Glyphosat: Bayer-Konzern gerät ins Wanken
13.08.2018
Minus 12 % - der Aktienkurs des Chemiekonzerns Bayer fällt massiv: In den USA verdonnert ein Gericht den Konzern zur Zahlung von fast 290 Millionen Dollar Schmerzensgeld. Ein unheilbar an Lymphdrüsenkrebs erkrankter US-Bürger hatte den Konzern wegen Glyphosat verklagt. In Brasilien verbietet ein Bundesgericht das Herbizid Glyphosat auf Millionen Hektar mit genetisch manipuliertem Mais und Soja.
An den Börsen erleiden die Aktien des Bayer-Konzerns herbe Kursverluste. Gleich zu Handelsbeginn am Montag stürzten die Papiere um 12 Prozent ab. In kurzer Zeit schmolzen 10 Milliarden Euro Börsenwert dahin. Der Grund sind zwei Gerichtsentscheidungen, die das Geschäftsmodell des Chemiekonzerns ins Wanken bringen.
Fast 290 Millionen US-Dollar Schmerzensgeld muss die Bayer-Tochter Monsanto an einen US-Bürger zahlen, der unheilbar an Lymphdrüsenkrebs erkrankt ist. Nach dem Urteil eines Gerichts in San Francisco wurde das Geld dem ehemaligen Hausmeister Dewayne Johnson zugesprochen, der jahrelang die Spritzmittel Roundup und Ranger auf Schulhöfen verspritzt hatte, um damit Unkräuter zu bekämpfen.
Der von seinem Krebsleiden schwer gezeichnete Mann macht die glyphosathaltigen Herbizide von Monsanto für sein Leiden verantwortlich. "Ich hätte nie das Produkt auf Schulhöfen oder um Menschen herum versprüht, wenn ich gewusst hätte, dass ich ihnen damit Schaden zufüge", erklärte Johnson während des Gerichtsverfahrens.
Die Geschworenenjury stellte fest, dass Monsanto "mit Bösartigkeit oder Unterdrückung von Informationen agiert habe".
"Wir konnten der Jury endlich die geheimen, internen Monsanto-Dokumente zeigen, die beweisen, dass Monsanto seit Jahrzehnten weiß, dass.... Roundup Krebs verursachen kann", sagte auch Johnsons Anwalt Brent Wisner. Das Urteil schicke eine "Botschaft an Monsanto, dass seine jahrelange Täuschung in Bezug auf Roundup vorbei ist und dass sie die Sicherheit der Verbraucher über die Gewinne stellen sollten".
In den USA rollt eine Klagewelle gegen den Hersteller Monsanto. Tausende Landwirte haben den Konzern verklagt, weil sie an seltenen Krebsleiden erkrankt sind, die sie mit dem Einsatz von Glyphosat in Verbindung bringen.
Schon 2015 hat die internationale Krebsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation WHO Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft. Bayer hatte Monsanto erst vor kurzem für rund 63 Milliarden Dollar übernommen. Monsanto kündigte umgehend an, Berufung gegen das Urteil einzulegen.
In Brasilien hat ein Bundesgericht in der Hauptstadt die Genehmigungen für den Einsatz von Glyphosat ausgesetzt. Die brasilianischen Gesundheitsagentur ANVISA muss nun eine toxikologische Neubewertung von Glypohosat durchführen. Brasilien ist neben den USA Hauptabnehmer von glyphsathaltigen Produkten.
Das Totalherbizid Roundup wird auf den etwa 40 Millionen Hektar Monokulturen in Brasilien versprüht, die mit genetisch verändertem Mais und Soja bepflanzt sind. Der von Monsanto patentierte Roundup-Ready-Mais und Roundup-Ready-Soja wurde im Chemielabor unempfindlich gegen das Pflanzengift gemacht. Die Roundup-Ready-Pflanzen überstehen die Besprühungen mit dem Pflanzengift Glyphosat.
Der brasilianische Landwirtschaftsminister Blairo Maggi, der selbst einer der weltweit größten Produzenten von Soja ist, kündigte an, dass die Regierung das Gerichtsurteil anfechten werde. Noch vor der nächsten Sojaernte will er die Entscheidung annullieren.
Die hier offensichtlich bestehenden gravierenden Interessenkonflikte ignoriert die von Korruption schwer getroffene brasilianische Regierung offenbar. Vom brasilianischen Sojakönig Blairo Maggi kann wohl kaum eine Politik erwartet werden, die den Interessen des Landes und seiner Bürger entspricht.
Die EU-Länder importieren pro Jahr etwa 34 Millionen Tonnen GV-Soja als Tierfutter, größtenteils aus Südamerika, davon Deutschland etwa 5 Millionen Tonnen. In den USA bestehen über 90 % und in Brasilien über 65 % der Produktion aus GV-Soja, in Argentinien sogar 99 %.
Weitere Informationen:
- Frankfurter Allgemeien Zeitung, 13.8.2018: GLYPHOSAT-URTEIL IN AMERIKA: „Anfang vom Ende der Arroganz dieses verfluchten Paars Monsanto-Bayer“
- The Guardian, 9.8.2018: Monsanto ordered to pay $289m as jury rules weedkiller caused man's cancer
https://www.theguardian.com/business/2018/aug/10/monsanto-trial-cancer-dewayne-johnson-ruling
- ABC-News, 10.8.2018: Watch Life: Verdict reached in Dewayne Johnson vs Monsanto (Life-Video von der Verkündigung des Gerichtsurteils):
- Clarin, 9.8.2018: Agricultura - Prohibieron el glifosato en Brasil y comenzó una batalla legal
https://www.clarin.com/rural/prohibieron-glifosato-brasil-comenzo-batalla-legal_0_H1XhTb9HQ.html
- Reuters, 6.8.2018: Brazil judge suspends use of agrochemical glyphosate