Mercosur-EU-Freihandel als Brandbeschleuniger
03.09.2020
Ein zwischen der EU-Kommission und den Ländern des südamerikanischen Mercosur-Bündnisses vereinbartes Freihandelsabkommen bedroht Mensch, Natur und Klima. Noch ist es zu stoppen. Bitte kein Rindfleisch, GV-Soja oder Ethanolkraftstoff aus dem Amazonasregenwald.
Nach 20 Jahren Verhandlungen hinter verschlossenen Türen haben sich am 26. Juni 2019 die Europäische Kommission und die Länder Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay auf ein Freihandels- und Assozierungsabkommen geeinigt.
Das Vertragswerk mit den vier Ländern des südamerikanischen Mercosur-Bündnisses soll einen gemeinsamen Markt mit 780 Millionen Konsumenten schaffen, in dem die meisten der bisher erhobenen Zölle und Beschränkungen wegfallen.
Durch den liberalisierten Handel könne Europa mehr Autos, Maschinen, Chemikalien – darunter viele bei uns in Europa verbotene Pestizide - und Dienstleistungen verkaufen, Südamerika noch mehr Agrarprodukte wie Soja, Rindfleisch, Zucker und Ethanol sowie Bodenschätze. Zudem sollen die Patent- und Urheberrechte der europäischen Wirtschaft gestärkt werden.
Attacke auf den Regenwald
Die EU-Kommission verspricht hohe Standards zum Schutz des Klimas, der Umwelt und Arbeitnehmer. Doch Brasiliens Regierung macht gerade vor, dass die Vereinbarungen nicht das Papier wert sind, auf dem sie stehen.
Menschenrechtsorganisationen werfen Präsident Bolsonaro vor, mit seiner Politik einen Genozid an den indigenen Völkern in den Regenwaldgebieten zu betreiben. Mehrere Gruppen haben daher Klagen gegen Bolsonaro vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angestrengt.
2019 kletterten die Abholzungen im brasilianische Amazonasgebiet auf den höchsten Wert in den letzten zehn Jahren: 10.129 Quadratkilometern – eine Fläche viermal so groß wie das Saarland – fiel den Motorsägen, Bulldozern und gelegten Feuern laut dem staatlichen Institut INPE zum Opfer.
Auch dieses Jahr sind die Rodungsraten und die Zahl der Brände weiter von Monat zu Monat gestiegen. In der ersten Augusthälfte wurden fast 17.000 Feuer im Amazonasgebiet registriert.
Die Rinderzucht ist der Motor der Regenwaldrodung in Brasilien. 80% der Abholzungen und Brände erfolgt für die Anlage von Viehweiden. Über 230 Millionen Rinder grasen dort schon. Mit 2 Millionen Tonnen pro Jahr ist Brasilien der global größte Exporteur von Rindfleisch. Die EU-Länder stehen bei den Rindfleischimporten aus Brasilien wertmäßig nach China mit jährlich 500 Millionen Euro an zweiter Stelle.
Auch der Sojaanbau hat eine verheerende Umwelt- und Sozialbilanz. Mit 121 Millionen Tonnen (2019) ist Brasilien die weltweite Nummer 1 bei Soja. Dieses Jahr soll die Sojaproduktion um weitere 7% wachsen. Schon jetzt beansprucht die genetisch veränderte Hülsenfrucht 36 Millionen Hektar - eine Fläche so groß wie Deutschland. Für die endlosen Monokulturen fallen der Amazonasregenwald, die artenreiche Cerrado-Savanne und die Territorien der Ureinwohner. Nach China sind die EU-Länder mit jährlich fünf Millionen Tonnen Soja die Hauptabnehmer.
Widerstand der EU-Länder gegen das Freihandelsabkommen
Bevor die Abkommen in Kraft treten, müssen sie vom EU-Ministerrat, dem EU-Parlament und den Parlamenten der 27 EU-Mitgliedsländer ratifiziert werden.
Einige Länder wie Italien, Frankreich, Österreich, Luxemburg und Irland haben bereits Zweifel am EU-Mercosur-Vertrag geäußert. Zum Teil aus Klima- und Umweltschutzgründen, zum Teil aufgrund wirtschaftlicher Interessen. Die Parlamente der Niederlande, Österreichs und der belgischen Region Wallonien haben bereits vorab gegen die Unterzeichnung des Abkommens gestimmt.
Frankreich hat sein Veto angekündigt. Die Gründe liegen vor allem am Widerstand europäischer Bauernverbände gegen billige Agrarimporte aus Südamerika.
Ende August 2020 hat nun auch Bundeskanzlerin Angela Merkel angesichts der stark zunehmenden Abholzung des Amazonasregenwaldes und der vielen dort gelegten Brände persönlich und über den Regierungssprecher „erhebliche Zweifel“ an der Umsetzung des Abkommens "in seiner jetzigen Form" geäußert.
Die vielen Gegenstimmen sind kein gutes Zeichen für die Arbeit der EU-Kommission. Die Funktionäre aus Brüssel lassen sich offenbar allein von Wirtschaftsinteressen leiten. Nun sollen bis zum Frühjahr 2021 die Verträge durch Nachverhandlungen im Klima- und Umweltschutz nachgebessert werden.
Rettet den Regenwald hält das für aussichtslos. Ein Freihandelsvertrag mit dem Mercosur würde die Zerstörung des Amazonasgebiets und des ökologischen Gleichgewichts der Region und der Welt beschleunigen. Neoliberaler Handel, ewiges Wirtschaftswachstum und exzessiver Konsum sind nicht mit dem Umwelt- und Klimaschutz vereinbar.
Auch bei den Regierungen der südamerikanischen Länder hat das Freihandelsabkommen offensichtlich keine Priorität, sie hüllen sich seit einem Jahr in Schweigen. Verschiedene Gesellschafts- und Wirtschaftsgruppen sind dort aus vielen Gründen gegen das Abkommen.
Eine große Zahl von Umwelt-, Entwicklungs- und Indigenenorganisationen fordert, das Freihandelsabkommen wegen der damit verbundenen Umweltzerstörung, der Gefährdung des Klimas und des Landraubs zu stoppen. Bitte unterstützen Sie unsere Petition „Kein Fleisch aus dem Regenwald für die EU!“
Weitere Chronologie der EU
- Auch nach über einem Jahr befindet sich das – weiterhin unveröffentlichte – 7.000-seitige Abkommen in der formellen rechtlichen Prüfung bei der EU-Kommission.
- Etwa im Oktober 2020 sollen den Regierungen der EU-Länder Übersetzungen in die 23 offiziellen Sprachen der EU-Mitgliedsländer übermittelt werden.
- Die EU-Kommission und die Bundesregierung wollten ursprünglich die sechsmonatige EU-Ratspräsident Deutschlands in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 dazu nutzen, um den Ratifizierungsprozess des Abkommens zu beschleunigen. Doch der bisherige Zeitplan ist aufgrund der zahlreichen Kritik Makulatur.
- Damit der Freihandelsvertrag und das Assoziierungsabkommen in Kraft tritt, müssen das EU-Parlament und die Parlamente aller 27-EU-Mitgliedsländer beidem zustimmen - was aktuell sehr unwahrscheinlich ist.