Hände weg von der EU-Verordnung gegen Entwaldung

Bulldozer rodet Regenwald Regenwaldrodung für Ölpalmplantagen auf Borneo, Indonesien (© IAR) Der Stamm eines tropischen Baumriesen wird von einem Forstschlepper aus dem Regenwald in Zentralafrika gezogen Tropenholz-Einschlag im Regenwald des Kongobeckens (© Global Witness) Rinderherde in Mato Grosso Rinderherde im Bundesstaat Mato Grosso in Brasilien (© alffoto / istockphoto.com) Indigene Frauen in Brasilien protestieren mit einem Banner gegen die Abholzung ihrer Regenwald- und Schutzgebiete Indigene Frauen protestieren gegen Abholzung und Landraub in Brasilien (© Apib Comunicação - CC BY-SA 2.0)

24.10.2024

Am 2. Oktober hat die EU-Kommission dem Lobbydruck aus Wirtschaft und Politik nachgegeben und vorgeschlagen, die Anwendung der EU-Verordnung gegen Entwaldung (EUDR) um 12 Monate zu verschieben. Umweltorganisationen aus aller Welt reagieren scharf und fordern das EU-Parlament auf, den Vorschlag abzulehnen und die Wälder der Erde zu schützen.

Seit Monaten haben Lobbyisten aus der Wirtschaft und zahlreiche Regierungen - darunter aus Deutschland, Österreich, Indonesien und Brasilien - auf die Europäische Kommission eingetrommelt und Stimmung gegen die Anwendung der EU-Verordnung gegen Entwaldung (EUDR) ab Januar 2025 gemacht.

Mit dem Regelwerk will die EU die Wälder vor den Auswirkungen unseres Konsums von Produkten wie Rindfleisch, Leder, Palmöl, Kaffee, Kakao, Holz, Gummi und Soja, aber auch die Rechte der in den Waldgebieten lebenden Menschen besser schützen.

Am 28. September hat Rettet den Regenwald dazu die Petition „Die EU muss die Wälder schützen und darf den Abholzern nicht nachgeben“ gestartet, die an die EU-Kommission, das EU-Parlament und den EU-Ministerrat gerichtet ist. 63.000 Menschen aus aller Welt haben daran schon teilgenommen.

Doch wenige Tage später ist die EU-Kommission eingeknickt. Am 2. Oktober hat die EU-Kommission vorgeschlagen, die Anwendung der EU-Verordnung gegen Entwaldung um 12 Monate zu verschieben. Der EU-Ministerrat hat dem bereits im Blitzverfahren zugestimmt.

Scheinheilige und miserable Haltung

 

Die Unternehmen und Regierungen beklagen, dass das Regelwerk zu spät von der EU veröffentlicht, nicht klar genug sei und sie nicht genug Zeit gehabt hätten, sich auf die Anwendung des EU-Waldschutzgesetzes vorzubereiten.

Die Haltung der Unternehmen und Regierungen ist scheinheilig und miserabel“, erklärt Klaus Schenck, Waldreferent von Rettet den Regenwald. „Es ist völlig unakzeptabel, dass viele Unternehmen zum Ende des Jahres 2024 immer noch nicht Agrarrohstoffe und Holzprodukte aus ihrer Lieferkette ausschließen können oder wollen, für die Wälder abgeholzt, die Menschenrechte und Landrechte verletzt oder die unter miserablen Arbeitsbedingungen produziert werden.“

Rettet den Regenwald fordert das Europäische Parlament auf, den Vorschlag der EU-Kommission abzulehnen und die Wälder der Erde jetzt besser zu schützen.

Organisationen aus aller Welt protestieren

Weit über 200 Umwelt-, Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen - darunter Rettet den Regenwald e.V. und Salva la Selva - aus über 40 Ländern und 20 europäischen Mitgliedstaaten haben sofort mit einer gemeinsamen Erklärung an die Europäische Union reagiert.

Unter dem Titel „Hände weg von der EU-Verordnung gegen Entwaldung“ fordern sie das Europäische Parlament und im EU-Ministerrat vertretenen Regierungen der Mitgliedsländer auf, den Vorschlag der Europäischen Kommission abzulehnen und keine Verschiebung um zwölf Monate zu dulden.

Die EUDR ist eine weltweite Premiere im Kampf gegen Entwaldung, Waldschädigung und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Menschenrechte“, so die Erklärung. Das EU-Gesetz gegen Waldrodungwurde auf demokratische Weise mit einer Rekordbeteiligung der Öffentlichkeit angenommen.

Deutliche Worte vom indigenen Dachverband aus Brasilien

 

In einer Zeit, in der der größte Teil des brasilianischen Territoriums in Rauch aus Bränden in fast allen Biomen gehüllt ist, ist es bedauerlich, dass die Umsetzung der EUDR verschoben wird. Wir halten die Verordnung für ein grundlegendes und zusätzliches Instrument zur Reduzierung der Waldzerstörung in Brasilien“, erklärt Dinamam Tuxá, Exekutivkoordinator des brasilianischen Dachverbandes der indigenen Völker APIB.

Diese Entscheidung ist ein klarer Beweis für den Einfluss der Agrarlobby auf demokratische Entscheidungsprozesse und macht es den Ländern unmöglich, ihre globalen Verpflichtungen im Rahmen des Pariser Abkommens zu erfüllen“, so Tuxá weiter.

Es geht nicht nur um die Verringerung der Abholzung im Zusammenhang mit den nach Europa exportierten Rohstoffen, sondern auch um schwere Menschenrechtsverletzungen in indigenen Gebieten und traditionellen Gemeinschaften, deren Land durch räuberische Aktivitäten angegriffen und zerstört wird, erklärt der Indigenenverband.

Indonesische Organisationen sind besorgt

Auch in Indonesien gibt es Reaktionen auf das Manöver der Europäischen Kommission: „Wir sind über den Vorschlag besorgt, die vollständige Umsetzung der EUDR-Verordnung zu verschieben, da dies den Fortschritt der laufenden Verbesserungsbemühungen im Rohstoffsektor behindern könnte“, schreibt eine Allianz von 45 indonesische Organisationen – darunter auch Partner von Rettet den Regenwald und Netzwerke, mit denen wir kooperieren, in einem öffentlichen Aufruf vom 7. Oktober.

Unabhängig von der möglichen Verzögerung der Umsetzung der EUDR bleibt die Dringlichkeit hoch, die Rohstoff-Governance zu verbessern, angesichts der steigenden Anforderungen des Weltmarkts und der Verpflichtung Indonesiens, die Klimakrise im Forst- und Agrarsektor zu bewältigen“, so der Aufruf weiter. Mit einem Forderungskatalog wenden sich die Organisationen an die eigene Regierung.

Mehrere indonesische Ministerien lehnen die EUDR ab. Das halte ich für überzogen und bedauerlich“, erklärt Andi Muttaqien, Direktor der Organisation Satya Bumi, in dem Dokumentarfilm Afsya. „Denn wir sehen die EUDR als Momentum, das wir nutzen sollten, um die Nutzung wichtiger Rohstoffe zu verbessern. Diese Rohstoffe müssen wirklich frei von Abholzung sein. Die Abholzung in Indonesien muss gestoppt werden. Dieses Momentum muss genutzt werden“, so Muttaqien.

In Brasilien betrifft die EUDR die alle sieben Rohstoffe Holz, Soja, Rinder, Kaffee, Kakao, Palmöl und Kautschuk, in Indonesien die fünf Rohstoffe Palmöl, Kakao, Kaffee, Kautschuk und Holz.

Wie geht es weiter?

 

Nun ist das Europäische Parlament an der Reihe. Im Mai 2023 hatten die Abgeordneten noch mit überwältigender Mehrheit für das Gesetz gestimmt. Doch nach den EU-Wahlen herrschen andere politische Verhältnisse im Parlament.

Die Debatte und Abstimmung im Parlament bietet nicht nur die Möglichkeit, die Anwendung des Waldschutzgesetzes um ein Jahr zu verschieben, sondern das ganze Gesetz mit weiteren Änderungsvorschlägen aufzuweichen – wohlmöglich bis es völlig wirkungslos ist.

Normalerweise hätte zunächst der Umweltausschuss über den Vorschlag sowie über den gesamten Text abgestimmt, bevor er ihn an das Plenum des Europaparlaments weitergeleitet hätte. Aufgrund der Dringlichkeit soll nun offenbar das Plenum direkt über den Vorschlag abstimmen - wahrscheinlich am 13. und 14. November.

Der indonesische Wirtschaftsminister hat nach dem Vorschlag der EU-Kommission sofort nachgelegt. Indonesien sei besorgt über die EU-Vorschriften gegen Entwaldung, nicht über den Zeitrahmen für die Umsetzung. Im Umweltausschuss des EU-Parlaments haben bereits einige Parlamentarier auf einer Diskussion am 14. Oktober durchblicken lassen, dass sich nun die Möglichkeit eröffnet, jeden Abschnitt der EUDR zu ändern.

Rettet den Regenwald fordert das Europäische Parlament auf, den Vorschlag abzulehnen und mit der Anwendung der Verordnung gegen Entwaldung zum 1. Januar 2025 zu beginnen - so wie bereits 2023 mit großer Mehrheit und Konsens beschlossen.


  1. Deutschland Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 13.9.2024. Bundesregierung fordert Verschiebung der EUDR:https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/091-vo-entwaldungsfreie-produkte.html

  2. Indonesien Reuters, 8.6.2023. Indonesia accuses EU of 'regulatory imperialism' with deforestation law:https://www.reuters.com/business/environment/indonesia-accuses-eu-regulatory-imperialism-with-deforestation-law-2023-06-08/

  3. Brasilien Reuters, 12.9.2024. Brazil asks EU to hold off on implementing deforestation law: https://www.reuters.com/world/americas/brazil-asks-eu-hold-off-implementing-deforestation-law-2024-09-11/

  4. EU-Kommission vorgeschlagen Europäische Kommission, 2. 10.2024. Kommission verstärkt Unterstützung für die Umsetzung der EU-Verordnung über Entwaldung und schlägt als Reaktion auf Forderungen globaler Partner weitere 12 Monate für die Einführung vor:https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_24_5009

  5. Blitzverfahren zugestimmt Europäischer Ministerrat, 16.10.2024. EU-Rechtsakt gegen Entwaldung: Rat für späteren Geltungsbeginn:https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2024/10/16/eu-deforestation-law-council-agrees-to-extend-application-timeline/

  6. gemeinsamen Erklärung an die Europäische Union reagiert NGO-Koalition Together4Forests, 15.10.2024. CSO statement - HANDS OFF THE EU DEFORESTATION REGULATION:https://together4forests.eu/resources/CSO%20statement_October%202024.pdf

  7. brasilianischen Dachverbandes der indigenen Völker APIB Articulação dos Povos Indígenas do Brasil (APIB), 10.10.2024. Em meio a crise climática, Comissão Europeia decide adiar a implementação de lei antidesmatamento (EUDR) : https://www.facebook.com/apiboficial/photos/implementa%25C3%25A7%25C3%25A3o-da-eudr-lei-antidesmatamento-%25C3%25A9-adiada-pela-comiss%25C3%25A3o-europeia-segun/540213955325062/?checkpoint_src=any

  8. öffentlichen Aufruf vom 7. Oktober The Indonesian Civil Society Coalition, consisting of 45 organizations, 7.10.2024. JOINT STATEMENT: URGING THE STRENGTHENING OF SUSTAINABLE COMMODITY GOVERNANCE IN RESPONSE TO EUDR AND GLOBAL MARKET DEMANDS:https://kaoemtelapak.org/wp-content/uploads/2024/10/Joint-Statement-of-Indonesian-CSOs-–-In-Response-to-EUDR-October-7-2024.pdf

  9. in dem Dokumentarfilm Afsya Rettet den Regenwald, 29.8.2024. Die Afsya. Ein Film über Indigene, die den Regenwald verteidigen, Minute 01:20 – 02:04: https://www.youtube.com/watch?v=eCFPEzXiTgU

Bestellen Sie jetzt unseren Newsletter

Bleiben Sie mit unserem Newsletter am Ball – für den Schutz des Regenwaldes!