Ecuador: Pipelinebruch verursacht Ölpest im Regenwald
01.02.2022
In Ecuador ist erneut die mit deutscher Finanzierung gebaute Schwerölpipeline OCP gebrochen. 6.000 Barrel Rohöl sind laut dem Energieminister im Regenwald ausgelaufen. Die indigenen Einwohner:innen beklagen die weitläufige Verseuchung von Flüssen im Amazonasgebiet. Rettet den Regenwald fordert die Bundesregierung auf, keine Ölprojekte zu fördern.
Am vergangenen Freitag, dem 28. Januar 2022, ist es nach einem erneuten Bruch der Schwerölpipeline OCP (Oleoducto de Crudos Pesados) zu einer schweren Ölpest im ecuadorianischen Amazonasgebiet gekommen. Die Havarie ereignete sich an einem Berghang im Sektor Piedra Fina am Rande des Nationalparks Cayambe-Coca.
Aufnahmen des Fernsehsender Teleamazonas zeigen, wie aus der geborstenen Pipeline eine Ölfontäne in den Regenwald schießt, wie Erdöl zwischen Pipelinerohren den Berghang hinab strömt und sich mit dem Wasser von Bachläufen vermischt, die sich dann in den Coca-Fluss im Tal ergießen.
Die Indigenenverbände CONAIE und CONFENIAE zeigen auf Twitter sowie unter #SOSDerrameAmazonía mit Videos und Fotos das Ausmass der Ölverseuchung. Das Erdöl verschmutzt demnach den Fluss Coca über Dutzende Kilometer und reicht bis zum Napo, einem Nebenfluss des Amazonas. Die an den Flüssen gelegenen Indigenendörfer sind von dem sich ausbreitenden Öl schwer getroffen.
Nach Angaben der ecuadorianischen Energieministers Juan Carlos Bermejo sollen bei der Havarie 6.000 Barrel Erdöl ausgetreten sein, schreibt El Comercio aus Quito. Die Zeitung berichtet auch von einem weiteren Bergsturz am 31. Januar 2022, der ganz in der Nähe die Pipelinetrasse getroffen hätte.
Bereits im April 2020 war wenige Kilometer entfernt die OCP-Pipeline zusammen mit zwei weiteren Ölleitungen in den Coca-Fluss gestürzt und hatten eine gravierende Ölkatastrophe verursacht. 15.000 Barrel Rohöl kontaminierten die stromabwärts gelegenen Flüsse im Amazonasgebiet weitläufig mit Öl.
Mitarbeiter unserer Partnerorganisation Acción Ecológica aus Quito sowie ein Journalist des Umweltportals Mongabay haben die Situation am Unglücksort dokumentiert. Piedra Fina liegt am Fuss des Vulkans El Reventador nahe dem Dorf San Luís im Gemeindebezirk Gonzalo Díaz de Pineda in der Provinz Napo.
Sie berichten von unerträglichem Gestank nach Öl und Schwefel. Mit Baggern lässt OCP Erdbecken ausheben und Dämme aufschütten, um einen Teil des ausgelaufenen Öls aufzufangen. Pumpen befördern das Öl in Tankwagen, um es dann wegzuschaffen.
OCP und die Regierung verharmlosen die Situation
Der Betreiber OCP schreibt in einer Pressemitteilung, dass das Unglück "durch Steinschlag aufgrund starker Regenfälle verursacht" worden sei. Die Firma "arbeite demnach mit Hochdruck daran, um jede Art von Risiko zu vermeiden, dass das Öl Wasserläufe erreichen könnte". Am Samstag sei zudem "als Vorsichtsmaßnahme der Pumpbetrieb der Pipeline eingestellt worden, um Umweltschäden zu vermeiden", so OCP in einer weiteren Meldung.
Auch die ecuadorianische Regierung und hohe Funktionäre des Umweltminsiteriums versuchen auf Twitter und auf Facebook die Katastrophe herunterzuspielen. Sie ignorieren ebenfalls die Ölverseuchung der Flüsse und drängen auf eine rasche Wiederinbetriebnahme der Pipeline, um die Ölförderung und Exporte nicht zu beeinträchtigen.
Weder OCP noch die ecuadorianische Regierung beherrschen die Lage
Einen Tag vor der Havarie hatte das Energieministerium noch verkündet, dass die Ölproduktion des Landes mit täglich 496.000 Barrel vorherige Produktionsvolumen überträfe, nachdem es am 12. Dezember 2021 die Erdölexporte des Landes „aufgrund höherer Gewalt“ suspendiert hatte. Dadurch sollten Arbeiten an den „von Erosion bedrohten Ölpipelines im Gebiet von Piedra Fina ermöglicht werden“. Zwei Wochen vor der Havarie der OCP-Pipeline, am 6. Januar 2022, hatte die Regierung die Maßnahme wieder aufgehoben.
Seit Monaten führt OCP Bauarbeiten an den Berghängen am Coca-Fluss durch. Die Investitionen liegen in Millionenhöhe, schrieb OCP in einer Pressemitteilung im Mai vergangenen Jahres und kündigte den Bau einer dritten Trassenvariante der Pipeline im Gebiet von Piedra Fina an.
Neben OCP betreibt auch der staatliche Ölkonzern Petroecuador in dem Gebiet eine Öl- sowie eine Treibstoffpipeline. Beide Betreiber haben inzwischen jeweils mehrere temporäre und permanente Trassenvarianten in dem Gebiet angelegt und dort neue Ölleitungen verlegt, die nun erneut von Bergstürzen getroffen wurden.
Die OCP-Pipeline ist ein Produkt von Ignoranz und Geldgier
Die Pipelinebrüche und deren gravierende Folgen kommen weder überraschend noch sind sie ein unvorhersehbares Naturereignis. Die 500 Kilometer lange OCP-Pipeline verläuft durch geologisch extrem instabiles Gebiet. Sie ist permanent von schweren Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Bergstürzen und Überschwemmungen bedroht.
Errichtet wurde die OCP-Pipeline in den Jahren 2001 bis 2003 von einem Konsortium von sechs internationalen Ölkonzernen. Rettet den Regenwald hatte damals zusammen mit Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen aus Ecuador und der ganzen Welt gegen das Projekt protestiert.
Denn schon damals war klar: Das OCP-Pipelineprojekt ist nicht beherrschbar und erfüllt nicht internationale Umwelt- und Sozialstandards. Zudem führte es zur Erschließung weiterer Ölvorkommen im Amazonasgebiet wie im weltbekannten Yasuní-Nationalpark. Die Ölförderung bedroht den Regenwald und die dort lebenden indigenen Völker. Außerdem ist das durch die Leitung gepumpte Schweröl extrem umweltschädlich.
Der Bau der OCP-Pipeline wurde mit deutschen Geldern finanziert
Finanziert wurde der Bau mit einem Kredit über umgerechnet 900 Millionen Euro von einer Gruppe internationaler Banken unter der Führung der Westdeutschen Landesbank (WestLB). Doch trotz massiver Proteste und aller Warnungen hielt die öffentlich-rechtliche Bank im Besitz des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen und mehrerer Sparkassenvereinigungen an dem Projekt fest. Die dafür notwendige politische Rückendeckung erhielt die WestLB von der damaligen Landesregierung und den im Parlament vertretenden Parteien.
Doch zur Rechenschaft ziehen kann man die WestLB nicht mehr. Nach zahlreichen Skandalen und Millionenverlusten wurde die WestLB von ihren Anteilseignern 2012 aufgelöst und abgewickelt. Auch die damals verantwortlichen Landespolitiker wie Wolfgang Clement und Peer Steinbrück sind nicht mehr in der Regierungsverantwortung.
Rettet den Regenwald fordert die Bundesregierung auf, keine Ölprojekte zu fördern. Außerdem sollte sie Ecuador technische und finanzielle Hilfe anbieten, um die Ölverseuchung zu beseitigen und die fatale Abhängigkeit des Landes von der Ölindustrie zu beenden. Der Export von Erdöl ist die wichtigste Einnahmequelle des südamerikansichen Landes.
Regression des Coca-Flusses
Mitte Dezember hat das Umweltportal Mongabay ausführlich über die völlig außer Kontrolle geratene Situation in Piedra Fina und weiten Teilen des Tales des Coca-Flusses berichtet. Der Fluss befindet sich seit zwei Jahren in einem Prozess rascher rückschreitender Erosion. Das Wasser frisst sich dabei immer tiefer in die Sedimente und unterspült dabei die Berghänge, was die dort verlaufenden Trassen der Ölpipelines sowie eine wichtige Landstraße von Quito ins Amazonastiefland massiv bedroht. Aber auch Häuser und landwirtschaftliche Kulturen stürzen in den Abgrund.
Die rasch fortschreitende Erosion steht mit dem Kollaps des einige Kilometer stromabwärts gelegenen Wasserfalls San Rafael im Jahr 2020 in Verbindung. Dort, am Fuss des Vulkans El Reventador, stürzte der Fluss spektakulär 150 m über einen ehemaligen Lavastrom in die Tiefe, der nach einem Ausbruch vor etwa 8.000 Jahren eine Barriere im Flussbett gebildet hatte. Das oberhalb des Lavadamms gelegene Flusstal hatte sich dabei im Laufe der Zeit mit Geröll und Gesteinsschutt gefüllt.
Am 7. Februar 2020 hat sich im Flussbett vor der Lavazunge ein Loch aufgetan, was den Wasserfall zum Versiegen brachte. Offenbar hatte der Fluss die Lavazunge unterspült. Seitdem spült der Fluss die oberhalb gelegenen Sedimente fortschreitend rasch fort, was das gesamte Tal instabil gemacht hat. Mittlerweile hat sich die Dutzende Meter hohe Bruchkante 11 Kilometer flussaufwärts verschoben.
Wasserkraftwerk Coca Codo Sinclair
Inzwischen gerät auch das bei El Salado gelegene Wasserkraftwerk Coca Codo Sinclair zunehmend in Gefahr. Das größte und teuerste Kraftwerk (geplante Leistung 1.500 MW, Baukosten 2,7 Milliarden US$) des Landes wurde von dem chinesischen Konzern Sinohydro errichtet und 2016 in Betrieb genommen. Das von der staatlichen chinesischen EXIM-Bank finanzierte Projekt hat in Ecuador wegen massiver Korruption eine schwere politische Krise ausgelöst und das Land in eine fatale Abhängigkeit von China gebracht. Aufgrund gravierender Baumängel hat die ecuadorianische Regierung das Wasserkraftwerk bisher nicht formal angenommen und erklärt, ein Verfahren vor dem Internationalen Schiedsgericht ICC (International Court of Arbitration der International Chamber of Comerce) anzustrengen.
Mehrere Experten:innen, darunter Emilio Cobo, Koordinator des Wasserprogramms der UICN für Südamerika, sehen einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Kraftwerk und der rückschreitenden Erosion am Coca-Fluss. Das von Beginn an sehr umstrittene Wasserkraftwerk hätte mit seinem Staudamm und speziellen Sandfilteranlagen den Strom von Sedimenten im Flussbett verändert. Der reduzierte Sedimentstrom im Fluss könnte die Unterspülung der Lavazunge am Wasserfall von San Rafael verursacht und damit den fatalen Prozess der rückschreitenden Erosion im Coca Fluss eingeleitet haben.
Update 13.2.2022
Spiegel-Online hat unsere Berichterstattung aufgenommen und mit unserer Partnerorganisation Acción Ecológica in Ecuador ein Interview geführt. Leider ist der Artikel nur für Abonnenten:innen zugänglich:
Pipeline-Unglück im Regenwald »Eine angekündigte Tragödie«
Das OCP-Pipelineprojekt ist nicht beherrschbar und erfüllt nicht internationale Umwelt- und SozialstandardsArtikel in unserer Vereinszeitschrift Regenwald Report 4-2002, Seiten 8 - 13: https://www.regenwald.org/uploads/regenwaldreport/pdf/rdr-report0204.pdf