Regenwald Report 01/2023: Schatzkammer Amazonien · Brasilien
Hoffnung für den Amazonasregenwald
Im Januar 2023 hat Lula da Silva das Amt des Präsidenten übernommen. Er hat versprochen, die Regenwald-Abholzung zu stoppen und die Rechte der Ureinwohner durchzusetzen. Seine Regierung steht vor enormen Herausforderungen.
„Wir sind im Regierungspalast angekommen – nie wieder ein Brasilien ohne uns Ureinwohner“, erklärt Sônia Guajajara bei ihrem Amtsantritt. Anfang Januar 2023 wurde die 48-jährige Frau vom Volk der Guajajara die erste Indigenen-Ministerin in der neuen Regierung von Präsident Lula da Silva. Mit Lula meldet sich Brasilien in der internationalen Menschenrechts-, Umwelt- und Klimapolitik zurück. Zur Umweltministerin hat er eine weitere Frau, die bekannte Naturschützerin und Politikerin Marina Silva, ernannt: Sie stammt aus einer Kautschukzapfer-Familie im Amazonasgebiet.
Sie treten ein schwieriges Erbe an, denn die Regierung des Amtsvorgängers Jair Bolsonaro hat das riesige südamerikanische Land in eine schwere Krise gestürzt, die Gesellschaft tief gespalten und Behörden wie das Umweltbundesamt IBAMA demontiert. Dem Schutz der Natur und den mehr als 250 indigenen Völkern ging es unter ihm besonders schlecht. Unverhohlen rief Bolsonaro dazu auf, deren Gebiete zu besetzen und zu plündern. Rohstoffe wie Holz und Bodenschätze sollten dort ausgebeutet und der Bergbau legalisiert werden.
Völkermord an den Yanomami
Der Regierungswechsel brachte den 1,1 Millionen brasilianischen Ureinwohnern neue Hoffnung. Ihre insgesamt 726 Territorien bedecken mit einer Fläche von
1,17 Millionen Quadratkilometern fast ein Viertel des brasilianischen Amazonasgebietes. Die indigenen Völker bewahren ihr Land und die Natur viel besser als staatliche Schutzgebiete, sind dabei aber auch auf staatliche Unterstützung angewiesen.
Mitte Januar folgten Guajajara und Lula den Hilfsappellen der Yanomami, die
Bolsonaro ignoriert hatte, und riefen den Notstand für deren Territorium aus. Beim Besuch eines Camps im Bundesstaat Roraima boten sich ihnen schlimme Anblicke: „Erwachsene, die so viel wiegen wie Kinder, Kinder, die an Unterernährung, Malaria, Durchfallerkrankungen und anderen Krankheiten sterben“, erklärte Lula. „Mehr als eine humanitäre Krise war das, was ich in Roraima gesehen habe, ein Völkermord, ein vorsätzliches Verbrechen gegen die Yanomami, begangen von einer Regierung, die kein Gefühl für das Leid hat.“
20.000 illegale Goldwäscher sind in den vergangenen Jahren in den Regenwald der Yanomami eingefallen, haben Krankheiten wie Malaria und Covid-19, Gewalt, Gesetzlosigkeit, Prostitution, Alkohol und Drogen eingeschleppt und unrechtmäßig Camps, Fahrwege und Flugpisten errichtet. Sie haben die Flussläufe verwüstet, Urwaldbäume abgeholzt, Böden und Sedimente zerwühlt und ausgewaschen. Die Lebensgrundlagen der Yanomami wurden nicht nur zerstört, sondern auch mit Quecksilber, das zum Binden der Goldkörnchen eingesetzt wird, dauerhaft vergiftet.
Jetzt haben Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs begonnen, die Goldwäscher zu vertreiben, ihre Maschinen und Flugzeuge zu zerstören. Doch wohin werden die zu Tausenden abziehenden Goldwäscher gehen? Die Regierung muss einen Spagat zwischen Entwicklung und Umweltschutz schaffen, muss in Bildung, Gesundheit und Arbeitsplätze für die 215 Millionen Menschen investieren.
Deutschlands Rohstoffhunger
Ende Januar empfing Lula den deutschen Bundeskanzler zum Staatsbesuch in Brasilien. Scholz kündigte an, für den Schutz des Amazonasregenwaldes 200 Millionen Euro bereitzustellen. Doch so wie schon zuvor in Argentinien und Chile geht es ihm und der deutschen Wirtschaftsdelegation vor allem um Geschäfte: den Zugriff auf Rohstoffe, Energie wie „grünen Wasserstoff“ sowie das Freihandelsabkommen der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten. Mit am Verhandlungstisch sitzen die Chefs von Konzernen wie Aurubis (Kupfer), Bayer (Pharma, Chemie, Pestizide) und VW (Autos).
Um die Rohstoffe aus Südamerika abzutransportieren, soll die In-frastruktur ausgebaut werden. Dazu hat schon wenige Tage zuvor der deutsche Botschafter Politiker und Funktionäre aus Brasilien, der EU sowie Firmenmanager in seine Vertretung eingeladen. Dort stellte die Deutsche Bahn eine Partnerschaft mit einem Firmenkonsortium vor, das den Bau eines privaten Exporthafens auf der Insel Cajual im Bundesstaat Maranhão am Atlantik sowie einer über 500 Kilometer langen privaten Eisenbahnlinie plant. Sie soll den Nordosten Brasiliens mit dem Hafen verbinden, um Hunderte Millionen Tonnen Rohstoffe nach Deutschland, die EU und China zu verschiffen: Agrarprodukte wie Soja, Bodenschätze wie Eisenerz, Bauxit, Erdöl, Erdgas sowie Düngemittel und Wasserstoff.
Noch ist das Gebiet, wo der Hafen entstehen soll, ein Tropenparadies, genauso wie die Landschaften entlang der geplanten Eisenbahntrasse.„Es liegt in unserer Hand, den Südosten des Amazonasgebietes, die Cerrado-Savanne und die kleinbäuerliche Landwirtschaft vor dem Zugriff der Agrar-, Bergbau- und Frackingindustrie zu schützen“, erklärt Mayron Regis von unserer Partnerorganisation Fórum Carajás. Wir unterstützen sie dabei.