Virunga: Interview mit der Park-Verwaltung

Ein Ranger hält im Nationalpark von Virunga ein Gorilla-Baby auf dem Arm Parkranger mit Gorillababy

03.01.2013

Im Virunga-Nationalpark leben 380 der seltenen Berggorillas in großen Familienverbänden. Der britische Konzern SOCO will nun im Park Öl fördern. Der Beginn der Ölförderung wäre das Ende des Virunga-Nationalparks und auch der Gorillas

Interview mit Ephrem Balole*, Virunga-Nationalpark:

Balole: Mein Name ist Ephrem Balole und ich bin 45 Jahre alt. Ich arbeite in der Logistik-Abteilung des Virunga Nationalparks in der Demokratischen Republik Kongo. Ich bin zwar kein Ranger, aber ich bin für die Koordination der Logistik im Virunga Nationalpark zuständig, und auch für die Einstellung von Ranger. Ich weiß also genau wie die Situation im Nationalpark ist.

RdR: Herr Balole, können Sie uns bitte berichten, unter welchen außergewöhnlichen Bedingungen die Ranger im Nationalpark gerade arbeiten müssen – vor allem im Kontext des Bürgerkrieges?

Balole: Ja, es ist schwierig, während des Krieges zu arbeiten. Wir hatten erwartet, 1,5 Millionen Dollar durch den Tourismus einzunehmen und es lief alles gut, bis wir Anfang April den Tourismusbetrieb einstellen mussten, weil wir die Sicherheit der Besucher nicht gewährleisten konnten. Es begann eine Notsituation für uns. Als die Rebellen den Gorilla-Bereich besetzten, hatten wir acht Monate lang keinen Zugang zu den Tieren, auch die Ranger nicht. Es war zu gefährlich. Wegen der Bombenangriffe fürchteten wir, dass die Gorillas einen Kollateralschaden erleiden würden, aber Anfang Dezember, als wir die Genehmigung der Rebellen erhielten, in den Gorilla-Sektor zurückzukehren, fanden wir fünf der sechs dort lebenden Gorillagruppen mit fünf neuen Babys wieder. Wir stellten klar, dass wir neutral sind und mit dem Kriegsgeschehen nichts zu tun haben. Unsere Arbeit ist der Schutz des Virunga-Nationalparks, der ja UNESCO-Weltnaturerbe ist.

RdR: Können Sie bitte die aktuelle Situation der illegalen Jagd im Virunga-Nationalpark beschreiben und was tut das Park-Management, um die Wilderei zu stoppen?

Balole: Die illegale Wilderei wird durch ein riesiges Netzwerk gespeist. Es handelt sich dabei um mafiöse Strukturen. Ein schwerwiegendes Problem ist die Wilderei an Elefanten in ganz Afrika. Im Virunga Nationalpark gibt es drei Hauptpopulationen. Um diese zu schützen, haben wir drei Ranger-Teams gebildet, deren Aufgabe es ist, die Populationen zu überwachen. Dank dieser Strategie verloren wir bisher nur sehr wenige Elefanten. Wir haben sogar eine Art Geheimdienst, der die Spuren der Wilderer verfolgt und wenn wir die Kriminellen finden und stellen können - dann tun wir das auch.

RdR: Afrika ist einer der Hotspots für illegale Abholzung. Wie wirkt sich der illegale Holzeinschlags auf den Virunga-Nationalpark aus?

Balole: Der Park ist nicht durch illegalen Holzeinschlag gefährdet, aber ausserhalb des Parks, in ungeschützten Gebieten, wird gerodet. Was Virunga aber wirklich bedroht, ist die illegale Herstellung von Holzkohle, die als Heizmittel verwendet wird. Das ist ein Hauptproblem für uns, weil die Millionenstadt Goma nicht genügend Strom hat und zum Kochen hauptsächlich Holzkohle verwendet wird. Den Menschen dort fehlt einfach Energie. Jetzt planen wir Strom aus Wasserkraft, weil er die Nachfrage nach Holzkohle und somit auch den Druck auf den Wald senkt. Und das ist möglich, weil wir rund um den Virunga Nationalpark zahlreiche Wasserfälle haben. Wir haben ein Pilotprojekt mit einem Dammbau gestartet, wo wir das Wasser auf eine stimmte Höhe leiten und dann durch Turbinen wieder dem Fluss zuführen. Der Vorteil ist, dass es sich nicht um eine riesige Konstruktion handelt und wir somit keinen großen Einfluss auf das Ökosystem haben.

RdR: Der Virunga-Nationalpark ist auch von Ölförderprojekten bedroht, die vom britischen Unternehmen SOCO geplant sind. Wie ist die aktuelle Lage?

Balole: Die Unternehmen haben durch ein Präsidentendekret die Genehmigung erhalten, Untersuchungen in dem Gebiet vorzunehmen. Zum Glück gibt es ein schützendes Gesetz, das die Rohstoffförderung im Park verbietet. Darum ist das Präsidentendekret gegen dieses Gesetz. Derzeit führt hauptsächlich das Unternehmen SOCO außerhalb des Parks Untersuchungen mit Hilfe von Flugzeugen durch – das ist nicht illegal. Aber wir sind sicher, dass es ihnen nicht reichen wird, zu wissen, ob und wie viel Öl es dort gibt. Sie müssten weitere Untersuchungen auf dem Land vornehmen – und das wäre illegal.

RdR: Also ist die Ölförderung eine große Bedrohung für den Park?

Balole: Ja!

RdR: Vor einigen Jahren wurde kritisiert, dass das Parkmanagement nicht zu Gunsten der Gemeinden arbeitet, die im Virunga-Gebiet leben. Einige Ranger haben sogar Menschen aus dem Nationalpark vertrieben. Wie stehen Sie dazu?

Balole: Tatsächlich gehen 30 Prozent des Erlöses von Virunga an die Bevölkerung. Mit diesen 30 Prozent haben wir kürzlich 9 Schulen, ein Krankenhaus und ein Netzwerk zur Wasserversorgung gebaut. Und nun planen wir das Wasserkraftwerk zur Stromversorgung. Das alles sind Beispiele für die Beziehung zwischen dem Park und der Bevölkerung. Ebenso müssen wir eine Lebensgrundlage für die Menschen schaffen. Die lokale Bevölkerung ist wirklich arm und die Schutzbemühungen können ein erster Schritt für ihre Entwicklung sein. Wir müssen ein Entwicklungskonzept im Park durchsetzen. Wenn es im Park friedlich ist, können wir den Tourismus fortsetzen – und wir haben ein großes Potenzial im Tourismus. Dafür brauchen wir aber Gastwirtschaft, Unterkünfte, Infrastruktur und ein großes Netzwerk mit Verbindungen zur Bevölkerung. Wir haben zwar das Potenzial, aber auch die Schwierigkeiten, es in die Tat umzusetzen.

RdR: Ephrem Balole, vielen Dank für das Interview und die Zeit, die Sie sich für uns genommen haben!

* Das Interview mit Ephrem Balole führten David Vollrath und Jenna Kulp von Rettet den Regenwald am 17.12.2012 in Hamburg.
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