Amazonasgipfel in Brasilien: Indigene beklagen Gewalt

Indigene marschieren in einer Reihe und halten Plakate hoch mit Texten wie: Unser Land ist unsere Zukunft „Marsch der indigenen Völker“ für den Regenwald während des Amazonas-Gipfels in Belém (© ANA MENDES @anamendes_anamendes)

11.08.2023

Während sich die Regierungen der acht Anrainerländer zum Amazonas-Gipfel treffen, protestieren die indigenen Völker am Tagungsort Belém gegen Gewalt, Landraub und eine falsch verstandene Energiewende. Mehrere junge Indigene wurden durch Schüsse schwer verletzt. Verantwortlich seien das Sicherheitspersonal des Palmöldiesel-Herstellers Brasil Biofuels und die Militärpolizei, so die Vorwürfe.

Brasiliens Präsident Lula da Silva hat am 8. bis 9. August zum Amazonas-Gipfel eingeladen. Nach jahrelanger Blockade und Rückschritten unter den vorherigen Präsidenten Bolsonaro und Temer ist es da Silva gelungen, die Regierungen der acht Anrainerländer an einem Tisch zu bringen. Mit einem Hundert-Punkte-Plan soll das größte Regenwaldgebiet der Erde vor der Abholzung und dem drohenden Zusammenbruch bewahrt werden. Bereits im Wahlkampf hatte da Silva versprochen, die Rodungen im brasilianischen Teil des Amazonasgebietes bis 2030 auf Null zu reduzieren.

Doch auf konkrete Schritte konnten sich die Amazonasländer nicht einigen – es ist weitgehend bei Absichtserklärungen geblieben. Das liegt auch am Gastgeber Brasilien, der die Erdölförderung vorantreiben will. Vor allem Kolumbiens Präsident Gustavo Petro sprach sich dagegen aus.

Proteste gegen Landraub und Gewalt

Auch vor dem Tagungssaal in Belém gab es Widerstand und Protest. Tausende Indigene, Umweltschützer, Menschenrechtler waren in die Hauptstadt des Bundesstaates Pará zu einem parallel stattfindenden Amazonas-Dialog der Zivilgesellschaft gekommen. Die indigenen Völker marschierten auf den Straßen von Belém, weil ihre Stimmen nicht gehört und ihre Landrechte nicht anerkannt werden. Illegale Goldwäscher, Bergbaugesellschaften, Tropenholz- und Agrarfirmen sowie Viehzüchter zerstören die Regenwälder. Die Ureinwohner protestieren auch gegen die ständige Gewalt und Bedrohungen, denen sie ausgesetzt sind.

Am Vortag des Amazonas-Gipfels wurden nicht weit entfernt im Landesinneren von Pará zwei Frauen und ein Mann vom Volk der Tembé durch Schüsse schwer verletzt. Sicherheitskräfte der Palmölfirma Brasil Biofuels (BBF) und die Militärpolizei sollen auf die jungen Leute geschossen haben.

„Wir müssen diese Gewalt sofort beenden”, erklärt die indigene Führerin Alessandra Munduruku in der nationalen Nachrichtensendung des Senders Globo. „Wir brauchen dringend die Demarkierung unserer indigenern Territorien. Hören Sie auf, von Bioökonomie und Nachhaltigkeit zu reden, solange wir hier in diesem Moment diese Gewalt haben”, forderte sie von den versammelten Regierungen.

Die Palmölfirma BBF gibt an, dass sie ihr Personal gegen Attacken der Indigenen verteidigt habe. Letztere berichten dagegen, dass sie auf einer Landstraße bei Tomé-Açu im Distrikt Alto Acará friedlich demonstriert hätten und beschossen wurden. Die Gegend ist das Zentrum der brasilianischen Palmölindustrie.

Unternehmen wie BBF und der vielfach zertifizierte Konzern Agropalma sind dort seit Jahren in schwere Landkonflikte und Gewalt gegen die angestammte Bevölkerung verwickelt. Die Firmen sollen sich Zehntausende Hektar Landflächen illegal angeeignet haben und die Flüsse mit Pestiziden und Abfällen der Palmölmühlen verseuchen.

Zwei Tage zuvor hatte sich bereits die Vereinigung der indigenen Tembé mit einem offenen Schreiben an den Gouverneur des Bundesstaates Pará und den brasilianischen Präsidenten da Silva gewandt. Der Anlass waren Schussverletzungen, die ein weiterer junger Tembé schon am 4. August erlitten hatte. Sicherheitspersonal von BBF und die Militärpolizei hätten eine illegale Aktion gegen das Volk der Tembé im Dorf Bananal durchgeführt.

In dem Schreiben, das von einem Dutzend brasilianischen Organisationen unterstützt wird, fordern die Indigenen nicht nur wirksamen Schutz und ein Ende der Gewalt: „Wir können nicht über Nachhaltigkeit und grüne Wirtschaft sprechen, ohne uns zuerst um die Menschen im Regenwald zu kümmern“, fordert die Vereinigung der Tembé in ihrem Brief.

„Herr Gouverneur und Herr Präsident, es gibt keine Energiewende oder Klimagerechtigkeit ohne ökologische, landwirtschaftliche und territoriale Gerechtigkeit. Wir glauben, dass Sie nicht mit einer falschen Energiewende in Verbindung gebracht werden wollen, die mit dem Blut der lokalen Bevölkerung befleckt ist“, schreibt die Vereinigung unter Anspielung auf die Produktion von Biodiesel aus Palmöl durch BBF.

Die Indigenen weisen darauf hin, dass die Welt und die Zukunft der Menschheit auch von ihrem Wissen abhängen. Die indigenen Völker haben bereits lange vor der Kolonisierung durch die Europäer im Amazonasgebiet eine ökologisch und spirituell ausgewogene Lebensweise aufgebaut. Bis heute schützen sie ihre Territorien viel besser als der Staat die öffentlichen Naturschutzgebiete.


  1. GloboGlobo G1 Jornal Nacional 8. Aug. 2023: Na véspera da Cúpula da Amazônia, duas mulheres e um homem do povo Tembé são baleados no Pará: https://g1.globo.com/jornal-nacional/noticia/2023/08/07/na-vespera-da-cupula-da-amazonia-duas-mulheres-e-um-homem-do-povo-tembe-sao-baleados-no-para.ghtml

  2. verwickeltRettet den Regenwald, 11-2023. Petition: Biologisch? Nachhaltig? Fair? Die Wahrheit über Palmöl aus Brasilien: https://www.regenwald.org/petitionen/1262/biologisch-nachhaltig-fair-die-wahrheit-ueber-palmoel-aus-brasilien

  3. gewandtASSOCIAÇÃO INDÍGENA TEMBÉ DO VALE DO ACARÁ (AITVA), 4. Aug. 2023. CARTA ABERTA AO GOVERNADOR DO ESTADO DO PARÁ E AO PRESIDENTE DA REPÚBLICA DO BRASIL: https://btmais.com.br/wp-content/uploads/2023/08/CARTA-ABERTA-AOS-REPRESENTANTES-DO-EXECUTIVO-.-ATENTADO-POVO-TEMBE-3.pdf

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