Brasilien: Wachleute des Palmölkonzerns Agropalma erschießen Indigenen

Hinweisschild des Palmölkonzerns Agropalma am Rande einer Ölpalmplantage Hinweisschild des Palmölkonzerns Agropalma am Rande einer Ölpalmplantage im brasilianischen Bundesstaat Pará im Amazonasregenwald. Übersetzung der Aufschrift: BETRETEN VERBOTEN - BESITZ DER GRUPPE AGROPALMA (© RdR/ Klaus Schenck)

21.11.2023

Im Zusammenhang mit Landkonflikten des Palmölkonzerns Agropalma im Amazonasregenwald in Pará ist es zu einer weiteren Episode brutaler Gewalt gekommen. Durch Schüsse von Sicherheitskräften der Palmölfirma wurden am 10. November ein indigener Turiwara tödlich und mindestens zwei weitere Personen verletzt. Die Indigenen erheben schwere Vorwürfe gegen Agropalma und die brasilianischen Behörden.

Unsere Partnerorganisationen in Brasilien haben uns informiert, dass drei indigene Einwohner, Agnaldo da Silva Paz, Jonas und Zé Luís, am 10. November durch Schüsse von mutmaßlichen Sicherheitskräften des Palmölkonzern Agropalma verletzt wurden. Der 33-jährige Agnaldo sei vor Ort an den schweren Verletzungen verstorben, berichtet das Online-Portal BT+ und unsere Partnerorganisation Avispa Midia.

Der Tod des indigenen Mannes sei von den brasilianischen Bundesbehörden am 12. November bestätigt worden und die Bundespolizei habe Ermittlungen eingeleitet, informiert O Globo. Der Tatort liegt am Rande der Gemeindebezirke Acará und Tailândia im Amazonasgebiet des Bundesstaates Pará, wo sich die Palmölindustrie in Brasilien konzentriert.

Hintergrund der Gewalt sind die in dem Gebiet bestehenden Land- und Nutzungskonflikte. Die drei betroffenen Personen gehörten demnach zu einer Gruppe von etwa 50 Indigenen, die frühmorgens auf einem alten Pfad in Richtung eines ihrer noch bestehenden Regenwaldgebiete unterwegs waren, um dort nach Nahrung zu suchen.

Im August hatte Rettet den Regenwald das Gebiet besucht, sich mit der Bevölkerung getroffen und war durch die Anbaugebiete des Palmölkonzerns Agropalma gefahren.

Landflächen größer als Berlin

Agropalma wirbt mit 10 Labeln für angeblich biologisches, faires und nachhaltiges Palmöl und hat als Kunden 20 internationale Lebensmittel- und Handelskonzerne. Die Firmengruppe beansprucht 1.060 Quadratkilometer Land im Amazonasregenwald als ihr Eigentum, das ist wesentlich mehr als die Fläche von Berlin. Über ein Drittel davon ist gerodet und wurde in industrielle Ölpalmplantagen umgewandelt.

Den übrigen Teil hat die Firma zu einem privaten Schutzgebiet deklariert und betreibt dort sogenannte CO2-Offset-Projekte. Der brasilianische Verband für Anthropologie habe die Bundesstaatsanwaltschaft von Pará aufgefordert, eine Untersuchung des Kaufvertrags über Emissionsgutschriften einzuleiten, der zwischen Agropalma und der Firma Biofilia Ambipar Ambiental geschlossen wurde, berichtet Avispa Midia.

Ein großer Teil der Grundstücke von Agropalma stammt offenbar aus der unrechtmäßigen Aneignung von Landflächen im Staatsbesitz, von lokalen Gemeinden und von ansässigen Kleinbauernberichtet Publica. Agropalma wird des Landraubs beschuldigt und 58 Tausend Hektar Land wurden von der Justiz annulliert, betitelt das Online-Portal Ver O Fato einen ausführlichen Hintergrundartikel über den Palmölkonzern.

Die in dem Gebiet lebende angestammte Bevölkerung fordert die Rückgabe ihrer traditionellen Territorien und Nutzungsrechte. Dazu gehören die indigenen Turiwara, Quilombola-Gemeinden und Riberinhos.

Indigener Führer erhebt schwerwiegende Vorwürfe

Gegenüber Ver-O-Fato erklärt ein anonym gehaltener indigener Führer vom Tathergang und weiteren schweren Vergehen:

"Mitten auf dem Weg erschien ein Pick-up mit fünf Sicherheitsleuten, die sich als Polizisten ausgaben, mit Gewehren ausstiegen und Tränengas einsetzten. Mitten in der Verwirrung begannen sie auf uns zu schießen, töteten Agnaldo und verwundeten Jonas und Zé Luís", zitiert Ver-O-Fato den Zeugen.

Die Sicherheitskräfte hätten die Motorräder der Indigenen beschädigt und sogar das Mobiltelefon des toten Indigenen gestohlen. Nach dem Angriff seien weitere Sicherheitskräfte eingetroffen und hätten die Straße gesperrt, so dass die Gruppe bis zum Einbruch der Dunkelheit ohne Hilfe, Nahrung oder Wasser festsaß, so Ver-O-Fato weiter.

"Erst bei Einbruch der Dunkelheit gelang es mir, der Belagerung durch die Sicherheitskräfte zu entkommen und durch den Wald zu laufen, bis ich gegen 23 Uhr das Dorf Forquilha erreichte, wo ich um Hilfe bat. Ein Krankenwagen wurde zum Ort geschickt, aber die Sicherheitskräfte von Agropalma ließen sie nicht hinein und sagten, es gäbe keine Verletzten oder Toten", so der indigene Führer weiter.

Vom Dorf Forquilha sei er weiter per Anhalter in das Dorf Palmares gefahren und zur Militärpolizei gegangen. Ein Fahrzeug sei zu dem Ort gefahren, aber auch hier hätten die Sicherheitskräfte gesagt, dass nichts Ungewöhnliches passiert sei. Die Militärpolizisten hätten darauf verzichtetet, das Gebiet zu betreten.

Sowohl die Militärpolizei als auch die Zivilpolizei sollen sich geweigert haben, die Indigenen zu unterstützen, weil sie das Land des Unternehmens nicht ohne Genehmigung betreten dürften. Agropalma seinerseits soll die Polizei durch seine Sicherheitskräfte belogen haben. Erst nach langem Drängen auf der örtlichen Zivilpolizeiwache soll die Polizeibehörde die Überführung der Leiche von Agnaldo da Silva Paz in das gerichtsmedizinische Institut in Tucuruí veranlasst haben.

Agropalma erklärte gegenüber den brasilianischen Medien, die Firma warte darauf, dass die zuständigen Stellen den Sachverhalt untersuchen. Die Firma stünde den Behörden zur Verfügung und kooperiere bei den Ermittlungen.

Klagen über Behinderung der angestammten Wegerechte

Die Bundestaatsanwaltschaft von Pará hat laut BT+ mitgeteilt, dass sie eine Ermittlung zu den Vorwürfen eingeleitet habe, wonach Agropalma die Wegerechte der indigenen Gemeinschaften und die Ausübung ihrer angestammten Aktivitäten wie Fischfang und Landwirtschaft behindere. Den Strafanzeigen nach habe die Firma die Landflächen abgrenzt und verbiete es der indigenen Bevölkerung, diese für ihre traditionellen Aktivitäten auf ihrem angestammten Territorium zu durchqueren. Sogar den Fluss Acará versperre die Firma mit Barkassen.

Agropalma erwidert dagegen, man habe keine Kenntnis von der Existenz indigener Gemeinschaften auf ihren Grundstücken. Agropalma sei es wichtig, klarzustellen, dass Landansprüche ein direkter Prozess zwischen den klagenden Gemeinschaften und der Regierung sind und das Unternehmen nicht involviert sei.

Rettet den Regenwald fordert die zuständigen brasilianischen Behörden auf, die Umstände des tödlichen Überfalls zu ermitteln, die Täter und deren Hintermänner vor Gericht zu stellen und die Verantwortung der Firma für die tödliche Gewalt restlos aufzklären. Weiterhin muss auch den Aussagen des indigenen Führers gegenüber Ver-O-Fato nachgegangen werden. Dazu gehören mögliche Vergehen des Personals von Agropalma wie unterlassene Hilfeleistung mit Todesfolge, Amtsanmaßung, Entführung von circa 50 Indigenen, Behinderung der angestammten Wegerechte, Beschädigung und Diebstahl von Privateigentum, Behinderung der Behörden und falsche Aussagen.

Außerdem muss die Untätigkeit der zuständigen Polizeistellen untersucht und verfolgt werden. Grundsätzlich müssen der lokalen Bevölkerung ihre angestammten Territorien zurückgegeben und ihr dafür Landtitel erteilt werden.


  1. berichtet das Online-Portal BT+BT+ 2023. Indígena morre baleado por seguranças de empresa em Tailândia, denuncia etnia Turiwara: https://btmais.com.br/indigena-morre-baleado-por-segurancas-de-empresa-em-tailandia-denuncia-etnia-turiwara/

  2. unsere Partnerorganisation Avispa MidiaAvispa Midia 2023. Seguridad de empresa de palma africana asesina a indígena en la Amazonía: https://avispa.org/seguridad-de-empresa-de-palma-africana-asesina-a-indigena-en-la-amazonia/

  3. informiert O Globo O Globo 2023. PF abre inquérito para investigar morte de indígena em área de produção de óleo de palma no Pará:https://g1.globo.com/pa/para/noticia/2023/11/12/pf-abre-inquerito-para-investigar-morte-de-indigena-em-area-de-producao-de-oleo-de-palma-no-para.ghtml

  4. berichtet Avispa MidiaAvispa Midia 2023. Agropalma es investigada en Brasil por querer lucrar con bosques en la Amazonía: https://avispa.org/agropalma-es-investigada-en-brasil-por-querer-lucrar-con-bosques-en-la-amazonia/

  5. berichtet PublicaPublica (2022). Com inércia do governo, empresas do dendê avançam sobre terras públicas da Amazônia: https://apublica.org/2022/08/com-inercia-do-governo-empresas-do-dende-avancam-sobre-terras-publicas-da-amazonia/

  6. Online-Portal Ver O FatoVer O Fato (2022). BOMBA – Acusada de grilagem e com 58 mil hectares cancelados pela justiça, Agropalma está à venda: https://ver-o-fato.com.br/bomba-acusada-de-grilagem-e-com-58-mil-hectares-cancelados-pela-justica-agropalma-esta-a-venda/

  7. Quilombola-GemeindenSiedlungen der Nachfahren ehemals versklavter Menschen aus Afrika

  8. Riberinhos.Kleinbauern, die entlang der Flussufer leben

  9. Ver-O-Fato Ver-O-Fato 2023. URGENTE – Seguranças da Agropalma matam um indígena e ferem outro no Vale do Acará: https://ver-o-fato.com.br/urgente-segurancas-da-agropalma-matam-um-indigena-e-ferem-outro-no-vale-do-acara/

  10. laut BT+BT+ 2023. MPF e Polícia Federal investigam caso de morte de indígena Turiwara em Tailândia, no Pará: https://btmais.com.br/mpf-e-policia-federal-investigam-caso-de-morte-de-indigena-turiwara-em-tailandia-no-para/

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