Antworten auf unsere Petition zu zertifiziertem Palmöl aus Brasilien

Bildschirmfoto von der Webseite von Agropalma mit den Logos der verschiedenen der Firma erteilten „Siegeln“ Bildschirmfoto von der Webseite von Agropalma mit den Logos der verschiedenen der Firma erteilten „Siegeln“ (© RdR-Screenshot)

11.05.2023

Rettet den Regenwald hat im Zusammenhang mit unserer Petition gegen den Schwindel mit zertifiziertem Palmöl des Agropalma-Konzerns aus Brasilien die Siegel-Organisationen, Zertifizierer und Kunden des Palmöl angeschrieben. Hier deren Antworten und unsere Analyse.

Aktualisiert am 18. Mai 2023

Die in unserer Petition „Biologisch? Nachhaltig? Fair? Die Wahrheit über Palmöl aus Brasilien“ offen gelegten Zustände beim brasilianischen Palmöl-Konzern Agropalma zeigen, dass zertifiziertes Palmöl ein Etikettenschwindel ist. Trotz seit Jahren bestehender Gerichtsurteile, die über die Hälfte der Landflächen von Agropalma wegen illegalem Landhandel annullieren, Klagen der Bevölkerung über Landraub, Gewalt, Menschenrechtsverstöße und schlechter Arbeitsbedingungen, verkauft Agropalma weiterhin zertifiziertes Palmöl:

Die RSPO-Zertifikate der Palmöl-Raffinerien in Belém (Pará) und in Limeira (São Paulo) "bleiben gültig und haben keine Auswirkungen auf die Auslieferung von Aufträgen“, lässt Agropalma verlauten.

Wir haben die Siegel-Organisationen, Zertifizierungsfirmen und Kunden des Palmöls angeschrieben. Nachfolgend deren Antworten und unsere Analyse:

1. Palmöl-Siegel

a. Palm Oil Innovation Group (POIG)

Am meisten überrascht hat uns die Antwort der Palm Oil Innovation Group (POIG), dem Siegel mit den nach eigenen Angaben weltweit höchsten sozialen und ökologischen Standards hinsichtlich Palmöl. Erst nach sechs Wochen und wiederholten Anfragen wischt das Siegel seine Verantwortung mit einem einzigen Satz beiseite:

Da sich die POIG in der Auflösung befindet und der Fall Agropalma derzeit ein Gerichtsverfahren durchläuft, werden wir uns nicht zu den Einzelheiten des Falles äußern“.

Über die Gründe für das Scheitern von POIG macht das Siegel keinerlei Angaben. Auf Nachfrage von Rettet den Regenwald schreibt man uns, dass „die Entscheidung, die Arbeit von POIG zu beenden, nicht mit dem Fall Agropalma zusammenhänge“.

POIG wurde 2013 geschaffen, um die Palmölindustrie zu revolutionieren. Zu den Gründungsmitgliedern des Labels gehören Organisationen wie Greenpeace, Rainforest Action Network, der WWF und - vermeintlich - besonders vorbildliche Palmölfirmen wie Agropalma in Brasilien. Als weitere Mitglieder und zugleich Kunden des zertifzierten Palmöls sind Lebensmittel- und Konsumgüterkonzerne wie Danone, Ferrero und L’Oreal später dazugekommen.

Greenpeace bezeichnete damals POIG als "Sprung nach vorn" bei den Bemühungen um die Umgestaltung der Palmölindustrie“. „POIG habe neue, robuste und praxiserprobte Prüfindikatoren veröffentlicht, die den dringend benötigten Wandel in der Branche vorantreiben werden, (…) um die Verbindung zwischen Palmöl, der Zerstörung von Wäldern und Torfmooren sowie der Verletzung von Menschen- und Arbeitsrechten zu durchbrechen.“

Fakt ist: Nach zehn Jahren ist POIG aller Bekundungen einer angeblich besseren und nachhaltigen Zukunft zum Trotz gescheitert. In der Zwischenzeit wurden viele weitere Millionen Hektar Land in Ölpalm-Plantagen umgewandelt, Menschen vertrieben und geknechtet. Die Palmöl-Industrie ist und bleibt ein zerstörerisches Geschäft.

b. Runder Tisch für Nachhaltiges Palmöl (RSPO)

Die Siegel-Organisation Runder Tisch für Nachhaltiges Palmöl (RSPO) antwortet uns: „Menschenrechtsverletzungen im Palmölsektor stellen weiterhin eine Herausforderung dar. (…) Derzeit arbeitet der RSPO eng mit der Zertifizierungsstelle IBD und dem Partner und Akkreditierungsorgan Assurance Services International (ASI) zusammen, um die Vorwürfe gegen Agropalma zu verstehen und zu überprüfen.“ Und weiter:

Am 8. Februar 2023 setzte IBD das RSPO-Zertifikat von Agropalma vorübergehend aus. Agropalma reichte am 13. Februar 2023 einen Einspruch gegen die Aussetzung des Zertifikats ein, den das IBD derzeit prüft. Agropalma wird aufgefordert, die Nichtkonformitäten zu beheben und Vorschläge für Abhilfemaßnahmen vorzulegen, auf deren Grundlage das IBD die Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen weiter überprüfen wird.“

Leider ist das von RSPO und IBD eingeleitete Verfahren völlig intransparent. Es ist nicht klar, um welche konkreten Fälle von Menschenrechtsverletzungen es geht und wie diese gelöst und behoben werden sollen. Der Kern der Probleme liegt in den zahlreichen Landkonflikten von Agropalma. Brasilianische Gerichte haben Agropalma bereits 58.000 Hektar Landflächen - über die Hälfte der unter RSPO zertifizierten Fläche, wegen illegalem Landhandel und Urkundenfäschung annulliert. Weitere behördliche Untersuchungen und Verfahren laufen.

Es ist schwer vorstellbar, wie diese Situation behoben werden kann. Völlig unverständlich ist es auch, wie die Palmöl-Raffinerien von Agropalma in Belém (Pará) und in Limeira (São Paulo) trotz der Suspendierung des Zertifikats offenbar weiter zertifiziertes Palmöl verkaufen können.

c. Biosiegel: EU Ökoverordnung, USDA Organic, JAS

Biosiegel zertifizieren nur, dass die landwirtschaftlichen Produkte ohne den Einsatz von Pestiziden, mineralischen Düngemitteln und Gentechnik produziert werden. Sie schließen weder Regenwaldrodung aus noch garantieren sie soziale Kriterien wie angemessene Arbeitsbedingungen oder faire Löhne. Auch die Zertifizierer haben kein Mandat von den Siegelorganisationen, über die Anfordungen hinauszugehen, selbst wenn sie auf gravierende Probleme wie Kinderarbeit stossen. Allerdings müssen die zertifizierten Landflächen im legalen Besitz des jeweiligen Produzenten sein, was im Falle von Agropalma strittig ist.

2. Zertifizierer von Agropalma

d. Zertifizierer IBD

Der brasilianische Zertifizier IBD, der allein sechs der Label an Agropalma vergeben hat, darunter die Siegel für POIG und RSPO, hat nach fast 2 Monaten auf unsere Anfragen mit einer knappen Antwort reagiert: "Das Zertifikat von Agropalma ist seit Februar 2023 ausgesetzt, aber die Informationen des Unternehmens oder die Gründe für die Aussetzung sind vertraulich. Nach den Verfahren des IBD kann das Unternehmen Berufung einlegen oder einen Aktionsplan vorlegen, um die fraglichen Indikatoren zu erfüllen. Wir überwachen die Maßnahmen des Unternehmens zusammen mit dem RSPO und ASI. Was die anderen Protokolle betrifft, so sind die Informationen ebenfalls vertraulich."

Mit anderen Worten: Die Kunden des Palmöls und die allgemeine Öffentlichkeit müssen blind darauf vertrauen, dass der Zertifzierer IBD, der direkt von Agropalma für seine Dienste bezahlt wird, die Einhaltung der Standards überprüft und gewährleistet.

e. CERES

Der deutsche Zertifizierer Ceres GmbH, der Agropalma nach dem japanischen Bio-Standard JAS zertifiziert hat, hat geantwortet, dass „die Informationen für uns vollkommen neu sind“ und sie Agropalma aufgefordert haben, Nachweise zu liefern, dass für die von CERES zertifizierten Flächen weiterhin legale Landtitel vorliegen. In einer weiteren Nachricht bestätigt Ceres auf unsere Anfrage: „Agropalma hat die Nachweise geschickt, dass diese (und weitere Flächen) legal in ihren Besitz übergegangen sind. Es liegen entsprechende Bestätigungen der Verwaltungen aus Tailandia und Moju aus dem Jahr 2018 vor.“

Eigene Nachforschungen betreibt Ceres nicht und verlässt sich trotz der Landannullierungen durch brasilianische Gerichte, den nachgewiesenen Betrug und Dokumentenfälschungen weiter auf die Angaben von Agropalma. Wobei aufgrund der Urteile Bestätigungen aus dem Jahr 2018 sehr fragwürdig und unter Umständen nicht mehr gültig sind.

3. Lebensmittel- und Konsumgüterhersteller

f. Alnatura

Der deutsche Biohersteller Alnatura schreibt:

Aktuell beziehen 80 % unserer Herstellerpartner Palmöl aus Kolumbien, weitere Herkünfte sind Ecuador und Brasilien. (…) Wir stehen in keiner direkten Geschäftsbeziehung zu Agropalma. Dennoch versuchen wir möglichst umfassende Informationen zu erhalten, was die Vorwürfe an Agropalma betrifft, um entsprechend zu handeln, sollte es erforderlich sein.“

Die Angabe ist allerdings widersprüchlich, denn in einigen Alnatura-Produkten steckt offenbar sehr wohl Palmöl von Agropalma drin. Um das zu verschleiern, hat Alnatura inzwischen sogar auf seiner Webseite “Fragen und Antworten zu Palmöl” einen ganzen Absatz gelöscht.

Wie das Internetarchiv belegt, stand dort mindestens bis zum 31. März 2023 noch die Frage „Woher beziehen die Hersteller der Alnatura-Produkte ihr Palmöl?“ mit der Antwort: Weltweit gibt es vor allem zwei Bio-Palmöl-Produzenten, die die Bio-Branche mit ausreichend und konstanten Mengen versorgen: Agropalma aus Brasilien und Daabon Organic aus Kolumbien. Die meisten unserer Herstellerpartner verwenden Palmfett von Daabon Organic. (…)“.

g. Hershey

Der US-Süßwarenhersteller Hershey antwortet:

Die Hershey Company nimmt alle Vorwürfe von Menschenrechts- und Arbeitsrechtsverletzungen sowie Verstöße gegen die NDPE-Richtlinie (Keine Waldrodung, Keine Torfböden und Keine Ausbeutung) sehr ernst. Über unseren direkten Lieferanten Cargill haben wir indirekte Verbindungen zu Agropalma. Wir sind über die Anschuldigungen gegen Agropalma und die Aussetzung der RSPO-Zertifizierung informiert. Wir verfolgen die Entwicklungen in diesem Fall durch Cargill und den RSPO.“

h. Nestlé

Der Schweizer Lebensmittelmulti Nestle schreibt uns:

Wir haben mit Agropalma zusammengearbeitet, unter anderem durch Aktionspläne und Schulungen, um ihnen zu helfen, Lücken zu schließen und Verbesserungsmöglichkeiten zu ermitteln. Insbesondere führt Agropalma derzeit Schulungen zur weiteren Stärkung ihrer NPDE-Politik durch, insbesondere zum Schutz der Menschenrechte und zur Konfliktlösung mit den lokalen Gemeinschaften. Wir werden die Situation weiterhin genau beobachten, auch den laufenden Vermittlungsprozess, für den ein von den lokalen Gemeinschaften gewählter Vermittler ernannt wurde.“

Rettet den Regenwald fordert, dass der laufende Vermittlungsprozess offen, transparent und gerecht verlaufen muss, alle Betroffenen eingebunden sein müssen und frei ist von jeglicher Einschüchterung oder Bedrohung, was aufgrund der Gewalt in der Region eine echte Herausforderung sein wird.

i. AKK

Der schwedische Palmölhändler AKK schreibt uns, dass sie einen Blick auf die Informationen werfen werden“ und „eine Antwort auf unsere Fragen innerhalb der angegebenen Zeit leider nicht möglich ist“.

Nicht auf unsere Anfrage reagiert haben ADM, Bunge, Cargill, Danone, Ferrero, General Mills, Kellogg Company, Mars, Mondelez, Olenex, PepsiCo, Pz Cussons, Unilever und Upfield. Für die Unternehmen sind die zahllosen auf ihren Webseiten veröffentlichen Darstellungen und Broschüren über Corporate Social Responsability, den Schutz der Menschenrechte und Umwelt offensichtlich nur PR-Bekundungen.

Unsere Position

Die Antworten der Firmen und das Aus von POIG zeigen, dass Siegel der Industrie und freiwillige Initiativen der Wirtschaft die Probleme der Palmölindustrie nicht lösen können. Sie untermauen die schon seit Jahren bestehenden Forderungen von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen aus aller Welt, den Etikettenschwindel und das Greenwashing mit freiwilligen Siegeln zu beenden. Stattdessen fordern wir gesetzlich vorgeschriebene verbindliche Standards, die Überprüfung von deren Einhaltung und empfindliche Strafen im Falle von Verstößen.


  1. Assurance Services International (ASI) ASI Assurance Services International GmbH (ASI) aus Deutschland hat nach eigenen Angaben den brasilianischen Zertifizierer IBD, der Agropalma das RSPO-Label erteilt hat, überprüft und am 8. Juni 2022 weltweit für die Zertifizierung mit dem RSPO-Palmöllabel ausgesetzt. Das hat ASI ein halbes Jahr später veröffentlicht (siehe ASI 2022. ASI suspends IBD Certifications Ltd. for RSPO P&C: https://www.asi-assurance.org/s/post/a1J5c00000UCFmHEAX/p0980. Die Gründe der Aussetzung von IBD sind für die Öffentlichkeit leider völlig unklar, genauso wie die Wiedereinsetzung von IBD am 4. Februar 2023 durch ASI (siehe ASI 2023. Suspension lifted for IBD Certifications Ltd. for RSPO P&C accreditation: https://www.asi-assurance.org/s/post/a1J5c00000WmVqYEAV/p1056.

  2. NDPE-Richtlinie (Keine Waldrodung, Keine Torfböden und Keine Ausbeutung)NDPE = No Deforestation, No Peat and No Exploitation

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