Regenwald Report 04/2024 · Brasilien
Die Menschen wehren sich gegen die Soja-Industrie
Die Agrarplantagen rücken immer weiter in den Amazonas-Regenwald vor. Bei einem Besuch in Berlin berichten unsere brasilianischen Partnerorganisationen über ihren Widerstand gegen Landraub, Giftattacken und Gewalt.
„Die Soja-Industrie führt bei uns einen chemischen Krieg gegen die Menschen, um sie von ihrem Land zu vertreiben. Es ist ein gezielter Einsatz von Pestiziden gegen die traditionellen Gemeinschaften, der ihr Überleben bedroht“, erklärt der brasilianische Menschenrechtler Diogo Cabral im September in Berlin. Als Anwalt unterstützt Cabral mehrere Partnerorganisationen von Rettet den Regenwald in den brasilianischen Bundesstaaten Maranhão und Pará, darunter die indigenen Ka’apor und Awa sowie die Organisationen Comisão Pastoral da Terra (CPT) und Xingu Vivo.
Für den Besuch von Cabral mit einer Gruppe von fünf Personen in Deutschland hat Rettet den Regenwald verschiedene Termine in Berlin organisiert. Bei einem Gespräch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag berichtet die Gruppe, wie Sprühflugzeuge und Drohnen nicht nur die Soja-Monokulturen mit einem Giftcocktail einnebeln, sondern auch ihre Dörfer, Anbauflächen, Wälder und Flüsse.
„Sie vernichten damit unsere Ernten und die Natur, töten die Fische und lassen die Menschen krank werden. Wir fordern ein Verbot der Sprüheinsätze aus der Luft. Sieben Gemeindebezirke in Maranhão sind dem schon nachgekommen“, sagt Cabral.
„In den letzten fünf Jahren wurden allein in Maranhão 50 Menschenrechtsverteidiger ermordet“, erklärt Edimilson Costa von der Landarbeitergewerkschaft FETAEMA. Milizen, von den Sojafarmern angeheuert und bezahlt, bedrohen die Menschen – häufig zusammen mit lokalen Polizisten. „44 der Opfer waren Indigene oder Afrobrasilianer. Fast keiner der Morde wurde aufgeklärt, es ist staatlicher Rassismus.“
Die Gruppe bittet die deutsche Bundesregierung, mit der brasilianischen Regierung über ihre Politik zum Schutz der Menschenrechte zu sprechen und effektive Maßnahmen zu deren Schutz zu fordern.
Die Monokulturen breiten sich immer weiter aus
Auf 45 Millionen Hektar erstrecken sich in Brasilien die Soja-Monokulturen, das ist eine Fläche, so groß wie Deutschland und Österreich zusammen. Bei Soja ist das südamerikanische Land mit 160 Millionen Tonnen Jahresproduktion weltweit die Nummer eins. Auch der Mais-Anbau scheint keine Grenzen zu kennen. 2023 wurden auf 22 Millionen Hektar Fläche 126 Millionen Tonnen Mais geerntet.
Der größte Teil der Soja- und Mais-Ernte geht in den Export nach China und Europa und landet in den Futtertrögen von Schweinen, Rindern und Hühnern. Aus Sojaöl wird auch Biodiesel und aus Mais Ethanol-Kraftstoff für die Tanks von Lastwagen und Autos produziert.
Der Staat verschleppt die Anerkennung der Landrechte
Agrarfirmen und Großgrundbesitzer eignen sich das Land im großen Stil durch Fälschung von Dokumenten oder Gewalt an. Die traditionellen Gemeinschaften haben oft keine Landtitel, weil die Anerkennungsverfahren von den Behörden verhindert oder verschleppt werden. Dazu gehören auch die Bestände der Babassu-Palme in Maranhão. 400.000 Frauen sammeln dort deren Früchte und stellen daraus in Handarbeit eine Vielzahl von Produkten wie das begehrte Babassu-Öl her. Doch immer mehr der Palmenhaine werden für Viehweiden und Soja-Monokulturen eingezäunt, gerodet und niedergebrannt.
„Wir brauchen eine Agrarreform, eine gerechte Landverteilung, Geld für Schulen und Gesundheitseinrichtungen, denn in vielen Dörfern herrschen Mangel-, Unterernährung oder sogar Hunger“, sagt Ariana Gomes vom Agroökologie-Netzwerk RAMA.
Pestizide und Gentechnik
„Es gibt eine Allianz zwischen der Agrarindustrie und dem Staat. Für die Regierung und das Parlament ist die Agrarindustrie wertvoller als die Menschen“, kritisiert Adriana Oliveira von der Landarbeitergewerkschaft in Açailândia auf einem Netzwerktreffen im Lateinamerika Institut der Freien Universität Berlin. Ziel des Gesprächs ist es, die Zusammenarbeit mit deutschen Organisationen gegen die Agrarchemie zu verstärken.
An der mächtigen Agrarlobby, die mit zwei Dritteln der Abgeordneten das Parlament dominiert, kommt in Brasilien niemand vorbei. Im Mai überstimmte sie sogar ein Veto von Präsident Lula da Silva gegen Teile des „Gift-Paketes“. Das beschlossene Gesetz gibt die Zulassung der Agrarchemie fast vollständig frei, darunter viele Substanzen, die in Europa verboten sind.
Für Deutsche Chemiekonzerne wie Bayer und BASF ist Brasilien einer der wichtigsten Absatzmärkte. Diese stellen nicht nur Pflanzen- und Insektengifte, sondern auch das passende Saatgut her. Fast alle Soja- und Mais-Sorten in Südamerika sind gentechnisch verändert und wurden gegen Herbizide wie Roundup unempfindlich gemacht. So können die riesigen Monokulturen per Flugzeug und Drohne mit Unmengen von Giften besprüht werden, die alle anderen Pflanzen abtöten und auch für Tiere und Menschen schädlich sind.
Scharfe Kritik äußert die Gruppe an einem „Programm für nachhaltige Soja-Lieferketten in Maranhão“ der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). „Nachhaltige Soja ist ein Märchen, die Monokulturen werden niemals nachhaltig sein. Die GIZ unterstützt durch ihre Zusammenarbeit mit der Sojaindustrie deren Greenwashing-Strategien“, erklärt der Anwalt Cabral. Stattdessen sollte die GIZ die Einhaltung der Menschen- und Landrechte fördern.
Erfolg gegen Landraub
In Timbiras in Maranhão haben 200 Kleinbauernfamilien die Agrarfirma Maratá wegen Landraub verklagt. Unsere Partnerorganisation CPT hat sie dabei rechtlich unterstützt und ausgebildet. Im April dieses Jahres erlangten sie vor Gericht 1.700 Hektar Land zurück, von dem sie die Firma gewaltsam vertrieben hatte. Die Spenden von Rettet den Regenwald waren entscheidend, damit die Menschen ihre Rechte verteidigen konnten. Inzwischen haben sie ihre Häuser wieder aufgebaut, bearbeiten die Felder und pflanzen Bäume.
In den Bundesstaaten Maranhão und Pará unterstützt unser Verein insgesamt zehn Organisationen und indigene Völker beim Schutz der Menschen- und Landrechte, dem Erhalt des Regenwaldes und beim Widerstand gegen ein geplantes Schienen- und Hafenbauprojekt zum Export von Soja und Eisenerz.
Aktiv werden!
Unterschreiben Sie unsere Petition gegen die Giftbesprühungen aus der Luft
Sehenswert
„We fight for the land.“ Ein Dokufilm über die Folgen der massiven Ausweitung der Soja-Monokulturen (portugiesisch mit englischen Untertiteln).