Das Ende eines Quilombos
16.05.2024
In Brasilien soll ein privater Exporthafen fast komplett das Gebiet einer Gemeinde auf einer kleinen Insel im Atlantik einnehmen. Die Betreiberfirma ist mit ihren Plänen im Bundesstaat Maranhão schon weit fortgeschritten und hat erste Vorgenehmigungen von den Behörden eingeholt. Der Haken dabei: Die dort lebenden Einwohner wissen von all dem nichts.
Diese Reportage wurde von Rettet den Regenwald e.V. und der Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstützt und im Original auf Portugiesisch am 29. April 2024 von The Intercept Brasil veröffentlicht: https://www.intercept.com.br/2024/04/29/megaporto-e-ferrovia-ocuparao-87-de-territorio-quilombola-no-maranhao-mas-moradores-nao-sabem
Von Felipe Sabrina
Das Landschaftbild der Insel Cajual im brasilianischen Bundesstaat Maranhão könnte sich bald verändern. Der Wald und die Babassu-Palmen sollen durch bis zu 350 Meter lange Frachtschiffe ersetzt werden, um Tausende Tonnen Eisen, Kupfer, Soja, Mais und andere Rohstoffe nach China, in die Vereinigten Staaten und nach Europa zu transportieren.
Bis 2027 sollen die kilometerlangen Strände und Mangroven einem Hafenkomplex mit Eisenbahnlinien, Umspannwerken und Lagerhallen weichen. Dort werden dann 1.800 Arbeiter Tag und Nacht auf der zum Gemeindebezirk Alcântara gehörenden Insel Cajual arbeiten, die in der Bucht von São Marcos am Atlantik liegt.
So sieht jedenfalls die Vision der drei in Brasilien eingebürgerten Portugiesen Paulo Salvador, Nuno da Mota e Silva und Nuno Martins von der Firma Grão-Pará Maranhão (GPM) aus. Sie wollen für den geplanten privaten Hafenterminal Alcântara (TPA) und die private Gütereisenbahnlinie EF-317 fast 90 % des Gebietes des Dorfes Vila Nova do Cajual in Beschlag nehmen. Lesen Sie dazu auch unseren Artikel "Brasilien: Schienen- und Hafenbau mit deutscher Beteiligung bedroht Mensch und Natur".
"Ein Vorhaben von diesem Ausmaß löscht in der Praxis das Quilombola-Gebiet aus. Es macht den Schutz des Gebietes völlig unmöglich", erklärt Yuri Costa, Pflichtverteidiger der Bundesstaatsanwaltschaft in Maranhão. Als Quilombolas bezeichnen sich in Brasilien die Nachfahren ehemals versklavter Menschen aus Afrika.
Das Projekt sieht den Transport von Agrarprodukten wie Soja und Bergbaurohstoffen vor. In der von der Betreiberfirma GPM in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie ist Eisenerz jedoch das Haupttransportgut, das vom brasilianischen Bergbaukonzern Vale S.A. in der Mine Serra dos Carajás im Amazonasregenwald des benachbarten Bundesstaates Pará abgebaut wird.
Bisher wird das Erz einzig über die Carajás-Eisenbahn zum Hafenterminal Ponta da Madeira am Rande der Millionenstadt São Luís am Atlantik transportiert. Sowohl die Eisenerzbahn als auch der Verladehafen werden vom Vale-Konzern betrieben. Laut GPM ist das Projekt für eine weitere Eisenbahntrasse und einen weiteren Hafen auf der bisher unerschlossenen Insel Cajual auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht von São Marcos eine "Antwort auf die Notwendigkeit, die künftige Nachfrage nach Eisenerzexporten über einen Tiefwasserhafen zu befriedigen".
Die Insel Cajual ist Teil des Umweltschutzgebietes Reentrâncias Maranhenses, das von internationaler Bedeutung ist. Laut einem Bericht des brasilianischen Umweltinstituts IBAMA aus dem Jahr 2018 handelt es sich um eine "gut erhaltene" und sensible Umwelt, in der außerdem noch Fossilien von Dinosauriern zu finden sind, die vor rund 95 Millionen Jahren in der Region lebten.
Video: Kurzreportage über die Auswirkungen des Schienen- und Hafenprojekts von GPM auf die Einwohner der Insel Cajual und umgebenen Gemeinden (auf Portugiesisch, Länge 5 min.)
Die Insel Cajual ist aber auch angestammtes Quilombola-Gebiet, in dem 51 Familien vom Fischfang, Ackerbau und der Kleintierzucht leben - eine Lebensweise, die sie von ihren Vorfahren geerbt haben, die vor mindestens drei Jahrhunderten als Sklaven in die Gegend geschafft wurden.
Schon vor fast zwanzig Jahren haben die Einwohner die Anerkennung des Gebiets als Quilombola durch das Nationale Institut für Kolonisierung und Agrarreform (INCRA) und das Sekretariat für die Koordinierung und Verwaltung von Bundesvermögen in Maranhão beantragt. Ähnlich wie die indigenen Völker genießen die Quilombolas besondere Rechte in der Verfassung des Landes und haben den Anspruch auf die gemeinschaftliche Anerkennung ihrer angestammten Landflächen.
Doch das Verfahren zieht sich seit 2007 hin - dabei ist es die einzige Möglichkeit, den Familien eine endgültige Anerkennung ihrer Landrechte zu ermöglichen. Weil das Verfahren offensichtlich verschleppt wird, reichte das Büro des Pflichtverteidigers von Maranhão im vergangenen Jahr eine öffentliche Zivilklage gegen die Behörde ein, um die Vergabe von Landrechten an die Quilombos einzufordern.
Jedoch hat die Vereinigung der Bewohner von Vila Nova Ilha do Cajual bereits 2017 mit GPM einen Vertrag unterzeichnet, der die Nutzung von mehr als 14 Millionen Quadratmetern des Gebietes - das entspricht 1.400 Fußballfeldern - für die Errichtung und den Betrieb des Hafens vorsieht. Der Vertrag, der im Namen der gesamten Gemeinde geschlossen wurde, gilt für einen unbestimmten Zeitraum.
Der Hafen wird 87 Prozent des Gebiets der Quilombola einnehmen
Nun steht die Gemeinde wohlmöglich kurz vor dem Baubeginn, ohne dass die erforderlichen rechtlichen Konsultationen vorliegen. Am 2. Januar erklärte das Umweltinstitut IBAMA, die für die Erteilung bzw. Nichterteilung von Genehmigungen für das Projekt zuständige Bundesbehörde, dass GPM noch nicht alle Unterlagen vorgelegt habe, in denen die sozialen und ökologischen Auswirkungen des Bauvorhabens im Einzelnen dargelegt sind.
Das Quilombola-Territorium der Ilha do Cajual nimmt nach Angaben des Ländlichen Umweltregisters (CAR) eine Fläche von etwas mehr als 1.630 Hektar ein, was 1.630 Fußballfeldern entspricht. Ein Abgleich der geografischen Koordinaten der Fläche des künftigen Hafens mit denen des Quilombola-Gebiets zeigt, dass die Vereinigung der Einwohner die Zerstörung von mehr als 87 Prozent ihres angestammten Landes für die Errichtung des Hafenterminals von Alcântara zugestimmt hat. Zu dem Gebiet, das zerstört werden soll, gehören Häuser, eine Grundschule, Äcker und ein Naturschutzgebiet.
Für Danilo Serejo, Politikwissenschaftler und Mitglied der Bewegung der von der Raumfahrtbasis Alcântara betroffenen Menschen (Mabe), ist die Insel zu klein für eine Entwicklung dieser Größenordnung. "Auch wenn der Hafen zunächst nur eine minimale Arbeitsstruktur benötigt, ist bei einer solchen Entwicklung zu erwarten, dass mit steigender Nachfrage mehr Flächen benötigt werden. Die Gemeinde wird unweigerlich wegziehen müssen", sagt er.
Auf Nachfrage von The Intercept Brasil erklärte der Generaldirektor von Grão-Pará Maranhão, Paulo Salvador, dass das Projekt "nur 20 % der Gesamtfläche der Ilha do Cajual" einnehmen und dass der Baubeginn und der Betrieb des Projekts zwei bis drei Jahre dauern werde, je nach den behördlichen Genehmigungs- und Zulassungsverfahren.
Auf die Frage, wohin die Familien umgesiedelt werden sollen, da das Projekt in einem großen Teil des Quilombo-Gebiets einnimmt, antwortete Unternehmer Salvador, dass die Entscheidungen über die Gestaltung des Projekts und seine Auswirkungen auf die Gemeinde "gemeinsam getroffen werden, wobei versucht wird, die Bedürfnisse des Terminals mit der Lage der verschiedenen bestehenden Wohnsiedlungen in Einklang zu bringen".
Die Eisenbahntrasse durchquert die Gemeinde, aber die Bewohner wissen es nicht
Die zum Projekt GPM gehörende geplante Eisenbahnstrecke ist 520 Kilometer lang und durchquert mindestens 22 Gemeinden im Bundesstaat Maranhão, wie aus dem Streckenverlauf hervorgeht, den das Unternehmen den Regierungsbehörden vorgelegt hat. Sie führt durch mehr als ein Dutzend ländliche Siedlungen und verläuft an einigen Stellen nur knapp über 10 Kilometer entfernt von indigenem Land.
In einer der von GPM erstellten Karten über die Auswirkungen ist der Quilombo Tanque de Valença in der Gemeinde Matinha nicht verzeichnet, obwohl er von der Bahnlinie in zwei Hälften geteilt wird. Bei einem Besuch der Gemeinde im August letzten Jahres wusste keiner der angesprochenen Bewohner von dem Bauvorhaben.
Für Danilo Serejo sind die sozio-ökologischen Auswirkungen der Eisenbahn noch schlimmer als die des Hafens. "Die Bevölkerung wird dem Eisenerzstaub ausgesetzt sein, was zu Atemwegs-, Haut- und Gesundheitsproblemen bei den Menschen und Gemeinden führen wird, die am Rande der Bahnstrecke liegen. Hinzu kommt das Problem der Lärmbelästigung, die Beeinträchtigung des freien Zugangs und des Verkehrs in dem Gebiet."
Als Gegenleistung für die Nutzung und Aneignung der Ressourcen der Insel Cajual bieten die portugiesischen Geschäftsleute den Einwohnern 51 Häuser mit sanitärer Grundversorgung, Wasser, Energie, eine Grundschule, einen Fußballplatz, einen Raum für religiöse Handlungen und einen Gesundheitsposten.
Es wird jedoch nicht angegeben, wo diese Bauwerke errichtet werden sollen. Der Vertrag besagt auch, dass die Partnervereinigung "für die Gewinne verantwortlich sein wird, die 6 Prozent des Unternehmens entsprechen, mit all ihren jeweiligen Vorteilen". Es gibt jedoch weder Informationen über die Bedingungen für die Gewinnbeteiligung noch über die "jeweiligen Vorteile".
Im März 2018, nur wenige Tage vor dem einjährigen Jubiläum der Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen dem Unternehmen und der Quilombola-Vereinigung, führten sechs IBAMA-Analysten eine technische Inspektion auf der Insel Cajual durch und sprachen mit den Bewohnern.
In ihrem Bericht wiesen die Beamten darauf hin, dass "bei der Befragung über das Projekt durch IBAMA festgestellt wurde, dass die Anwohner im Allgemeinen wenig Informationen über den richtigen Standort und die Auswirkungen, die das Projekt verursachen würde, hatten".
Anfang Februar erklärte die stellvertretende Vorsitzende der Quilombola-Vereinigung, Josilene Pereira Penha, auf die Frage von The Intercept, ob sie wisse, dass fast das gesamte Gemeindeland für die Erschließung des Hafens in Anspruch genommen werden würde:
"Wir, die wir auf diesem Land leben, sehen und hören Dinge, aber manchmal wissen wir nicht, wie wir sie analysieren sollen und was sie bedeuten". Penha ist eine der drei Personen aus der Vereinigung der Inselbewohner, die 2017 den Vertrag mit GPM unterzeichneten. Damals war sie die Generalsekretärin der Organisation.
Ihrer Antwort lässt sich entnehmen, dass sie weder umfassend über das Projekt informiert wurde noch dessen Auswirkungen kennt oder verstanden hat. Sie sagte, dass die derzeitige Präsidentin, Vanda Almeida Pereira - die 2017 Vizepräsidentin war - angewiesen wurde, kein Interview über das Projekt zu geben.
Paulo Salvador, Geschäftsführer von Grão-Pará Maranhão, erklärte, dass sich die Arbeiten noch in der Phase der Umweltgenehmigung befinden und dass die "Quilombola-Vereinigung von Ilha do Cajual per Gesetz das Recht auf die Nutzung des Territoriums der Insel habe, was von allen vor dem Genehmigungsverfahren konsultierten Stellen anerkannt wurde".
Er sagte auch, dass die Gemeinde ein Partner in dem Projekt und dass die Vereinigung sich ihrer Rolle bewusst sei, "wie wir in unseren monatlichen Treffen seit 2017 immer wieder festgestellt haben". Auch die im Vertrag vorgesehene Ausschüttung von 6 Prozent des Gewinns an die Quilombola-Vereinigung erfolge "wie bei jedem Aktionär ohne Verfallsdatum, solange das Hafenterminal positive Ergebnisse erziele".
Das Unternehmen hat die Stiftung Palmares nicht konsultiert und bekam grünes Licht von der Bundesbehörde
Das zwischen GPM und der Quilombola-Vereinigung unterzeichnete Partnerschaftsabkommen war ausschlaggebend dafür, dass die Unternehmer die Möglichkeit hatten, zwei Verträge mit der Bundesregierung zu unterzeichnen und das Genehmigungsverfahren einzuleiten.
Das Dokument über den Landbesitz und die Nutzungsrechte ist eine Anforderung der Bundesregierung an das Unternehmen GPM. Ohne dieses Dokument kann das Genehmigungsverfahren nicht eingeleitet werden.
Einem solchen Vertrag, der sich auf das Gebiet der Quilombola bezieht, sollte jedoch ein freier, vorheriger und informierter Zustimmungsprozess der von dem Projekt betroffenen Gemeinden vorausgehen, wie dies in der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation vorgesehen ist, die Brasilien unterzeichnet hat.
Yuri Costa, der Pflichtverteidiger, argumentiert, dass der von GPM geschlossene Vertrag gegen die nationalen und internationalen Richtlinien zu diesem Thema verstoße, "was theoretisch die gesamte Projektgenehmigungskette null und nichtig mache".
Im Dezember 2018, noch unter der Regierung von Brasiliens Ex-Präsident Michel Temer, unterzeichnete die Nationale Agentur für Wassertransport (ANTAQ) den Vertrag, mit dem GPM ermächtigt wurde, die Hafenanlage für eine private Nutzung für 25 Jahre zu bauen und zu betreiben, was verlängert werden kann.
Die juristische Abteilung von ANTAQ äußerte jedoch Bedenken hinsichtlich der Gültigkeit des Vertrags, der das Nutzungsrecht für das Land überträgt. Sie bezweifelte auch, dass die "Vereinigung der Inselbewohner die Legitimität besäße, den Vertrag im Namen der Quilombola-Gemeinschaft zu unterzeichnen".
Die Staatsanwaltschaft schlug ANTAQ daraufhin vor, die Palmares-Stiftung zu konsultieren, ein Gremium auf Bundesebene, das sich mit der öffentlichen Politik im Zusammenhang mit den Quilombola-Gemeinschaften befasst. ANTAQ folgte der Empfehlung nicht, und im Dezember 2018, einen Tag nach der Warnung, unterzeichnete der damalige Generaldirektor der Behörde, Mário Povia, den Beschluss zur Genehmigung des Baus.
Auf die Frage, warum die Palmares-Stiftung nicht konsultiert wurde, antwortete der derzeitige Direktor von ANTAQ, Alber Furtado de Vasconcelos Neto, dass dies nicht in den Zuständigkeitsbereich der Behörde falle:
"Wenn er [der Unternehmer] das Dokument hier abliefert, müssen wir ihm öffentliches Vertrauen schenken. Wenn das Dokument nicht gültig ist, ist das eine andere Diskussion. Er kann nicht anfangen, in einem Gebiet zu bauen, das ihm nicht gehört. Meine Aufgabe bei ANTAQ ist es nicht, Notare zu fragen, ob das Dokument korrekt ist, ob es in Ordnung ist, ob der Beamte es korrekt geschrieben hat. Jeder muss für sein Handeln geradestehen."
Für Danilo Serejo von der Bewegung der von der Raumfahrtbasis Alcântara betroffenen Menschen (Mabe) hat der Vertrag zwischen dem Unternehmen und der Vereinigung nur einen Effekt: Der Vertrag soll die Darstellung des Unternehmens bestätigen, dass GPM und die Gemeinde im Einvernehmen vorgehen. "Der Vertrag verstoße gegen die ILO-Konvention und damit gegen die Verfassung. Das Problem sei, dass der Vertrag die Darstellung des Unternehmens bestätige, was ein Vorgehen gegen das Projekt schwächt".
Serejo sagte, dass Mabe 2018 sogar die Bundesstaatsanwaltschaft kontaktiert habe, aber es keine Reaktion gegeben hätte. "Es muss gesagt werden, dass wir heute in Maranhão keine aktive Bundesstaatsanwaltschaft haben wie in den vergangenen Jahren. Die Situation mit dem Hafen auf Cajual hat sich nur deshalb so entwickelt, weil die Bundesstaatsanwaltschaft keine energischeren Maßnahmen ergriffen hat", sagte er.
Auf Nachfrage antwortete die Bundesstaatsanwaltschaft, dass GPM erklärt habe, bisher noch nicht in das Projektgebiet auf der Insel Cajual eingegriffen zu haben, da die Firma auf die Genehmigung des Umweltinstituts IBAMA warte. Die zivilrechtliche Untersuchung, die aufgrund der Beschwerde von Mabe eingeleitet wurde, sei eingestellt worden. Die Bundesstaatsanwaltschaft beantwortete weder konkrete Fragen zur Rechtmäßigkeit des zwischen dem Unternehmen und der Quilombola-Vereinigung geschlossenen Partnerschaftsvertrags noch zu den Auswirkungen auf die Gemeinde.
GPM drängt auf die Vergabe von Landtiteln für das Quilombola-Gebiet
Im Januar 2023 reichte die Bundesanwaltschaft von Maranhão eine öffentliche Zivilklage ein, in der sie die Bundesregierung aufforderte, die Titelvergabe für das Quilombola-Gebiet abzuschließen. GPM versuchte, sich als interessierte Partei in dem Verfahren zu qualifizieren, doch Richterin Bárbara Malta Araújo Gomes lehnte dies ab. In einer Entscheidung vom Dezember 2023 wies sie das Nationale Institut für Kolonisierung und Agrarreform (INCRA) an, die Titulierung des Gebiets innerhalb von sechs Monaten abzuschließen.
Laut Paulo Salvador, dem Vertreter von GPM, bestehe das Interesse des Unternehmens an der Teilnahme an dem Verfahren darin, "zusammen mit der Bundesstaatsanwaltschaft zur endgültigen Legalisierung der auf der Insel Cajual lebenden Quilombola-Gemeinschaft beizutragen.
Im November letzten Jahres begaben sich die Geschäftsleute von GPM und ihre Rechtsberater zum INCRA, "um für die Titulierung des [Quilombola-]Gebiets zu plädieren", wie der Leiter der Behörde, José Carlos Nunes Júnior, erklärte. Für ihn war das Motiv klar: "eine Einigung mit der Quilombola-Vereinigung für die Umsetzung dieses Hafens zu erreichen".
Der im April letzten Jahres vereidigte Superintendent hat die Quilombola-Einwohner der Insel Cajual noch nie getroffen. Auf die Frage, ob die Wiederaufnahme des Prozesses zur Landtitelvergabe nur auf die Bitte der portugiesischen Geschäftsleute hin erfolgte, antwortete dieser: "Unsere Haltung ist von der Gesellschaft geprägt".
Im Januar dieses Jahres legte INCRA Einspruch gegen die in der öffentlichen Zivilklage vom Richter festgesetzte Frist und Geldstrafe ein. Das Institut behauptete, dass ihm die Zeit, die Mittel und das Personal fehlten, um seiner Verpflichtung nachzukommen, obwohl sich das von der Gemeinde angestrengte Verfahren zur Landanerkennung bereits fast 20 Jahren hinzieht. Eine Entscheidung über die Berufung steht noch aus.
Für den Pflichtverteidiger Juri Costa führt das Hafenprojekt dazu, dass die Landtitelvergabe, die Rechtssicherheit für die Gemeinschaft garantieren könnte, undurchführbar ist.
In der Zwischenzeit sind seit Januar dieses Jahres Mitarbeiter des Unternehmens Virtú Ambiental auf der Insel Cajual, um die Bewohner zu besuchen und eine Umweltstudie durchzuführen.
"Wir werden mehrere Tage vor Ort sein, um den Gemeinden im Einflussbereich des Projekts zuzuhören", schrieb Isabella Pearce, eine der Partnerinnen des Unternehmens, auf Instagram. "Auf dieser Mission führen uns die lokalen Führer von Haus zu Haus und helfen uns, diesen breiten Dialog zu etablieren, weil sie wie wir die dringende Notwendigkeit sehen, die materiellen Lebensbedingungen zu verbessern und gleichzeitig die kulturelle Identität zu bewahren."
Der Ehemann von Isabella Pearce, Francesco Cerrato, ist ebenfalls Partner bei Virtú Ambientalund bis 2025 stellvertretendes Mitglied des Umweltrates des Bundesstaates Maranhão, CONSEMA.
Auf die Bitte um ein Interview erklärte Isabella Pearce, dass die Direktoren von GPM die legitimeren Ansprechpartner seien. Auch die ebenfalls kontaktierte Oberaufsichtsbehörde für Bundesvermögen in Maranhão und der Bürgermeister von Alcântara, Nivaldo Araújo, haben bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels noch keine Antwort gegeben.
Die Regierungen Temer, Bolsonaro und Lula gaben grünes Licht für den Bau des Hafens in dem Quilombola-Gebiet
Das Milliarden-Projekt von GPM, für das bereits zwei Bundesgenehmigungen erteilt wurden, umfasst eine Partnerschaft mit der Deutschen Bahn und wird von der brasilianischen Bundesregierung und der Regierung von Maranhão kräftig unterstützt.
Auch ohne die erforderlichen Genehmigungen für den Baubeginn haben die letzten drei brasilianischen Regierungen wichtige bürokratische Schritte unternommen, um den Bau zu ermöglichen:
Im Dezember 2021, während der Amtszeit von Jair Bolsonaro, erteilte das Infrastrukturministerium dem Unternehmen die Genehmigung, die 520 Kilometer lange Eisenbahnlinie EF-317 zu bauen und 99 Jahre lang zu betreiben. Sie soll den Hafen auf der Insel Cajual mit der Stadt Açailândia im Landesinneren von Maranhão verbinden.
Im März 2023, zu Beginn der dritten Regierung von Lula da Silva, veröffentlichte die Nationale Agentur für Wassertransport ANTAQ die erste Änderung des Hafenvertrags, mit der der Zeitplan für die Ausführung des Projekts aktualisiert und die Gesamtinvestitionssumme auf 4,7 Milliarden R$ (umgerechnet zirka 850 Millionen Euro) erhöht wurde.
Der Leiter des Sekretariats für wirtschaftliche Entwicklung und strategische Programme von Maranhão, José Reinaldo Tavares, rühmt sich seiner Bemühungen, das Projekt realisierbar zu machen. Er hat das Projekt bereits mit den Ministern für Verkehr, Renan Filho, für Integration und regionale Entwicklung, Waldez Góes, mit dem Vizepräsidenten der Republik und dem Minister für Industrie, Handel und Dienstleistungen, Geraldo Alckmin, besprochen.
"Wir haben uns auch mit einem der größten staatlichen Transportunternehmen der Welt, der Deutschen Bahn, getroffen und mehrere Gespräche geführt. Das Unternehmen GPM, das für das Projekt verantwortlich ist, arbeitet hart daran, dass die erste Phase des Projekts im Jahr 2024 beginnt", fügte er hinzu.
Die Deutsche Bahn wird den Bahnbetrieb leiten, erklärt Paulo Salvador, Geschäftsführer von Grão-Pará Maranhão. Das Management wird nach einem offenen System arbeiten, das es jedem Betreiber erlaubt, die Bahntrasse zu nutzen.
Das Verkehrsministerium teilte unterdessen mit, dass die Genehmigung für den Bahnbetrieb von der vorherigen Regierung unterzeichnet wurde und dass das Ministerium nach diesem Stadium "nicht mehr über die Verfahren entscheide". Das Ministerium für Häfen und Flughäfen reagierte nicht auf eine Bitte um ein Gespräch. Die Deutsche Bahn erklärte, sie wolle sich nicht zu dem Projekt äußern.