Orang-Utans zwischen Realität und Wahn

Ein männlicher Orang-Utan fasst sich an den Kopf und blickt nachdenklich in die Ferne Einer der letzten Borneo-Orang-Utans (© flickr/CIFOR (CC BY-NC-ND 2.0)) Pongo tapaluniensis Der seltenste Orang-Utan (© Tim Laman/CC BY 4.0)

12.10.2022

In zehn Jahren wird es nur noch 80.000 Borneo-Orang-Utans geben, 210.000 weniger als vor fünfzig Jahren. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie aus der Primatenforschung. Doch die Forstministerin widerspricht und verbannt Forscher aus Nationalparks.

Die Zukunft unserer Vettern und Kusinen, der Orang-Utans, sieht düster aus. Auf Borneo, der drittgrößten Insel der Welt, lebten vor einem halben Jahrhundert (1973) nach Angaben der Weltnaturschutzunion IUCN 288.500 Orang-Utans. Zu der Zeit war Borneo zur drei Vierteln von dichtem Regenwald bedeckt. Ab den 1980er Jahren setzte der Ansturm auf Tropenholz ein. Erste Ölpalmplantagen entstanden.

1999 bewohnten noch rund 250.000 Orang-Utans die Regen- und Torfmoorwälder Borneos. Brutale Abholzung, anfangs für Tropenholz, seit 25 Jahren hauptsächlich für Palmöl, aber auch für Papier, Kohle und Landspekulation, dezimiert seither das Habitat der Borneo-Orang-Utans (Pongo pygmaeus). Dazu kommen Brandrodung und die Brände der ausgetrockneten Böden in den Sommermonaten.

2010 waren 30% des Regenwaldes Borneos zerstört, das ergab die Studie Four Decades of Forest Persistence, Clearance and Logging on Borneo (2014).

2012 verzeichnet die Rote Liste der IUCN nur noch 104.700 Individuen des Pongo pygmaeus. Das entspricht einem Rückgang von 64% innerhalb von vierzig Jahren. Das kann ein Hinweis darauf sein, dass vor allem die Regionen mit Orang-Utan-Populationen unter dem Agrarbusiness zu leiden haben.

2032 werden auf Borneo 26.000 Orang-Utans weniger leben können als heute, etwa ein Viertel der heutigen Population. Das sagt eine im Juli 2022 in der Fachzeitschrift Perspectives in Ecology and Conservation veröffentlichte Studie voraus. Diese Zahlen beruhen auf aktuellen Modellrechnungen auf der Basis der Entwaldung zwischen 2001 bis 2017 und unter Berücksichtigung komplexer Parameter.

Öffentlich zugänglich ist die Studie Deforestation projections imply range-wide population decline for critically endangered Bornean orangutan über ScienceDirect. Die Forscherinnen und Forscher sind renommierte Wissenschaftler aus Deutschland, England, Brunei, Frankreich, USA, Niederlande und Portugal.

 

Wenn nicht umgehend dafür gesorgt wird, dass die Entwaldung Borneos komplett gestoppt wird, dann wird es in zehn Jahren weniger als 80.000 Individuen geben.

Andere, frühere Studien sind zu ähnlichen Ergebnissen gekommen: die Populationen der drei Orang-Utan-Arten - Borneo-Orang-Utan, Sumatra-Orang-Utan und Tapanuli-Orang-Utan – schrumpfen. Und innerhalb einzelner Populationen sinkt die Bevölkerungszahl. Alle Forschungsergebnisse zeigen die gleiche Tendenz.

Am Welt-Orang-Utan-Tag erklärte die Ministerin für Umwelt und Forsten, Siti Nurbaya Bakar, dass der Lebensraum der Orang-Utan bewahrt werden müsse. Sie behauptete jedoch, keine der drei Arten sei vom Aussterben bedroht, im Gegenteil würden ihre Populationen sogar wachsen.

Erik Meijaard and Julie Sherman, zwei bekannte Primatenforscher, widersprachen dieser Auffassung in The Jakarta Post: orangutan conservation needs agreement on data and trends. Worauf die Ministerin die Verwaltungen der Nationalparks anwies, einer Reihe von Wissenschaftlern den Zutritt zu verwehren.

 
  • Der Sumatra-Orang-Utan (Pongo abelii) wird von der IUCN als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft. Noch gibt es 14.000 Tiere, die meisten im Leuser-Ökosystem.
  • Der Tapanuli-Orang Utan (Pongo tapanuliensis) kommt nur im Batang-Toru-Wald in Nord-Sumatra vor. Dort leben etwa 800 Tiere.

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