Peru: Coronavirus in der Palmölindustrie
24.06.2020
Nicht nur auf Schlachthöfen breitet sich das Coronavirus rasant aus, auch tief im Amazonasregenwald von Peru, auf den Ölpalmplantagen der Firmengruppe Ocho Sur, stecken sich die Menschen massenhaft an. Bei 90 % der getesteten Arbeiter fielen die Analysen positiv aus. Auch in der Palmölindustrie hat Gewinnstreben offenbar Vorrang vor dem Schutz der Gesundheit.
Nach Anzeigen der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation KENE haben die peruanischen Behörden reagiert und am 6. Juni 2020 eine Inspektion auf den Ölpalmplantagen der Firmengruppe Ocho Sur im Amazonasregenwald durchgeführt.
Das erschreckende Ergebnis: Von 39 auf eine Infektion mit dem Coronavirus getesteten Arbeitern waren 35 – also 90 Prozent - positiv, berichtet das peruanische Journalistennetzwerk Convoca.
Doch das ist wohl nur die Spitze des Eisbergs. Von den insgesamt etwa 560 anwesenden Arbeitnehmern von Ocho Sur wurden nur knapp 7 Prozent getestet.
Nach Angaben von Convoca berichten Arbeiter der Palmöl-Firma, dass diese bis Mitte Mai das Arbeitstempo beibehalten habe. Es seien weder Sicherheitsmaßnahmen ergriffen, noch Masken verteilt oder Abstände zwischen den Arbeitsplätzen umgesetzt worden. Dabei hatte die peruanische Regierung bereits Mitte März strenge Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie und zum Schutz der Gesundheit verordnet.
Ocho Sur bestreitet in einem Covid-19-Statement auf der Firmenwebseite die Vorwürfe: "Glücklicherweise hat bisher noch keines unserer Teammitglieder lebensbedrohliche Symptome auf unseren Plantagen oder in unserer Ölmühle erlebt. Seit Beginn der Quarantäne haben wir unsere Verfahren und Protokolle ständig aktualisiert, um den neuesten von den peruanischen Behörden herausgegebenen Standards zu entsprechen. Diese Bemühungen haben dazu beigetragen, unsere Arbeiter während dieser sich entwickelnden Pandemie zu schützen."
Die Vereinigung der Indigenengemeinschaften von Ucayali, die Menschenrechtskommission von Pucallpa und das Institut für Rechtsverteidigung IDL haben am 9. Juni Ocho Sur strafrechtlich angezeigt. Sie werfen dem Unternehmen die Verletzung von Arbeitsschutzbedingungen, die Verbreitung gefährlicher Krankheiten, die Verletzung sanitärer Maßnahmen und Zwangsarbeit vor.
Aus dem Artikel von Convoca sowie einem darin veröffentlichen Schreiben des Ombudsmannes der Region Ucayali an die lokalen Behörden geht hervor, dass die Palmölfirma offenbar nicht einmal über die Umweltgenehmigungen verfügt, um die Plantagen zu betreiben.
Nach Angaben des Amazonasschutzprogramms MAAP fielen zwischen 2011 bis 2015 mehr als 12.000 Hektar Regenwald den Motorsägen und Bulldozern der Palmölfirmen Plantaciones de Pucallpa SAC und Plantaciones de Ucayali SAC zum Opfer, darunter mehr als 9.040 Hektar Primärwald. Hinter den Rodungen steckten ausländische Investoren unter Führung des US-Amerikaners Dennis Melka, wie die amerikanische Umweltorganisation EIA recherchiert hat (siehe Studie Deforestation by Definition ab Seite 20).
Inzwischen werden die in der Region Ucayali gelegenen Ölpalmplantagen von Ocho Sur geführt.
Wer steckt hinter der Palmölfirma Ocho Sur und ihren Plantagen?
Der Investmentfonds AMERRA mit Sitz in New York wirbt auf seiner Webseite mit seiner Beteiligung an Ocho Sur und schreibt, dass der Hauptverwaltungschef des Fonds „aktuell Mitglied des Direktoriums der Peruvian Palm Holdings Ltd. (Peru)“ sei.
Die Plantagenfirmen in Peru scheinen dabei offenbar mit ausländischen Holdinggesellschaften, darunter mutmaßlich die auf den Bermuda-Inseln registrierte Peruvian Palm Holdings Ltd. in Verbindung zu stehen, schreibt die Menschenrechtsorganisation Forest Peoples Programme. Und weiter: „Wie Untersuchungen gezeigt haben, ist Dennis Melka, einer der derzeitigen Direktoren der Peruvian Palm Holdings Ltd., auch Direktor der Muttergesellschaften verschiedener Mantelgesellschaften gewesen, die in Peru als "Melka-Gruppe" bekannt sind (darunter United Oils Ltd. SEZC und United Cacao Ltd. SEZC).“
Wer kauft die Ölpalmfrüchte von Ocho Sur?
Im Jahr 2018 hat Convoca bereits dokumentiert, wie die auf den Plantagen von Ocho Sur geernteten Ölpalmfrüchte zu Ölmühlen wie OLAMSA transportiert werden. Die Ölmühle OLAMSA wurde im Rahmen des “Alternativen-Entwicklungsprogramms“ der Vereinten Nationen (UN) für Kleinbauern errichtet, das auch von der Bundesregierung finanziert wird.
Das UN-Programm wurde fast 30 Jahre lang vom Deutschen Hans-Jochen Wiese geleitet und ist tief in die Rodungen und Landumwandlungen der Palmölfirmen verstrickt (siehe auch die ARD-Fernsehreportage „Die Story - Steuergelder für die Kokain-Mafia - UNO Mitarbeiter unter Verdacht“).
Zu den Käufern des von OLAMSA produzierten Palmöls gehört laut Convoca ALICORP, der größte Konsumgüterkonzern des südamerikanischen Landes.
Nach Anzeigen der Indigenen Shipibo, auf deren angestammten Land sich große Teile der Ölpalmplantagen von Ocho Sur befinden, hat Norges Bank Investment Management (NBIM), der weltgrößte Staatsfonds aus Norwegen, 2019 seine Aktienbeteiligungen an ALICORP S.A.A. abgestossen, berichtet die NGO Forest People Programme.