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Regenwald Report 04/2023 · Lateinamerika / Brasilien

Wie die Ka’apor ihren Regenwald schützen

Die Ka‘apor vermessen ihr Territorium mit GPS-Geräten Die Ka‘apor vermessen ihr Territorium mit GPS-Geräten und teilen es in verschiedene Nutzungs- und Schutzzonen ein (© RdR/ Klaus Schenck)

Guadalupe Rodríguez und Klaus Schenck von Rettet den Regenwald sind nach Brasilien gereist, um unsere Partnerorganisationen zu besuchen – darunter die Ka‘apor. Die indigene Gemeinschaft lebt in einem der letzten großen Regenwaldgebiete im Bundesstaat Maranhão.

Schon früh morgens sind in Belém die Straßen verstopft. Im Schritttempo fahren wir an Hochhäusern, Ladenzeilen und Einkaufszentren vorbei, dann durch Gewerbegebiete auf der einzigen Ausfallstraße der Millionenstadt im Amazonasgebiet. Am Steuer sitzt José Mendes, unsere Kontaktperson bei den indigenen Ka‘apor. Der Soziologe und Ethnologe unterstützt schon seit fast 16 Jahren die Ka‘apor, ist wichtiger Berater und stellt die Verbindung mit der Außenwelt her.

Als wir nach zwei Stunden aus dem Stadtgebiet herauskommen, führt die Bundesstraße durch endlose landwirtschaftliche Flächen. Statt Regenwald breiten sich hier im Nordosten des Bundesstaats Pará und im angrenzenden Bundesstaat Maranhão Viehweiden aus. Im Ort Centro do Guilherme endet schließlich der Asphalt.

Satansaffe Der bedrohte Schwarze Saki (Chiropotes satanas) lebt ausschließlich im Nordosten Brasiliens (© CC BY 2.0)

„Hier wohnen Holzfäller, Rinderzüchter und Goldschürfer – Prostitution und Kriminalität sind verbreitet“, schnaubt José. Ohne Stopp geht es über staubige Pisten eine Stunde weiter. Dann taucht auf den Hügeln Regenwald auf. Eine fast schnurgerade Linie trennt hier die landwirtschaftliche Abholzerfront von einem der letzten großen Regenwaldgebiete in Maranhão.

Dieser Wald ist Lebensraum vieler bedrohter Arten

An einem Hang hat der Regen tiefe Rinnen in die ehemalige Holzfällerpiste gespült. Jetzt müssen wir zu Fuß weiter. Indigenes Territorium Alto Turiaçu – Eintritt erlaubt nur mit Genehmigung des Rates der Ka‘apor, steht auf einem grünen Schild am Wegesrand. „Die Hinweistafel haben sie aufgestellt“, sagt José. Ein paar Meter weiter machen wir in der Abendsonne halt. „An dieser Stelle ist der Führer Sarapo Ka‘apor begraben“, erklärt er weiter. „Weil er sich den Abholzern in den Weg gestellt hat, wurde er letztes Jahr vergiftet.“

Oberstes Gericht stärkt indigene Landrechte

Ende September 2023 hat das höchste Bundesgericht Brasiliens die Anerkennung indigener Territorien gestärkt. Eine von der Agrar- und Bergbaulobby vorangetriebene Rechtssprechung wurde abgelehnt. Sie sah vor, dass nur Gebiete anerkannt werden sollen, in denen Indigene vor dem Inkrafttreten der aktuellen brasilianischen Verfassung von 1988 gelebt haben. Die indigenen Völker haben das Urteil mit großer Erleichterung aufgenommen.

Während wir in der Dämmerung durch den Regenwald marschieren, sind in der Ferne Brüllaffen zu hören. Das indigene Territorium der Ka‘apor ist mit 531.000 Hektar doppelt so groß wie das Saarland. Es ist die Heimat von etwa 2.500 Ka‘apor, zwei anderen indigenen Völkern, den Awá und Tembé, und einer ungeheuren Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten. Der kritisch bedrohte Ka‘apori-Kapuziner-affe (Cebus kaapori) und der bedrohte Schwarze Saki (Chiropotes satanas) haben in dem Gebiet einen ihrer letzten verbliebenen Lebensräume.

Indigene Frauen, Kinder und Jugendliche beim gemeinschaftlichen Essen in einer offenen Hütte Frühstück in der Gemeinschaftsküche der Ka‘apor (© RdR/ Klaus Schenck)

Die Ka‘apor meiden den Kontakt mit der Außenwelt

Im Dunkeln kommen wir in Ywyahurenda an. Rund 70 Ka‘apor leben hier in etwa zwanzig Holzhütten mit Dächern aus Palmwedeln auf einer großen Lichtung. „Es ist kein Dorf, keine Siedlung, keine Gemeinde“, erklärt uns José. „Das sind alles westliche Konzepte, die mit der Realität der Ka‘apor nichts zu tun haben. Wir nennen die Gemeinschaften Schutzgebiete.“

In einem offenen Unterstand spannen wir unsere Hängematten auf, dann gibt es Abendessen. Gekochte Yamsknollen, Maniokmehl, Reis, ein wenig Huhn. Zum Einschlafen begleitet uns ein unbeschreibliches Konzert der Grashüpfer, Grillen und Zikaden.

Im Morgengrauen beginnen einige der Frauen des Dorfes mit der Zubereitung des Frühstücks. Klappernd waschen sie Alutöpfe, fachen Feuer an, kochen Huhn und Gemüse und schleppen alles in eine offene Gemeinschaftshütte. Dort gibt es auch eine Fotovoltaikanlage, an der wir unsere Kamera aufladen können. Während wir essen, beobachten uns die Indigenen verstohlen. Die meisten von ihnen sprechen kein Portugiesisch, die Ka‘apor vermeiden den Kontakt mit der Außenwelt.

Klaus Schenck im Gespräch mit den Kaapor Klaus Schenck (Mitte) im Gespräch mit den Ka‘apor (© Guadalupe Rodriguez)

Mit José und Itahu, dem Führer des Rates der Ka‘apor, setzen wir uns zusammen. Seit gut zwei Jahren unterstützt Rettet den Regenwald die Ka‘apor. Die Indigenen, ihr Land und ihr Regenwald sind massiv bedroht. Mit Spenden des Vereins vermessen sie ihr Gebiet mit GPS, teilen es in Schutzzonen ein und erstellen Karten.

„Der brasilianische Staat schützt uns nicht, wir müssen das selbst machen und dafür Strategien entwicklen“, sagt Itahu. Währenddessen färben sich fünf junge Männer mit Ruß die Gesichter schwarz. Damit sehen sie bedrohlicher aus und sind schwieriger zu identifizieren. Mit Lanzen und Flinten bewaffnet besteigen sie Motorräder und verschwinden zur Patrouille knatternd im Wald.

„Endemie-Zentrum von Belém“

Ein Kaapori-Kappuzineraffe klettert auf einem Zweig herum Endemisch und kritisch bedroht: Ka‘apori-Kapuzineraffe (© CC BY-SA 4.0)

Im Westen des Bundesstaates Maranhão und Nordosten von Pará liegt eines der insgesamt acht sogenannten „Endemie-Zentren” Amazoniens. Das sind Gebiete mit einer hohen Zahl nur dort vorkommender Arten. Das Endemie-Zentrum von Belém ist am meisten bedroht, weil nur noch 20% erhalten sind. Der Regenwald der Ka‘apor und vier weitere indigene Territorien sowie ein staatliches Schutzgebiet bilden die letzten Flächen. Deren Erhalt ist daher nicht nur für die Indigenen enorm wichtig, sondern auch für die Artenvielfalt.

 „Holzfäller haben am Rande des Territoriums Bäume gefällt“, erklärt Itahu. „Unsere Patrouille wird den Ort inspizieren und dem illegalen Treiben ein Ende setzen. Es könnte gefährlich werden, mehrere Ka‘apor wurden in den letzten Jahren ermordet.“

„CO2-Zertifikate bedrohen unseren Regenwald“

Dann setzt sich Itahu mit einigen Dokumenten an einen Laptop. „Die Behörden diskriminieren uns Indigene systematisch, indem sie versuchen, unsere Herkunft auszulöschen. Sie tragen bei unseren Neugeborenen einfach portugiesische Namen in die Geburtsurkunden ein. Dann können Politiker wie Bolsonaro behaupten, es gäbe kaum Indigene. Wir gehen daher mit den Dokumenten noch einmal zum Amt und verlangen die Korrektur.“

Collage Kaapor Guadalupe Rodríguez (2.v.l.) am Grab von Sarapo Ka‘apor - José Mendes vor dem Gebietsschild der Ka‘apor (r.) (© RdR/ Klaus Schenck)

Am nächsten Morgen gibt Itahu Journalisten ein Interview. „Uns bedrängen Organisationen, die mit CO2-Zertifikaten Geschäfte machen“, sagt er. „Sie wollen unseren Regenwald als Ausgleich verkaufen, damit Firmen in Europa und den USA weiter fossile Energien verbrennen können. Uns bedrohen diese Projekte, wir wollen da nicht mitmachen.“

Wir müssen schon wieder abreisen. Unser Besuchsprogramm in Brasilien ist eng, wir wollen insgesamt 15 Partnerorganisationen und Gebiete in Brasilien besuchen. Um uns selbst ein Bild zu machen von den Menschen, mit denen wir zum Teil seit vielen Jahren zusammenarbeiten.

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Kaapor im Amazonas-Regenwald © Andrew Johnson

 

 

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