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Regenwald Report 04/2024 · Malaysia

Mit GPS-Geräten gegen Bulldozer

Maschinen im Regenwald Verlassene Maschinen der Firma Zedtee. Zur Rodung von Regenwald setzen Holzfäller oft schweres Gerät wie Bagger und Bulldozer ein (© RdR/Mathias Rittgerott)

Im Bundesstaat Sarawak schlagen indigene Dayak Holzfäller in die Flucht. Bewaffnet sind sie mit selbst erstellten Landkarten, verwurzelt sind sie in ihren Traditionen. Wir haben sie begleitet.

Zwei Tage, um zu verschwinden – diese Frist hatten die Holzfäller den Indigenen gesetzt. Die Menschen sollten ihr Longhouse in der Gemeinde Nanga Sepulau verlassen, damit die Firma Zedtee Plywood endlich Bäume schlagen kann. Doch die Einheimischen haben Widerstand geleistet und sind geblieben – stattdessen musste Zedtee abrücken. Am Waldrand stehen noch die Bagger und Bulldozer. Schnell hat Gestrüpp sie überwuchert.

Die Bewohner und Bewohnerinnen von Nanga Sepulau sind sich einig: Ohne die Unterstützung von Matek Geram hätten sie ihren Wald und damit ihr Zuhause verloren. Deshalb begrüßen sie den Aktivisten der Indigenen-Organisation SADIA wie einen alten Freund. 

Regenwald in Sarawak In Malaysias Provinz Sarawak wachsen noch üppige und intakte Regenwälder – doch Holzfäller sind eine allgegenwärtige Bedrohung (© RdR/Mathias Rittgerott)

Die Geschichte des Longhouses ist erschreckend und beglückend zugleich. Sie handelt beispielhaft davon, wie Firmen und Politiker Indigenen das Land rauben, um Bäume abzuholzen oder Plantagen anzulegen. Insbesondere der Familienclan von Taib Mahmud, der den Bundesstaat auf der Insel Borneo 33 Jahre lang bis 2014 als Chief Minister regierte, hat die Natur rücksichtslos ausgebeutet und sich bereichert. Sarawak hat so rund 90 Prozent seiner Primärwälder verloren, allein im Jahr 2023 wurden 85.100 Hektar Wald gerodet. 

Nanga Sepulaus Geschichte zeigt zugleich, wie Indigene ihre Wälder bewahren und ihre Rechte durchsetzen. Wie oft das geschieht, kann man an den bunten Mappen, die im SADIA-Büro in der Stadt Mukah im Regal stehen, ablesen. In jeder stecken Papiere eines Landkonflikts; mehr als 100 Fälle kann Matek aufzählen. Häufig gehört eine Landkarte zu den Unterlagen. Und die hat Matek mit seinem Team, zu dem sein Bruder Tambi und sein Freund Salim gehören, erstellt. 

Von Matek kartierte Landkarte Eine von Matek Geram erstellte Karte zeigt das traditionelle Land der Indigenen (© RdR/Mathias Rittgerott)

Matek Geram vor einem Regal mit Akten Das Regal in Mateks Büro ist gefüllt mit Unterlagen von Landrechtskonflikten (© RdR/Mathias Rittgerott)

Matek mit Gruppe von Dayak Bei den indigenen Dayak spielen Traditionen und spirituelle Riten eine große Rolle (© RdR/Mathias Rittgerott)

„Umweltschutz ist für uns Selbstverteidigung“

Wie in Nanga Sepulau. Dort belegt die Karte, dass Zedtee Plywood in das traditionelle Land der Dayak eingedrungen war. Mit dem Beweis haben die Einheimischen bei Politikern und Kunden des Unternehmens Druck gemacht. Mit Erfolg. „Die Firma ist abgehauen“, sagt Matek zufrieden: „Es werden keine Bäume mehr gefällt.“

Für Matek ist Umweltschutz Selbstverteidigung. „Ohne Wald können wir Dayak nicht leben“, erläutert er. Um das Land mit hieb- und stichfesten Daten zu verteidigen, hat er sich nach kurzem Training selbst angeeignet, wie er gemeinsam mit Einheimischen, GPS-Geräte in Händen, Land vermisst.

Viele Dayak fühlen sich wie Matek der Natur spirituell eng verbunden. So ziert die mythologische Vogelgestalt des „Sengalang Burung“ SADIAs Logo. Die Welt der Indigenen ist bevölkert von Göttern und Geistern, auch die Ahnen spielen eine große Rolle.

Im Longhouse von Nanga Sepulau werden wir daher mit einer Miri-Zeremonie empfangen. Auf Tellern sind Blätter, Reis und Eier drapiert. Der Headman Jeffrey Rumah schwenkt ein lebendiges Huhn über Mateks Kopf, wirft Reis in die Luft, murmelt Gebete. Das Prozedere wiederholt sich für Tambi und Salim. „So heißen wir Dayak Gäste willkommen und bitten für ihren Schutz“, erklärt Matek.

Seit Jahren sind die drei Männer rastlos im Einsatz. Während ihrer Kartierungen schlafen sie im Wald unter einer Plane, die sie abends zwischen Bäumen aufspannen. Fürs Abendessen fangen sie in Bachläufen Fische und sammeln Wurzelknollen oder Pilze. 

Die Reisernte wird groß gefeiert

Doch diese Woche drängen sie heim zu ihren Familien, um Gawai zu feiern. Das Festival markiert das Ende der Reisernte. In Mateks Haus wird es voll, Angehörige aus nah und fern sind gekommen. Mateks Neffen grillen ein Schwein, es wird Reiswein ausgeschenkt, seine Geschwister machen traditionelle Musik. Später singen alle Karaoke; mal auf Englisch, mal auf Iban, der lokalen Sprache der Indigenen. Eingeläutet wird dieses Fest mit einer Miri-Zeremonie.

Mateks ältester Sohn Maximilian ist besonders aufgeregt: Zum ersten Mal darf er um Mitternacht mit dem Jagdgewehr seines Großvaters einen Freudenschuss abfeuern. Der 15-Jährige ist ein kluger Junge und hat einen Plan: Er will Jura studieren, als Umweltanwalt die Wälder verteidigen und so den Fußstapfen seines Vaters folgen.

Leben am Fluss Mateks Haus steht auf Stelzen am Ufer des Flusses Sungai Lemai. Man erreicht es nur per Boot (© RdR/Mathias Rittgerott)

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