zahlen die Menschen in den Ländern, aus denen der Sand kommt

Kambodschas Sand macht Singapur groß und stark. Bis 2009 war das Land am Mekong Hauptlieferant  für den boomenden Stadtstaat. 796.000 Tonnen Sand sollen die Küste von Kambodscha in der Provinz Koh Kong Richtung Singapur verlassen haben – jeden Monat. Zu diesem Ergebnis kam die britische Organisation Global Witness in ihrem Report „Country for Sale“.

Nach massiven Protesten der Bewohner gegen die Zerstörung ihrer Natur verhängte Kambodschas Premier Hun Sen 2009 ein Ausfuhrverbot für Sand aus Flüssen und Küstengebieten. Doch dieses Verbot scheint weder Firmen noch Behörden zu interessieren. Die Firmen baggern ungehindert weiter – das schreibt Son Chhay von der Oppositionspartei CNRP am 30. Juli in seinem Brief an Hun Sen. „Ich bitte Sie, den gesetzwidrigen Sandabbau in den Flüssen der Koh Kong-Provinz zu untersuchen und zu stoppen. Er bringt dem Staat wenig Gewinn, hat jedoch ernste Auswirkungen auf die Umwelt und die Lebensgrundlage der Bevölkerung.“


Singapur und Kambodscha Singapur raubt uns die Heimat In den kleinen, intakten Nebenflüssen an Kambodschas Südwestküste finden die Fischer noch genügend Nahrung. Doch die Sand-
bagger kommen immer näher. Singapurs Sandhunger verschlang in Indonesien schon ganze Inseln.













Dass der Flusssand trotz des Export-banns offenbar weiter nach Singapur geht, zeigen Fotos der Aktivisten von Mother Nature: Die vietnamesischen Lastkähne verladen ihre Fracht auf die „Ikan Jenahar“. Und dieses Schiff wurde von der in Singapur ansässigen Reederei Pacific Carriers gechartert. „Der Sand ist für Singapur bestimmt“, bestätigte auch ein Vertreter dieser Reederei, der sich nur Captain Choo nannte.

Der Sandabbau zerstört die gesamten Ökosysteme in den Flüssen und Meeren

Malaysia und Indonesien hatten übrigens schon 1997 und 2007 mit Exportstopps auf die verheerenden Auswirkungen des Sandabbaus aus Flüssen und Meeren reagiert. In Indonesien waren mindestens 25 unbewohnte Inseln verschwunden und an Singapurs Küsten wieder „aufgetaucht“. Doch Singapurs Hunger nach diesem kostbaren Rohstoff für Landgewinnung und Häuserbau ist nicht zu stillen. Die reichste Nation Südostasiens wuchs in den letzten 40 Jahren um 130 Quadratkilometer ins Meer hinaus; das sind 20 Prozent ihres ursprünglichen Staatsgebietes. Bis 2030 sind weitere 70 Quadratkilometer geplant. Kein Land der Welt importiert mehr Sand, pro Kopf der 5,5 Millionen Einwohner sind es 5,4 Tonnen pro Jahr, so das Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP.

Singapur raubt uns die Heimat Singapurs neues Viertel Marina Bay entstieg dem Meer: Die Bucht wurde mit Sand
aufgeschüttet – dafür verschwand an Kambodschas Flussufern die Natur

Den Preis für Singapurs Wachstum zahlen die Menschen in den Ländern, aus denen der Sand kommt – immer häufiger durch organisierte Schmugglerbanden. Und auch ermöglicht durch fehlende Kontrollen, Korruption und illegal vergebene Konzessionen in Staaten wie Kambodscha, Indonesien und Myanmar. Dort hat der ungebremste Sandabbau aus Flüssen und Meeren verheerende Folgen für die gesamten Ökosysteme und ihre Artenvielfalt. Durch die Erosion an Ufern und Küsten geht Land verloren, Wasserläufe und Meeresströmungen verändern sich, Überschwemmungen, Dürre und vergiftete Gewässer bedrohen Menschen, Tiere und Pflanzen. Singapurs Regierung betrachtet den Sandkonsum des Landes als Angelegenheit „nationaler Sicherheit“, hält die Quellen geheim und lässt die Depots militärisch bewachen. 2010 hat Global Witness den Stadtstaat mit Zahlen und Fakten zum blühenden Schmuggel, illegal ausgestellten Schürfgenehmigungen und korrupten Beamten in Kambodscha öffentlich konfrontiert.

Die Antwort per Pressemeldung kam prompt: Der Sand würde nicht von der Regierung importiert, sondern von privaten Firmen. Für die Überwachung der Gesetze in den Herkunftsländern sei Singapur nicht verantwortlich. „Singapur präsentiert sich selbst als führender Staat beim Umweltschutz“, so George Boden von Global Witness. „Wenn Singapur in dieser Rolle ernst genommen werden will, sollte es überwachen, wo der importierte Sand herkommt und wie er gewonnen wird.“

Inzwischen freut sich Myanmars Regierung über lukrative Sandexporte durch militäreigene Firmen nach Singapur. Und ignoriert, dass die Bevölkerung, die am ausgebaggerten Dawei lebt, unter Erdrutschen und Erosion der Flussufer leidet.

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