Ein Jahr ohne Palmöl
11.01.2013
In seinem Blog berichtet der 26-jährige französische Student Adrien Gontier von seinen Erfahrungen eines palmölfreien Lebens. Der Selbstversuch gestaltete sich schwieriger als gedacht – schließlich lässt sich Palmöl in jedem zweiten Supermarktprodukt finden und versteckt sich oft hinter kryptischen Angaben der Inhaltsstoffe. Doch der Geochemie-Doktorand wurde erfinderisch und teilt seine nützlichen Tipps.
Palmöl ist überall. Das billige Pflanzenöl hat den Weltmarkt erobert – Gebäck, Fertiggerichte, Kosmetik, Putzmittel und vieles mehr ist kaum noch ohne Palmöl oder Palmfett erhältlich. Neben dem offensichtlichen Preisvorteil für die Industrie hat das Fett der afrikanischen Ölpalme Elaeis guineensis auch technische Vorzüge in Bezug auf Konsistenz und Verarbeitungseigenschaften. So wird es durch seine streichfeste, cremige Beschaffenheit etwa zu einer beliebten Zutat in Margarinen, Aufstrichen und Schokofüllungen. In Fertigsuppen wird Palmöl verwendet, um zu verhindern, dass das Pulver im Beutel kleben bleibt. Außerdem lässt es sich besonders lange und heiß frittieren und ist somit gängiger Bestandteil von Convenience-Produkten wie Chips, Pommes & Co.
Doch für den Anbau der tropischen Ölpalme müssen besonders in Südostasien riesige Wald- und Torflandflächen sowie einheimische Bewohner den Plantagen weichen (lesen Sie in „12 Fragen und Antworten zum Thema Palmöl“ mehr über die Umweltschäden durch die Palmölindustrie). Und laut Adrien Gontier lassen sich viele der genannten Produkte auch mit alternativen Fetten wie Kakao- oder Sheabutter, Kokosfett und natürlich Raps- oder Sonnenblumenöl herstellen.
Unter der Rubrik „Palmöl ersetzen in 3 Schritten“ gibt Gontier eine kleine Gebrauchsanweisung für potenzielle Nachahmer: Am besten fängt man erst einmal in Ruhe zu Hause an (zum Beispiel beim Frühstück), die Etiketten auf den Lebensmittelpackungen zu studieren. Da dürfte einem schon das eine oder andere Mal die Zutat Palmöl oder Palmfett begegnen. Als nächsten Schritt empfiehlt Gontier, sich Hygieneartikel und Reinigungsmittel vorzuknöpfen. Um die oft komplizierten Bezeichnungen überhaupt entschlüsseln zu können, verweist er den Leser auf den „Praktischen Öko-Führer für Palmöl“ (auf Englisch). So sollte man dann langsam aber sicher erkennen, in wie vielen Produkten das vermeintliche Wunderfett tatsächlich steckt.
Nun geht es darum, diese Produkte auszutauschen: Entweder man findet im Supermarkt das gleiche Produkt (z.B. Kekse) ohne Palmöl (zum Teil sogar von derselben Marke) - da gilt es nur, sich beim Einkaufen ein bisschen Zeit zum Suchen zu nehmen. Oder aber man steigt auf ein Alternativprodukt um, z.B. feste Seife auf reiner Kokos- oder Olivenöl-Basis (Achtung, genau prüfen!) statt palmöl-haltigem Duschgel. Wenn es keine käufliche Alternative gibt, heißt es für Gontier: selber machen! Auf seinem Blog stellt er eine Reihe von Rezepten zur Verfügung, beispielsweise für palmölfreie Seife aus Olivenöl, Natron und Wasser.
Bei den Lebensmitteln beweist Gontier: Palmölfrei einkaufen geht, sowohl im Reformhaus oder Bio-Supermarkt als auch beim Billig-Discounter. Am einfachsten ist es natürlich, weitgehend unverarbeitete oder frische Grundnahrungsmittel wie Obst, Gemüse, Reis, trockene Nudeln, Brot, Fleisch, Fisch, Eier und Käse zu kaufen und selber zu kochen – dann weiß man immer, was im Essen steckt, muss keine endlosen Zutatenlisten studieren und wählt höchstwahrscheinlich auch die gesündeste Variante. Bei Kuchenteigen, Ravioli und anderen Fertiggerichten ist dann schon ein genauerer Blick gefragt. Aber mit etwas Geduld ist der junge Franzose auch hier fündig geworden. Ein wichtiger Hinweis ist, dass sich Palmöl gern hinter der Bezeichnung „pfanzliche Öle/Fette“ versteckt, und deshalb nach Möglichkeit die eine oder andere zusätzliche Recherche anzustellen ist.
Teurer muss ein palmölfreier Einkauf übrigens auch nicht sein. Da das Öl ja so billig ist, meinen viele, man würde mehr ausgeben, wenn man darauf verzichtet. Nicht unbedingt! Adrien Gontier hat einen Monat lang seine Essensausgaben für zwei Personen aufgelistet und kommt durchschnittlich auf 2,61 € pro Person und Mahlzeit. Und das, obwohl er nach eigenen Angaben besonders bei Fleisch und Gemüse häufig zur Bio-Variante gegriffen hat.
Auch das Thema Palmöl und Gesundheit wird im Blog genauer beleuchtet. In verschiedenen Studien wird Palmöl als reich an Vitamin A und E sowie wertvollen Proteinen angepriesen. Dabei wird jedoch nicht berücksichtigt, dass ein Großteil dieser gesunden Inhaltsstoffe bei der industriellen Verarbeitung verloren geht. Außerdem entstehen bei der Umwandlung von wertvollen ungesättigten Fettsäuren in gesättigte Fettsäuren die gesundheitsschädlichen Transfette. Sowohl gesättigte als auch Transfett-Säuren lassen den Cholesterinspiegel steigen und sollten nur in Maßen konsumiert werden. Einige Wissenschaftler vermuten auch, dass die 3-MCPD-Fettsäureester, die bei der Raffinierung bzw. dem Braten von Palmöl mit Salz entstehen, krebserregend sind.
Adrien Gontier kritisiert sowohl die Umweltzerstörung durch den Anbau von Ölpalmen als auch die Verlogenheit der Lebensmittelindustrie, die zweifelhafte Gesundheitsstudien in Auftrag gibt, und rät daher in seinem persönlichen Fazit: „Esst ethisch, esst (öko)logisch, esst einfach, esst glücklich.“ Bon appétit!
Lesen Sie hier Gontiers praktische Tipps für einen palmölfreien Alltag, etwa Rezepte für palmölfreie Seifen, Wasch- und Putzmittel oder eine Liste palmölhaltiger Supermarktprodukte.