Neuer Wald auf altem Land. Das Dorf Simenakhenak
02.10.2024
Das Dorf Simenakhenak auf Sumatra holt mit Hilfe von Rettet den Regenwald die Natur auf 252 Hektar ehemalige Eukalyptusplantage zurück. Hier entsteht ein neuer Wald aus Kaffee- und Urwaldbäumen. Projekt-Koordinator Hengky Manalu von AMAN Tano Batak berichtet über vielversprechende erste Erfolge.
Wald - Land - Dorf sind eins
Das Volk der Batak auf Sumatra ist ein ganz besonderes. Jeder Clan ist eng mit seinem Ursprungsdorf verbunden. Um zu erfahren, woher jemand kommt, genügt es, den Namen zu erfragen. Sofort weiß man, aus welchem Dorf seine Familie stammt. Dorf, Land und Wald gehören untrennbar zur Identität der Batak. „Huta na mar marga - marga na mar Huta“, sagen die Batak. Das bedeutet: ein Dorf hat einen Clan und ein Clan hat ein Dorf.
So ist es auch in dem kleinen Dorf Simenakhenak im Hochland am Toba-See. Hier lebt der Clan Samosir - gleichen Namens wie die berühmte Insel im See. Von der Kreisstadt Balige erklimmt man mit dem Motorrad in zwei Stunden die Berge, mit Blick auf den traumhaft schönen See in der Ferne.
Ompu Raja Martonggo Samosir – so hieß vor langer Zeit der Gründer des Dorfes. Bis heute wohnen hier seine Nachfahren. Sie lebten vom Harz der Weihrauchbäume aus dem Urwald und von Kaffee.
Doch dann kam das Zellstoffunternehmen Toba Pulp Lestari, und nach und nach sind Wald, Weihrauchbäume und Kaffeesträucher verschwunden. Heute duftet es nicht mehr wie früher nach Weihrauch, und Schädlinge aus den Eukalyptus-Monokulturen haben den Kaffee befallen.
Zellstoff ist unser Unglück
Mangapul Samosir, Indigenenältester von Simenakhenak, berichtet uns vom ganz „legalen" Landraub durch Toba Pulp Lestari, den harten Jahren unter der Suharto-Diktatur und vom steinigen Weg bis zur offziellen Anerkennung als indigene Gemeinschaft.
„Um 1985 und 1986 wohnten wir nicht im Dorf, weil es keine Schule gab und keinen Markt, wo wir unsere Ernte verkaufen konnten. Wir zogen in das Dorf Tukko ni Solu, nur drei Kilometer entfernt. Unsere Felder in Simenakhenak bestellten wir weiter“, erzählt er.
Nach der Rückkehr ins Dorf begann das Unglück. 1987 kam Toba Pulp Lestari, damals noch unter dem Namen Indorayon, ohne jede Ankündigung ins Dorf und rodete den Urwald mitsamt den Weihrauchbäumen.
Die Einwohner von Simenakhenak wollten protestieren, doch unter dem autoritären Suharto-Regime wagten sie es nicht und ergaben sich in ihr Schicksal. Ihnen blieb nichts anderes übrig als zuzusehen, wie ihr Wald kahlgeschlagen und das Tropenholz wer-weiß-wohin abtransportiert wurde.
Nachdem der Wald verschwunden war, ging es den Indigenen immer schlechter, Sie konnten keine Felder mehr anlegen, es gab kein sauberes Wasser mehr. Stattdessen erlebten sie Erdrutsche und litten unter den Pestiziden, die auf den Eukalyptus-Plantagen versprüht wurden.
Der lange Weg zum Indigenen-Wald
2016 dann wagten sie, ihr angestammtes Land zurückzufordern. Indonesien betrachtet allen Wald als staatlich und vergibt Konzessionen an Unternehmen, in ihrem Fall an Toba Pulp Lestari. Ein wichtiges Urteil vom Verfassungsgericht aber öffnet seit 2013 prinzipiell die Möglichkeit für anerkannte indigene Gemeinschaften, Wald besitzen und nutzen zu dürfen.
Doch bis sie ihren Wald auch offiziell wieder in Besitz nehmen konnten, mussten Mangapul Samosir und die anderen Dorfbewohner viele Hürden überwinden, angefangen von der Kartierung, dem Gutachten der historischen Besiedlung bis hin zu notwendigen Papieren für verschiedenste Instanzen, von der Dorfverwaltung bis zum Ministerium in Jakarta.
Bei einer großen Dorfversammlung beschloss die Dorfgemeinschaft, Mitglied der Allianz der Indigenen im Batak-Land zu werden (AMAN Tano Batak).
2022 endlich, nach langen sechs Jahren voller Mühen, hat Simenakhenak die Anerkennungsurkunden über 252 Hektar Indigenen-Wald bekommen. Beantragt hatten sie doppelt so viel. Präsident Joko Widodo persönlich überreichte ihnen in Bakkara, Nord-Sumatra, die Urkunden. Damit war der Weg frei, ihr Land und ihren Wald wieder nutzen und bewahren zu können. Eine der vielen notwendigen Urkunden fehlt aber noch, die des Bezirksamtes Toba.
Ihr einstmals dichter und schöner Wald aber ist verschwunden, zum Teil von Alang-Alang-Gras überwuchert, zum Teil noch Eukalyptus-Plantage des Zellstoffunternehmens. Das ist eine große Herausforderung!
Der neue Wald wächst!
Tief im kollektivem Wissen über Geschichte und Kultur ihres Volkes haben sie die Anweisung ihrer Vorfahren verinnerlicht: Ihr müsst den Wald hüten und pflegen!
Die Urkunden über Waldrechte für die Indigenen bringen Hoffnung, doch sie sind erst der Anfang. Damit verbunden sind die Auflagen, das Ökosystem Regenwald zu erhalten oder wieder herzustellen und vom Wald leben zu können. Für Simenakhenak bedeutet dies: auf der abgeholzten, mit Herbiziden verseuchten und degradierten Fläche soll wieder Wald wachsen.
Die Dorfgemeinschaft fing sofort an. Sie identifizierte die ökologisch kritischen Orte, welche zuerst „Heilung" brauchen. Sie erstellte einen Plan der wirtschaftlichen Möglichkeiten, die ein junger Mischwald bieten kann.
Das Ziel: Ökologie und Ökonomie verbinden, damit ein neuer Wald entsteht und das Dorf wieder blüht, für die Kinder und Enkel.
Das ganze Dorf widmet sich der gemeinsamen Arbeit im „Indigenen-Wald“, der allmählich Gestalt annimmt. Die Menschen sammeln Samen aus noch bestehenden Urwäldern. Wenn aus den Samen Keimblätter hervorgewachsen und die Pflänzchen nach zwei, drei Monaten kräftig genug sind, werden sie umgesetzt. Nun kommen sie in die Baumschule. Nach weiteren drei Monaten können die Setzlinge auf die degradierten Flächen gepflanzt werden.
Ihre Hoffnungen setzen sie auch auf Kaffee. Die älteren Generation konnte einst gut davon leben, die Kinder zur Schule schicken und Dinge für den Haushalt anschaffen. So soll es in Zukunft wieder werden. Der Anfang ist gemacht. Die Frauen des Dorfes haben bisjetzt schon 15.000 Kaffeesträucher und ein paar Tausend verschiedene heimische Tropenbäume gepflanzt.
15 Hektar neuer Wald
Fünfzehn Hektar neuer Wald mit Kaffee und Urwaldbäumchen sind eine kleine Fläche, im Vergleich mit den Hunderttausenden Hektar, die für Zellstoff, Papier und Viskose zerstört worden sind. Für die Indigenen aus dem Dorf Simenakhenak im Hochland am Toba-See jedoch sind fünfzehn Hektar ein Erfolg, der Hoffnung macht.
Die Natur erholt sich allmählich, und die Menschen können vom Wald bald wieder leben. „Rettet den Regenwald hat mit Spenden ermöglicht, dass die abgeholzten und degradierten Flächen renaturiert werden können“, schreibt Projekt-Koordinator Hengky Manalu in seinem Bericht.
Ja, der Verein hat geholfen, dass die Dorfgemeinschaft ihre Waldrechte in Händen hält. Jetzt unterstützen wir das Dorf bei der Bewaldung und Begrünung. Doch verdient haben die Indigenen von Simenakhenak den Erfolg selbst, Dank ihrer Entschlossenheit, ihrer Verbundenheit mit der Natur und ihrer Arbeit.
Hengky Manalu ist überzeugt: „Simenakhenak ist ein lebendiges Beispiel, wie Indigene mit Einigkeit, Hartnäckigkeit und harter Arbeit die Herrlichkeit ihres angestammten Landes wiederherstellen und eine bessere Zukunft aufbauen.“
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