ALL Eyes on Papua
07.06.2024
„All Eyes on Papua“ geht in den sozialen Medien viral. Das Schwarz-weiß-Foto wurde in Indonesien bereits mehrere Millionen Mal geteilt. Junge Papuas hoffen, dass diese Bewegung zu echter Solidarität mit Papua führen wird.
„All Eyes on Papua” tauchte in den indonesischen Netzwerken plötzlich und für viele unerwartet auf. Der Slogan lehnt sich an den Hashtag #alleyesonrafah und das kurz zuvor viral gegangene Bild „All Eyes on Rafah” an, die auf die dramatische Situation in den Flüchtlingslagern im Gazastreifen hinweisen und die Trauer und Bestürzung der Nutzerinnen und Nutzer ausdrücken.
Der erste „All Eyes on Papua“-Post Anfang Juni 2024 war ein Aufruf zur Unterstützung zweier indigener Völker aus Papua. Am 27. Mai waren Vertreter der Awyu und der Moi in Jakarta, um vor Gericht gegen die Zerstörung ihrer Wälder durch Palmölunternehmen zu kämpfen.
Ihr Auftreten in traditioneller Kleidung - eine Performance mit Tanz, Musik, Gebet und Ritual - vor dem Gebäude des Obersten Gerichtshofs in Jakarta hat einen tiefen Eindruck hinterlassen.
Diese Erde habe ich aus Papua mitgebracht. Auf dieser Erde lebe ich. Noch nie habe ich anderen ihr Land geraubt."
Ihr Land aber haben ihnen Palmölunternehmen genommen, genehmigt vom Staat.
TV-Sender und Tageszeitungen berichten ausführlich. Videos, die einen guten Eindruck von den Aktionen der Awyu in Jakarta bieten:
Video VOA Indonesia - Voice of America, 5 Minuten
Video Kompas - Kompas, TV-Nachrichten, 3 Minuten
Rettet den Regenwald: Indigene aus Papua fordern Naturschutz - Video von 2023. Die Awyu fordern in Jakarta die Rückgabe ihres Landes. 1 Minute, mit deutschen Untertiteln
Rettet den Regenwald: Für den #Regenwald in #Papua - am 10. Mai 2023 in Jakarta: Papua aus zehn Gemeinden fordern die Anerkennung ihrer Wälder als Indigenenwald. 19 Sekunden
Die Awyu leben in Boven Digoel, dem östlichsten Bezirk Indonesiens an der Grenze zu Papua-Neuguinea. Ihr Wald, einer der schönsten und dichtesten Regenwälder des gesamten asiatisch-pazifischen Raumes, ist Heimat von Baumkängurus und Paradiesvögeln und vieler, meist noch unbeschriebener Arten.
Boven Digoel erlebt derzeit einen massiven Ansturm von Unternehmen – Holz, Palmöl, Biomasse, Papier, Carbon Trading. Sie alle bemächtigen sich des Landes der Indigenen, holzen in rasantem Tempo die Tropenbäume ab. Die Einheimischen wehren sich mit aller Kraft gegen die Vernichtung ihrer Wälder und ihrer Kulturen, unterstützt von Umwelt- und Menschenrechtsgruppen, auch von Rettet den Regenwald.
Doch während vor unseren Augen die besten Regenwälder Asiens zerstört und die Rechte der indigenen Papuas ignoriert werden, sie seit Jahren protestieren und Klagen einreichen, Umweltorganisationen beeindruckende Studien veröffentlichen, interessiert sich kaum jemand für das Drama und den Konflikt in Papua. Für die meisten Indonesier ist Papua so weit entfernt wie der Mond.
Warum jetzt plötzlich mit dem „All Eyes on Papua“-Bild und dem Hashtag #alleyesonpapua das Interesse im Land erwacht, hat verschiedene Gründe:
Einmal ist die Sensibilität gegenüber dem Schicksal der Palästinenser:innen in Indonesien (und in Malaysia, woher das Bild „All Eyes on Rafah” wahrscheinlich stammt) weit verbreitet.
Dann hat die Regierung Joko Widodo erst Ende April verkündet, weitere zwei Millionen Hektar Regenwald im Süden Papuas freizugeben, in direkter Nachbarschaft zu Boven Digoel.
Zudem wird die Enttäuschung über die Regierung Joko Widodo immer größer, im Bewusstsein, dass unter seinem Regime weder Indigene noch der Regenwald eine Chance hatten.
Die Faszination für die Performance der Papuas mitten in der Megacity Jakarta, die Affinität zu sozialen Medien, in Kombination mit der Sympathie für palästinensische Flüchtlinge, treffen in diesem Moment auf den Schock über die Plünderung der Wälder und die Missachtung der Menschenrechte der Indigenen durch eine rücksichtslose Oligarchie.
Hendrikus Woro, der Indigenenälteste der Awyu, ist dankbar über das mediale Interesse, aber auch erstaunt. Er selbst nutzt keine sozialen Medien, hat noch nicht einmal ein Handphone. Er steht immer wieder vor Gericht, mal als Kläger, mal als Zeuge, um den Regenwald von Boven Digoel zu bewahren.
„Land ist unser ewiges Guthaben”, sagt Hendrikus Woro. „Die Erde ist unsere Mutter. Ohne Bergbau, ohne Palmöl können wir Indigenen gut leben, aber ohne Wald können wir nicht leben.”
Mittlerweile werden unter dem Slogan „All Eyes on Papua" andere Probleme diskutiert: die strukturelle Armut, das fehlende Bildungssystem, die mangelnde Krankenversorgung, der Hunger, die Gewalt, die hohe Sterblichkeit, der Konflikt.
Die Hoffnung wächst, dass der Kampf der Awyu und anderer indigener Völker von Papua, dass der selbstlose und riskante Einsatz von Umweltverteidigern und auch die Stimme von Rettet den Regenwald nicht ungehört verhallen.
Noch ist der Großteil des Regenwaldes von Papua intakt - Hendrikus Woros Mut und Engagement geben Hoffnung!
Das Tanah-Merah-Projekt über 280.000 Hektar Ölpalmen, die Industrieplantagen für Nahrung und Energie (MIFEE und Food Estate) und erst recht die neuen Pläne von zwei Millionen Hektar Zuckerrohrplantagen für die Produktion von Zucker und Biomasse (für Kraftstoff und Elektrizität) müssen ad acta gelegt werden.
Die Awyu und Rettet den Regenwald
Der geplante Kahlschlag für die größte Palmöl-Plantage der Welt schockierte uns schon 2020 – wir berichteten im Regenwald Report. Es ging um suspekte Genehmigungen für das Tanah-Merah-Projekt, eine Ölpalmplantage mehrerer Firmen von 280.000 Hektar in intaktem Regen- und Trockenwald im Bezirk Boven Digoel, Süd-Papua - in einem der größten und dichtesten Wälder von ganz Südostasien.
Die Awyu kämpfen seither für den Erhalt ihres Waldes. Wir berichteten über die Schikanen gegen Waldrechte in Papua, die sie ertragen müssen. Hendrikus Woro, der Indigenenälteste der Awyu, geht den Weg über die Justiz. Er war schon im Mai 2023 Zeuge bei einem Prozess zweier Firmen gegen das Forstministerium. Von den 74.000 Hektar der Konzessionen haben die beiden Firmen bereits 9.000 Hektar kahl geschlagen.
Hendrikus Woro klagte selbst wegen der Vergabe einer Umweltgenehmigung für eine weitere Ölpalmplantage im Tanah-Merah-Projekt. Die Firma Indo Asiana Lestari will 36.000 Hektar Regen- und Trockenwald der Awyu ohne ihre Zustimmung abholzen. Doch ein Gerichtsurteil gefährdete den Wald der Awyu in Papua.
Hendrikus Woro ging in Berufung - bis zum Obersten Gericht in Jakarta. Es ist dieser Prozess, der seit Mai 2024 Aufsehen erregt. Alle Augen sind jetzt auf Papua gerichtet.
Die internationale Solidarität von Menschenrechts- und Umweltorganisationen für Hendrikus Woro ist überwältigend. 267 Organisationen und Personen aus aller Welt haben einen Offenen Brief an das Gericht in Jayapura geschrieben, darunter Rettet den Regenwald und sogar zahlreiche indigene Ka`apor aus dem fernen Amazonasgebiet.
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Mehr zu den Awyu und dem Recht auf Information
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Am Beispiel der Awyu aus Papua, Indonesien, zeigt die NGO Pusaka auf, wie indigenen Völkern ihr verfassungsmäßes Recht auf Information, auf Land und auf freie Zustimmung zu zerstörerischen Projekten verwehrt wird.
Der erste „All Eyes on Papua“-PostUrheber soll ein Nutzer namens suku_dayak sein. Identität ist nicht bekannt.
Umwelt- und MenschenrechtsgruppenZum indonesischen Netzwerk "Rettet den Wald von Papua" gehören: Perhimpunan Pembela Masyarakat Adat Nusantara (PPMAN), Yayasan Pusaka, Greenpeace Indonesia, Satya Bumi, LBH Papua, Walhi Papua, Eknas Walhi, PILNet Indonesia, Lembaga Studi dan Advokasi Masyarakat (Elsam), Perkumpulan HuMa.
Land ist unser ewiges Guthaben
Tanah adalah nomor rekening abadi bagi kami. Tanah adalah mama. Tanpa tambang, tanpa sawit, kami masyarakat adat bisa hidup. Tetapi tanpa hutan adat, kami tidak bisa hidup