Hannover Messe verheißt für den Regenwald nichts Gutes
20.04.2023
Auf der global größten Industriemesse in Hannover ist Indonesien dieses Jahr unter dem Motto „die unendliche Reise” Partnerland. Das südostasiatische Land hofft, bis zum Jahr 2030 zu den zehn größten Volkswirtschaften der Welt zu gehören. Rettet den Regenwald hat sich auf der Industrieschau informiert, wie Indonesien dieses Ziel erreichen will - und ist alarmiert.
Vergangenen Sonntag haben Bundeskanzler Scholz und der indonesische Präsident Widodo die Industriemesse in Hannover eröffnet. Beide betonten die wirtschaftlichen Chancen von Klimaneutralität und Energiewende, Widodo warb für „Investitionen in den industriellen Wandel für eine bessere Welt".
Wir waren in Hannnover und können bestätigen, Klima und Energie sind unverkennbar wichtige Schwerpunkte der Industrieschau. Beide haben politische und wirtschaftliche Relevanz. Politisch, weil Industrie, Verkehr und Haushalte bis spätestens 2050 kein CO2 mehr freisetzen sollen und die Abhängigkeit von fossiler Energie beendet werden muss. Wirtschaftlich, weil eine Welt ohne CO2-Emissionen ein anderes Wirtschaften erfordert.
Dass die Industrie auf Klimaschutz und erneuerbare Energien setzt, ist daher völlig richtig. Die Energiewende ist - neben Energie- und Ressourceneinsparung – unbedingt notwendig. Doch woran es auf der Messe und vor allem in der Realität hapert, ist eine Energiewende in wirklich ökologischer und sozialer Form.
Um trotzdem den Anschein zu erwecken, hat die Industrie für ihre Werbung sogar den Begriff „Ökosystem" gekapert. Doch damit meint sie nicht den Schutz von natürlichen Lebensräumen, sondern günstige Rahmenbedingungen für die Ansiedelung und den Betrieb von Bergwerken und Fabriken.
Das angestrebte „grüne Wachstum" und die „grüne Wirtschaft” sind abhängig von besonders vielen Rohstoffen. Letztere sollen rund um den Globus abgebaut, verhüttet, weiterverarbeitet und über die Weltmeere transportiert werden, was mit enormen negativen Auswirkungen für Mensch, Umwelt und Klima verbunden ist. Länder wie Indonesien und die dort tätigen Unternehmen zerstören und verseuchen dafür die Natur großflächig, vertreiben die Bevölkerung, üben massiv Gewalt gegen Menschen aus.
Indonesien verfügt über die größten Nickelreserven der Erde und möchte aus den Vorkommen Kapital schlagen. Mit Nickel lassen sich besonders leistungsfähige Batterien bauen, beispielsweise Akkus für E-Autos mit großer Reichweite. Die indonesische Regierung setzt daher auf Elektrofahrzeuge mit Nickelbatterien und sucht Investoren, die die Fabriken im Land errichten.
Auf der Messe wirbt die Regierung mit einem Rund-um-sorglos-Paket: alles sei vorhanden, reichlich Rohstoffe, billige und gut ausgebildete Arbeitskräfte und beste Bedingungen in den eingerichteten Sonderindustriezonen. Indonesien präsentiert sich selbstbewusst als Vorreiter für den Wandel von fossilen zu erneuerbaren Energien.
Wie die Wirklichkeit vor Ort aussieht, war in Hannover kein Thema. Indonesien hat die drittgrößten Regenwälder der Erde, die sich auf zahlreiche, ökologisch sehr unterschiedliche Inseln verteilen. Nickel kommt in den Regenwäldern der Insel Sulawesi und auf den Molukken vor, für die Minen müssen die Natur und die indigene Bevölkerung weichen.
Der Regenwald, der für Biodiversität und Klima zentral ist, wird kahl geschlagen – um das Klima zu retten? Flüsse und Meer werden vergiftet - damit wir mit E-Autos mobile Freiheit genießen? Menschen werden mit Gewalt vertrieben - um Platz für Bergwerke, Nickelschmelzen, Metallraffinerien und Industrieparks zu schaffen?
„Es wird mehr als deutlich, dass die Leitthemen Klima und Energie von Politik und Wirtschaft als „Weiter so“ verstanden werden, nur mit anderer Technik. Während die Rücksichtslosigkeit gegenüber Mensch und Natur parallel zum Profit wächst, wird dabei die grundlegende Frage der Tragfähigkeit der Erde völlig ignoriert“, sagt die Vorsitzende von Rettet den Regenwald, Marianne Klute.
„Umweltstandards und Menschenrechte verlieren im Namen der Schlagwörter Energiewende und Klimaneutralität an Relevanz. Menschen werden vertrieben - Landraub und Gewalt sind die Folge. Die Antworten der Industrie auf Energiewende und Klimaneutralität verheißen für die Regenwälder und deren Einwohner nichts Gutes“, warnt Klute.
Von Bergbau betroffene Gemeinschaften auf der ganzen Welt erleben die Energiewende als Bedrohung: Die jetzt schon 1,2 Milliarden Autos weltweit mit Verbrennungsmotor durch eine noch größere Zahl von E-Autos zu ersetzen, ist keine Lösung für die Klimakrise. Indonesien zeigt, dass die massive Ausbeutung von Rohstoffen die Regenwälder in große Gefahr bringt. Das darf in den Plänen, die den Metallabbau weltweit vorantreiben sollen, nicht verschwiegen werden.
Unser Appell an die Investoren in grüngewaschene Energie und Mobilität muss endlich gehört werden: Keine Investitionen auf Kosten von Umwelt und Menschenrechten.