Brasilien: Organisationen fordern die EU auf, Schienen- und Hafenprojekt GPM nicht zu finanzieren

Karte mit Lage der Grenzen des Hafenprojektes TPA © Collage RdR: Google Earth + TUBS CC BY-SA 3.0 DEED

20.08.2024

Portugiesische Unternehmer planen eine private Gütereisenbahn im brasilianischen Amazonasgebiet und einen Exporthafen am Atlantik - mit Beteiligung der Deutschen Bahn (DB). Aktuell befinden sie sich offenbar auf der Suche nach Investoren. Die Europäische Union (EU) bestätigt gegenüber Rettet den Regenwald e.V. Gespräche mit der Betreiberfirma GPM über eine mögliche Finanzierung des Projekts.

Die Botschafterin der Europäischen Union (EU) in Brasilien, die deutsche Diplomatin Marian Schuegraf, hat nach einer schriftlichen Anfrage von Rettet den Regenwald e.V. hinsichtlich einer möglichen Finanzierung für das Schienen- und Hafenprojekt GPM durch die EU bestätigt, dass ihre Delegation mit den „Trägern des Projekts Grão-Pará Maranhão (GPM) gesprochen habe".

Außerdem habe „sie es zur ihrer Priorität gemacht, mit der Quilombola-Gemeinde auf Cajual, die von dem Projekt betroffen ist, zusammenzutreffen, um Informationen aus erster Hand direkt von deren Seite zu erhalten." So hat uns EU-Botschafterin Schuegraf geantwortet.

Auf der Mangroveninsel Cajual sollen der private Tiefwasserhafen (25 m) für die weltweit größten Massengutfrachtschiffe mit einer Kapazität von 400.000 Tonnnen, ein Industriegebiet und die Anbindung an die geplante Schienentrasse errichtet werden. Dazu sollen Terminals und Lagereinrichtungen für Frackinggas, Erdöl, Eisenerz, Bauxit, Agrarprodukte, Düngemittel und Container sowie ein Wasserstoff-Hub entstehen.

Brasilianische Organisationen fordern die EU auf, GPM nicht zu unterstützen und zu finanzieren

15 Organisationen aus Brasilien haben sich mit einem ausführlichen Schreiben an die EU gewandt und Rettet den Regenwald gebeten, es an die Europäische Kommission weiterzuleiten. Sie fordern die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, die EU Botschafterin in Brasilien, Marian Schuegraf und alle EU-Institutionen auf, das Projekt Grão-Pará Maranhão aus sozialen, rechtlichen und ökologischen Gründen nicht zu unterstützen und zu finanzieren. 

Anfang April 2024 hat die EU-Botschafterin in Brasilien eine Delegationsreise von 19 Botschaftern der EU-Länder in den Bundesstaat Maranhao angeführt. Auf dem Besuchsprogramm standen dabei unter anderem der bereits bestehende Exporthafen Itaquí, der nahe der Großstadt São Luís direkt gegenüber der Insel Cajual auf der anderen Seite der Bucht von São Marcos liegt. Auch den Bezirk Alcântara, zu dem die Insel gehört, besuchte die EU-Delegation. Bei der Veranstaltung „Mission der Europäischen Union" der Industrievereinigung FIEMA, auf dem den EU-Botschaftern Investitionsmöglichkeiten präsentiert wurden, waren zudem die Chefs der Firma GPM anwesend.

Presseartikel in Brasilien bringen in diesem Zusammenhang eine Finanzierung von GPM durch die Initiative Global Gateway der Europäischen Kommission ins Spiel. Der Fonds soll für die EU strategische Projekte rund um den Globus bis 2027 mit bis zu 300 Milliarden Euro finanzieren. Die Länderseite von Global Gateway zu Brasilien und das Global Gateway country sheet vom April 2024 zeigen vier „Flagship-Initiativen” an, darunter „Multimodaler Verkehr und Mobilität: Bau von Hafen- und Eisenbahninfrastrukturen, um bestehende Infrastrukturlücken zu schließen und Brasilien mit Europa zu verbinden”. Kanalisiert werden solche Gelder unter anderem über die Europäische Investmentbank (EIB) der EU.

„Partnerschaftsvertrag" von GPM mit der Vereinigung der Bevölkerung der Insel

Besonders fragwürdig ist in diesem Zusammenhang ein Partnerschaftsvertrag, den die Projektbetreiber mit drei Personen der Quilombola-Vereinigung der Insel Cajual (Associação de Moradores da Comunidade Negra Rural Quilombola de Vila Nova Ilha Do Cajual) 2017 geschlossen und veröffentlicht haben. Als Quilombolas bezeichnen sich in Brasilien die Nachfahren ehemals versklavter Menschen aus Afrika.

In dem Vertrag treten die Inseleinwohner das Nutzungsrecht von 1.400 Hektar Land der Insel auf unbestimmte Zeit an ein Tochterunternehmen von GPM ab. Damit kann die Firma das geplante Industriegebiet und den Hafen dort errichten, wo die Einwohner:innen jetzt leben und ihren Lebensunterhalt bestreiten.

Als Gegenleistung will die Firma für die Bevölkerung an zu einem nicht definierten Zeitpunkt und an einem nicht definierten Ort 51 Häuser, eine Schule, eine Gesundheitseinrichtung, einen Gebetsraum und einen Fußballplatz errichten sowie der Vereinigung „6 % der Gewinne des Vorhabens mit allen damit verbundenen Vorteilen bezahlen".

Die Umstände, unter denen dieser Vertrag zustandegekommen ist, sind sehr fragwürdig. Es bestehen erhebliche Anhaltspunkte, dass der Vertrag nicht rechtmäßig ist, da er offensichtlich gegen zahlreiche Grundvoraussetzungen und Gesetze verstößt. Unter anderem wurde der Vertrag offenbar ohne angemessene Beteiligung und Konsultation der betroffenen Inselbewohner geschlossen, wie es die Konvention ILO 169 vorschreibt. Der Bevölkerung scheint weder dessen Inhalt noch dessen weitreichende Konsequenzen wie ihre geplante Umsiedelung genau zu kennen und verstanden zu haben.

Da die brasilianischen Behörden bis heute nicht die von den Quilombola-Gemeinden im Bezirk Alcântara seit vielen Jahren beantragte Anerkennnung und Austellung kollektiver Landtitel für ihr angestammtes Land durchgeführt haben, handelt es sich formal gesehen um öffentliches Land, das die Firma GPM nicht einfach über dubiose Pachtverträge mit Einwohnern:innen für das Hafen-, Industrie- und Schienenprojekt in Beschlag nehmen kann.

Weitere Informationen:

- Bericht des Fernsehsenders GloboTV auf Portugiesisch. JMTV 2ª Edição. Ativistas dos direitos humanos avaliam riscos previstos com criação de ferrovia no MA. 3 min: https://globoplay.globo.com/v/12714679/


  1. ausführlichen Schreiben an die EU gewandtSchreiben von 15 brasilianischen Organisationen und Rettet den Regenwald an die EU Kommission vom 20. Aug. 2024 auf Portugiesisch: https://www.regenwald.org/files/de/Carta%20%C3%A0%20Comiss%C3%A3o%20da%20UE%20Projeto%20GPM-Brasil_20%20agosto%202024.pdf

  2. angeführt Post auf dem Konto bei X der Botschaft der EU in Brasilien, 4.4.2024. Primeiro dia da visita oficial ao Maranhão dos embaixadores dos estados-membros da UE: https://x.com/UEnoBrasilEmb/status/1775856433113784322

  3. Brasilien O Informante, 24.3.2024. José Reinaldo destaca importância histórica da possibilidade do primeiro financiamento apoiado pela União Europeia: https://portaloinformante.com.br/noticias/2024/03/jose-reinaldo-destaca-importancia-historica-da-possibilidade-do-primeiro-financiamento-apoiado-pela-uniao-europeia/

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