Baustelle im Wald der Tapanuli-Orang-Utans
14.06.2023
Die Tapanuli-Orang-Utans sind in höchster Gefahr. Trotz weltweiter Proteste gehen die Baumaßnahmen im Batang-Toru-Wald auf Sumatra weiter. Hier entsteht ein Wasserkraftwerk.
„Früher“, so berichten die Menschen in Nord-Sumatra, „haben wir selten Tapanuli-Orang-Utans gesehen.“ Heute aber kommen die Menschenaffen bis in die Obsthaine um die Dörfer. Am liebsten essen sie Durian, die Königin der Früchte. Beginnen sie die Scheu vor Menschen zu verlieren oder haben sie Hunger?
„Früher“ bedeutet vor dem Beginn der Bauarbeiten für ein Wasserkraftwerk im Batang-Toru-Wald. Nur hier leben die Tapanuli-Orang-Utans, die seltensten Menschenaffen der Welt. Höchstens 800 Individuen gibt es noch. Sie sind vom Aussterben bedroht, wenn sie nicht schnell und konsequent geschützt werden.
Der Bau des Wasserkraftwerks kommt einem Todesurteil gleich. Das Unternehmen North Sumatra Hydro Energy (NSHE) baut einen Staudamm und einen 66 Hektar großen Stausee mitten im Batang-Toru-Wald südlich des Toba-Sees. Für Becken, Kraftwerk und weitere Infrastruktur sind 447 Hektar vorgesehen, wie aus der Umweltverträglichkeitsprüfung hervorgeht. Insgesamt hat NSHE 6.599 Hektar Wald in Konzession erhalten.
Der Batang-Toru-Wald ist 241.000 Hektar groß, davon haben 148.000 Hektar Schutzstatus. Bis 1.700 Meter hohe Berge erheben sich über einem tiefen Flusstal, das den Wald in zwei Blöcke teilt. Das Wechselspiel aus Sumpf-, Torf-, Nebel-, Regen- und Bergwald bietet den Tapanuli-Orang-Utans ein perfektes Zuhause, und um den Fluss ist die Orang-Utan-Dichte besonders hoch. Genau in diesem Flusstal entstehen Kraftwerk und Staudamm.
Der Aufschrei aus dem Umweltschutz und der Wissenschaft war riesig. Die globalen Proteste, darunter auch unsere Petition mit fast 400.000 Unterschriften, zahlreiche Proteste in Indonesien und weltweit konnten den Bau des Kraftwerks nicht stoppen, aber wenigstens ausbremsen. Die Bank of China sah sich zwischenzeitlich veranlasst, die Finanzierung des Staudamms einzufrieren.
Doch die Sprengungen und der Bau von Straßen gehen, wenn auch langsamer, weiter. Die Fertigstellung, geplant für 2022, soll sich um einige Jahre verzögern. Aktuell sind 11-15% (statt der geplanten 100%) des Projektes fertiggestellt. Es ist dringender denn je, laut zu werden.
Mindestens 150 Hektar Wald sind bisher vernichtet worden. Der Donner der Sprengungen schreckt die Tiere und auch die Menschen. Steinschlag und Erdrutsche sind häufig. Arbeiter sind zu Tode gekommen. Golfrid Siregar, ein junger Rechtsanwalt der Umweltorganisation WALHI, der Korruptionsverdacht im Zusammenhang mit dem Genehmigungsverfahren nachgegangen ist, wurde mutmaßlich umgebracht.
Die Arbeiten haben bereits zur Fragmentierung der Populationen geführt. Die Tapanuli-Orang-Utans bewegen sich in den Bäumen, sie laufen nicht gern auf der Erde. Jede Schneise in den Wald trennt die Populationen, erst recht der Staudamm. Daher kommen die Orang-Utans, ebenso wie andere Affen, heute bis in die Dörfer, Gärten und auf die Felder.
Viele Einwohner, auch diejenigen, die dem Wasserkraftwerk bisher gleichgültig oder gar wohlwollend gegenüberstanden, weil sie sich einen Arbeitsplatz erhofften, sind enttäuscht und lehnen das Projekt jetzt ab. Sie berichten von Begegnungen mit Wildtieren und vom Rückgang ihrer Ernten. Sie berichten auch von Betrug. Denn ihre früher positive Haltung war mit Versprechen erkauft worden. Stattdessen aber hat das Unternehmen nicht nur Wald vernichtet, sondern den indigenen Batak auch Land geraubt.
„Wer die Tapanuli-Orang-Utans stört“, so sagen die Menschen von Batang-Toru, „wird Unheil erleben.“ Denn die Orang-Utans sorgen für das ökologische Gleichgewicht.
Und nicht nur das: Am Beispiel des Tapanuli-Orang-Utans sehen wir, dass wir Arten vernichten, bevor wir sie überhaupt kennenlernen können. Denn erst im November 2017 fanden Wissenschaftler-Teams heraus, dass der Tapanuli-Orang-Utan keine Unterart des Sumatra-Orang-Utans ist, sondern eine eigene, dritte Art dieser einzigen Menschenaffen Südostasiens. Diese Entdeckung zeigt uns, wie wenig wir über unsere nächsten Verwandten im Tierreich wissen.
„Wenn nur acht von 800 Tieren pro Jahr getötet werden, können sie nicht überleben“, so die Forscher. Auch deshalb muss der Tapanuli-Wald unbedingt geschützt werden.
Unterschreiben Sie unsere Petition, wenn sie es noch nicht getan haben.
Aktuelle indonesische Videos (2023)
Green Justice Indonesia Batang Toru: The Last Breath, 47 min, Indonesisch mit englischen Untertiteln https://www.youtube.com/watch?v=9v8_63-AYwM&t=61s
Indonesische Umweltjournalisten Cacat PLTA Batang Toru, 9 min, Indonesisch https://www.youtube.com/watch?v=9FpE52jZCKI
CNN Indonesia Untung-Buntung PLTA Batang Toru, 27 min, Indonesisch https://www.youtube.com/watch?v=ldfKZ0Ph-w8