Regenwald Report 01/2025
Die Natur ist ihr wertvollstes Erbe

Neuguineas Biodiversität ist außergewöhnlich – ebenso wie die Beziehung der Menschen zu ihrer Natur. Die Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten bildet nicht nur die Lebensgrundlage der Papua-Völker, sondern auch ihren Glauben und ihre Kultur.
Tief in den Regenwäldern Neuguineas leben die „schönsten und außergewöhnlichsten gefiederten Bewohner der Erde“. Das schrieb der britische Naturforscher Alfred Russel Wallace, als er Mitte des 19. Jahrhunderts zum ersten Mal Paradiesvögel sah. Er muss den Balztanz der Männchen beobachtet haben – kein Tier der Welt spielt ein solches Theater für die Auserwählte. Rund 40 Arten bewohnen die zweitgrößte Insel der Erde – fast alle leben nur dort, an kleine Gebiete angepasst und daher stark bedroht, wenn diese abgeholzt werden.
Ritual der Marind zum Schutz ihres Waldes (© Pusaka)
Als wahres Vogel-Paradies beschreiben viele Forscher Neuguinea. Etwa 700 Arten sind erfasst, darunter blaugefiederte Krontauben, Papageien, Samtvögel und Kakadus. Beeindruckend ist der Kasuar, groß wie ein ausgewachsener Mensch, mit strahlend schwarzem Gefieder und blauem Hals. Kein Landtier Neuguineas ist größer als er. Kasuare sind flugunfähige Laufvögel, sie lieben Früchte, verbreiten deren Samen und sorgen somit für ein gesundes Wald-Ökosystem.
Hotspot endemischer Arten
Fauna und Flora sind für die Papuas mehr als ein Teil ihrer Natur. Tiere und Pflanzen bestimmen auch Glauben und Kultur der Völker. Der Kasuar ist Totemtier der Kaize, ein Stamm der Marind von Merauke. Sie ehren die schwarzen Vögel, jagen sie nicht und schmücken sich mit ihren Federn. Die Mahuze nennen die Sagopalme ihre Schwester und die Saham identifizieren sich mit dem Baumkänguru.
Als Totemtier verehrt: Der Kasuar (© Martin Stringer Photography)
Dieses Beuteltier ist wie der Kasuar ein Relikt der Zeit, als Neuguinea und Australien den Kontinent Sahul bildeten. Nachdem das Eis geschmolzen und der Meeresspiegel angestiegen war, blieb Neuguinea jahrtausendelang isoliert. Zahlreiche endemische Tierarten entwickelten sich, die nirgendwo sonst auf der Welt vorkommen und von denen viele noch niemals wissenschaftlich beschrieben worden sind.
Raggi-Paradiesvogel beim Balztanz (© RichLindle/Istockphoto)
Die Papuas kennen jede Pflanze
Noch verborgener ist die Welt der Pflanzen, der Lianen, Epiphyten, Kannenpflanzen. Erst 2024 hat ein Forscherteam zwölf Orchideenarten entdeckt, die bisher unbekannt waren. Und 2018 beschrieben Wissenschaftler im Grenzgebiet zwischen Papua und Papua-Neuguinea eine zarte Orchidee, die nur an diesem Ort vorkommt. Sie wächst in 2.000 Meter Höhe an moosbedeckten, 45 Meter hohen Bäumen.
Endemischer Epiphyt: die Ameisenpflanze (© CC BY-SA 4.0/coenobita)
Über den Reichtum ihrer Natur besitzen die Papua-Völker unschätzbare Kenntnis. Sie wissen, welche Pflanze essbar, welche giftig und welche heilend ist. Besonders verehrt wird die „rote Frucht“ (Buah merah), eine Pandanus-Palme mit hohem Gehalt an Vitamin A, Calcium und Omega-3-Fetten. Sie soll gegen Haut- und Augenerkrankungen helfen und das Immunsystem stärken.
Bis 50 Meter hoch und rosa blühend: der Merbau-Baum. (© CC BY-SA 3.0/Denis.prévôt & CC BY-SA 4.0/techieoldfox)
Weltweit bekannt ist das rötliche Hartholz des Merbau-Baumes, fester und beständiger als Teak oder Eiche. Einst war Merbau von Madagaskar über Südostasien bis in den pazifischen Raum verbreitet. Heute gibt es Merbau fast nur noch auf Neuguinea. Die traditionell aus Merbau gehauenen Boote der Papuas überdauern Generationen. Längst bedroht die Nachfrage nach dem Tropenholz für Hausbau und Fußböden auch die Regenwälder Papuas.
Die Artenvielfalt ist in Gefahr
Merbau ist ein Beispiel dafür, dass die Pflanzenwelt – im Gegensatz zur Tierwelt – asiatische Einflüsse zeigt. Mehr als die Hälfte der Pflanzen aber ist endemisch. Nur etwa 13.000 der 25.000 Pflanzenarten sind beschrieben. Mit 1.200 Baumarten übertrifft Neuguinea Deutschlands 77 Arten bei Weitem. Bis heute ist die Vielfalt noch gut erhalten, doch viele Arten könnten für immer verloren sein, wenn die Vegetation wie aktuell für Monokulturen zerstört wird. Der „Hotspot der Biodiversität“ muss für das Leben auf unserer Erde erhalten bleiben.
Baumkängurus sind 50-80 cm groß. Ihr körperlanger Schwanz hilft ihnen beim Klettern (© Phani Teaja Duggirala/Istockphoto)