Peru: Kakaofirma soll Regenwald wiederherstellen

Peru Abholzung Tamshiaycu So sehen die östlich des Amazonas (links) in den Regenwald geschlagenen Kakaoplantagen aus dem Weltall aus (© NASA Earth Discovery)

05.11.2020

Seit acht Jahren unterstützt Rettet den Regenwald peruanische Umweltorganisationen beim Schutz des Amazonasregenwaldes. Die Firma Tamshi SAC rodet den Urwald für Kakaoplantagen. Nun hat das Umweltministerium den Betreiber mit einer Millionen-Strafe belegt. Die Firma muss alle Aktivitäten einstellen und den abgeholzten Regenwald wieder anpflanzen.

Anfang November 2020 hat eine Behörde des peruanischen Umweltministeriums die Kakaoplantagenfirma Tamshi SAC mit einer Strafe von umgerechnet ca. 35 Millionen Euro belegt. Das Unternehmen arbeite seit Jahren ohne die dafür notwendigen Umweltgenehmigungen. Außerdem habe es gefährlichen Gift-Müll zusammen mit anderen Abfällen im Regenwald nahe dem Ort Tamshiyacu entsorgt, begründet die Behörde für Umweltprüfung und Kontrolle (OEFA) die Entscheidung in einer am 2. November veröffentlichten Pressemitteilung.

Zudem ordnete die Behörde 17 Korrekturmaßnahmen an. Die haben es in sich: Das Unternehmen muss den Kakaoanbau auf den Plantagen im Amazonasregenwald unverzüglich und endgültig einstellen. Die Firma muss zudem sämtliche Kakaopflanzen, Chemikalien, Gebäude und Maschinen entfernen und den Regenwald wieder anpflanzen, um den ursprünglichen Zustand der Natur wiederherzustellen.

Innerhalb von 15 Tagen kann gegen den Entscheid Berufung eingelegt werden. Sollte das erfolgen, droht ein langer juristischer Weg über Verwaltungsgerichte.

Währenddessen arbeiten Funktionäre des Landwirtschaftsministeriums an einem Dekret, das es Kakao- und Palmölfirmen, darunter Tamshi SAC, ermöglichen würde, nachträglich Umweltgenehmigungen für die Rodungen und Plantagen zu erlangen. Das berichten die Umweltorganisation Kene und das Journalistenkollektiv OjoPúblico. Der Erlass könnte die vom Umweltministerium gegen Tamshi SAC verhängte Strafe aushebeln.

28 peruanische Umwelt-, Sozial und Indigenenorganisationen haben in einem offenen Schreiben Perus Präsident Viscarra aufgefordert, für die Durchsetzung der bestehenden Gesetze zu sorgen. Umweltschützer und Journalisten in Peru beklagen zudem, dass verschiedene Personengruppen Diffamierungskampagnen gegen die Behörden, Staatsanwälte und Nichtregierungsorganisationen betrieben und damit auch deren Mitarbeiter in Gefahr brächten. Inzwischen drohe Tamshi SAC auch damit, den peruanischen Staat mit einer Klage vor einem privaten Schiedsgericht für Konzerne zu verklagen, berichtet das Wirtschaftsblatt Gestíon.

Historisches Gerichtsurteil gegen Regenwaldrodung in Peru

Bereits im August 2019 hatte ein Gericht in Peru die Firma Tamshi SAC zu einer Schadensersatzzahlung in Höhe von umgerechnet 4 Millionen Euro verurteilt. Ein ehemaliger Geschäftsführer erhielt eine Gefängnisstrafe von acht Jahren. Tamshi SAC habe ohne Genehmigung 1.950 Hektar Urwald nahe dem Ort Tamshiyacu abgeholzt, erklärte der Umweltstaatsanwalt Alberto Yusen Caraza gegenüber der Zeitung El Comercio. Er sah das Urteil als historisch im Kampf gegen die Regenwaldrodung und den illegalen Holzeinschlag in Peru an. Allerdings hat die Kakaofirma gegen das Urteil Berufung eingelegt, das Revisionsverfahren läuft bereits.

Beide Entscheidungen sind ein großer Erfolg unserer Partnerorganisation Kené, die die rechtliche Aufarbeitung der Fälle seit vielen Jahren mit Unterstützung von Rettet den Regenwald vorantreibt.

Der Weg der Kakaobohnen auf den Weltmarkt

Obwohl Tamshi SAC nicht über die notwendigen Umweltgenehmigungen verfügt, produziert und verkauft die Firma Kakao. Anfang des Jahres haben Journalisten des Kollektivs OjoPúblico den Weg der Kakaobohnen verfolgt. Mehrere Lieferungen von Hunderten mit Kakaobohnen gefüllten Säcken wurden demnach von Plantagen im Regenwald über den Amazonas transportiert und anschließend mit LKWs über die Anden nach Lima geschafft.

Empfänger waren die Corporación White & Brown Sugar SAC und Sumaqao SAC. Beide Firmen bestätigen demnach die Lieferbeziehungen mit Tamshi SAC, gaben allerdings an, keine Kenntnisse über die rechtliche Lage der Plantagenfirma zu haben.

Sumaqao ist mit einem Umsatz von umgerechnet etwa 120 Millionen Euro einer der größten Kakaoexporteure von Peru. An wen die Firma die Kakaobohnen weiterverkauft hat, wollte der Geschäftsführer Israel Pisetsky Olaechea nicht preisgeben. Internet-Recherchen legen nahe, dass Sumaqao Tochterunternehmen des Schweizer Kakao- und Schokoladenmultis Barry Callebaut AG beliefert.

UTZ-Siegel für nachhaltigen Kakao

Sumaqao und Barry Callebaut sind mit dem UTZ-Siegel zertifiziert. Das von der US-Organisation Rainforest Alliance betriebene Label wirbt mit nachhaltiger Produktion, Fairness und Transparenz.

In Europa prangt UTZ auf vielen Produkten wie Schokolade, Kaffee und Tee, darunter auf bekannten Marken wie Bahlsen-Keksen, Ritter Sport Schokolade und Nestle-Produkten. Viele Supermärkte wie Lidl, Aldi und Rewe verkaufen große Mengen von UTZ-zertifizierten Schokoladenprodukten.

Doch Kakao, der auf Kosten des Amazonasregenwaldes und auf den Plantagen einer Firma produziert wird, die offensichtlich ohne die Umweltgenehmigungen arbeitet, entspricht nach Ansicht von Rettet den Regenwald kaum den Standards des UTZ-Siegels, ist weder nachhaltig noch fair. Offenbar reichen die Kontrollen des Labelvereins nicht aus oder sie werden umgangen.

Investoren aus Europa

Wer die Besitzer und Anteilseigner von Tamshi SAC sind, ist nicht bekannt. Die Firma ist eine geschlossene Aktiengesellschaft (Sociedad Anónima Cerrada) nach peruanischem Recht, was es ermöglicht, die Eigentümerstruktur zu verschleiern.

Ein im Jahr 2017 abgeschlossener notarieller Darlehns- und Hypothekenvertrag von Tamshi SAC mit sechs Investoren aus Europa und Singapur, der im Internet veröffentlich ist, gibt dagegen Hinweise auf die Geldgeber. Nach Auszügen aus dem peruanischen Grundbuch- und Firmenregisteramt SUNARP, die die Umweltorganisation Kene veröffentlicht hat, handelt es sich um ein Darlehen über 0,9 Millionen Euro und Hypotheken über insgesamt 9 Millionen Euro, die sechs Investoren aus der Schweiz, Frankreich und Singapur der Kakaofirma gewährt haben.

Der Vertrag umfasst 87 zusammenhängende Grundstücke östlich des Ortes Tamshiyacu am Amazonas mit einer Gesamtfläche von rund 3.900 Hektar, auf denen Tamshi SAC seine Kakaoplantagen betreibt. Die Firma hat dazu über 2.380 Hektar Regenwald gerodet, der größte Teil davon Primärwald, analysiert das auf die Regenwaldüberwachung per Satellit spezialisierte MAAP-Projekt.

Niantic Finance AG

Zu den Investoren gehört laut dem Vertrag die Niantic Finance AG c/o Jacobs Holding AG in Zürich. Die Niantic Finance AG ist eine Tochtergesellschaft der Niantic Holding GmbH mit Sitz in Hamburg. Als Präsident bzw. Geschäftsführer letzterer beider Unternehmen ist der Deutsche Dr. Walther Andreas Jacobs aus Hamburg eingetragen.

Das finanzielle Engagement der Niantic Finance AG in Peru wirft viele Fragen auf. Offenbar hat das Unternehmen keine Bedenken, in die Kakaofirma Tamshi SAC zu investieren, die ihre Plantagen in den Amazonasregenwald gerodet hat und gegen die zahlreiche Verfahren laufen.

Der Hypothekenvertrag listet auf mehreren Seiten gegen Tamshi SAC laufende administrative, staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren und Verfahren vor verschiedenen Gerichten auf, darunter Verwaltungs-, Arbeitsrecht-, Zivil-, Straf- und Verfassungsgerichte. Es geht um mögliche Verstöße der Firma und ihrer Mitarbeiter gegen die peruanische Verfassung und Delikte wie Regenwaldrodung, widerrechtlichen Holzhandel, Landaneignung und Verfahrensbehinderung.

Laut Professor Dr. Thomas Zellweger von der Universität St. Gallen, der auf Forschung über Familienunternehmen spezialisiert ist, verwaltet die Niantic Holding Teile des Vermögens der schweizerisch-deutschen Unternehmerfamilie Jacobs.

Die Jacobs Familie hat den Schweizer Konzern Barry Callebaut AG aufgebaut, dem weltweiten Marktführer bei Kakao und Schokolade. Mit etwa 50% der Aktien, die sich im Besitz der Familie über die Jacobs Holding sowie über Anteile von einzelnen Familienmitgliedern sind die Jacobs Hauptanteilseigner bei Barry Callebaut. Dr. Andreas Jacobs war außerdem von 2003 bis 2005 einfaches Mitglied und von 2005 bis 2016 Präsident des Verwaltungsrates von Barry Callebaut.

Ob es möglicherweise einen Zusammenhang zwischen der Investition der Niantic Finance AG in die Kakaofirma am Amazonas und dem Schweizer Schokoladenkonzern Barry Callebaut AG gibt, ist unklar. Rettet den Regenwald hat die Niantic Finance AG schriftlich um Aufklärung bezüglich ihres Engagements bei Tamshi SAC gebeten. Die Firma hat nicht geantwortet, dafür aber der Anwalt der Jacobs Holding AG, unter deren Adresse die Niantic Finance AG ihre Postadresse hat. Die Jacobs Holding hat demnach keinerlei Geschäftsbeziehungen mit Tamshi SAC.

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