Ampel-Koalition verspricht Kampf gegen Einschüchterungsklagen
06.12.2021
Die Koalitionsparteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP wollen Einschüchterungsklagen einen Riegel vorschieben. Im Koalitionsvertrag heißt es, man unterstütze „europaweit Maßnahmen gegen Einschränkungen der Freiheitsrechte (…) durch missbräuchliche Klagen“. Jetzt kommt es darauf an, dass die neue Regierung dies nicht auf Journalist:innen beschränkt und über die EU hinaus auf Bundesebene handelt.
Petition: Bitte unterschreiben Sie, falls Sie es noch nicht getan haben.
Ein Bündnis aus Umweltschutz- und Medienorganisationen, darunter Rettet den Regenwald e.V. und das Umweltinstitut München e.V., begrüßt das Vorhaben der Ampel-Koalition als wichtigen Meilenstein im Kampf gegen so genannte SLAPPs (Englisch für „strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“). Sie fordern die neue Bundesregierung auf, auch auf nationaler Ebene Vertreter:innen einer kritischen Öffentlichkeit vor juristischen Ohrfeigen und existenzgefährdenden Klagenzu schützen.
Die Vereinbarung, gegen missbräuchliche Klagen (SLAPP, Strategic Lawsuits against Public Participation) vorzugehen, findet sich im Kapitel „Kultur und Medienpolitik“ des Koalitionsvertrags.
Mit SLAPP wird eine rechtsmissbräuchliche Form von Klagen bezeichnet, mit denen Kritiker:innen eingeschüchtert und ihre Kritik aus der Öffentlichkeit verbannt werden soll. Betroffen sind meist Personen, Medien und Organisationen, die im öffentlichen Interesse auf Missstände hinweisen. Sie sollen mit langen und zähen Prozessen psychologisch zermürbt, finanziell ruiniert und an ihrer Arbeit gehindert werden.
So muss sich die Umweltschutzorganisation Rettet den Regenwald e.V. vor dem Hamburger Landgericht gegen den SLAPP des indonesischen Palmöl-und Holzkonzerns Korindo verteidigen.
Karl Bär, aktuell wegen seines Bundestagsmandats freigestellter Agrar-Referent des Umweltinstituts München, steht in einem SLAPP-Verfahren in Italien vor Gericht, weil er mit einer satirischen Plakataktion den Pestizideinsatz im Südtiroler Apfelanbau öffentlich kritisiert hatte.
Das Internetportal für Informationsfreiheit FragDenStaat wurde vom Hohenzollernprinz Georg Friedrich von Preußen verklagt, der regelmäßig mit Abmahnungen und Klagen gegen ihm unerwünschte Berichterstattung vorgeht - unter anderem auch gegen die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten Union dju in ver.di.
„SLAPPs bedrohen die Arbeit von Naturschutzorganisationen fundamental und stellen die Realität auf den Kopf: Umweltschützer sitzen auf der Anklagebank und nicht die Firmen, die Wälder vernichten. Die Täter missbrauchen deutsche Gerichte“, sagt Bettina Behrend, Erste Vorsitzende von Rettet den Regenwald: „Es ist daher ermutigend, wenn sich die kommende Bundesregierung gegen SLAPPs und für Aktivisten stark macht. Wichtig ist, dass der Schutz gegen SLAPPs nicht allein für Journalisten wirkt, sondern für alle Organisationen und Personen, die sich für das Gemeinwohl stark machen.“
“Die Ampel will europaweit gegen SLAPPs kämpfen - wir nehmen sie beim Wort und erwarten, dass die neue Bundesregierung das Anti-SLAPP-Gesetz der EU unterstützen wird, das die EU-Kommission gerade ausarbeitet. Wichtig ist: Auch wenn die Ampel SLAPPs im Kapitel ‘Kultur und Medienpolitik” den Kampf ansagt: Diese juristischen Attacken betreffen nicht nur Medienschaffende, sondern auch NGOs, Aktivist:innen und alle anderen, die im öffentlichen Interesse Missstände benennen. Um all diese Personen effektiv zu schützen, muss die Ampel auch auf nationaler Ebene Maßnahmen gegen SLAPPs erlassen!”, sagt Veronika Feicht, Referentin für Agrarpolitik am Umweltinstitut München.
Erst vor wenigen Wochen stimmte das EU-Parlament mit großer Mehrheit einem Initiativbericht zu, der die EU-Kommission dazu aufruft, gegen Einschüchterungsklagen gegen Medien, Zivilgesellschaft und Nichtregierungsorganisationen vorzugehen. Die EU-Kommission will im Jahr 2022 eine Anti-SLAPP-Initiative vorstellen, die unter anderem eine EU-Richtlinie zum Ziel hat.
Eine Petition, die von Rettet den Regenwald e.V. und dem Umweltinstitut München initiiert wurde, wurde bereits von 98.618 Personen unterzeichnet.