Die DB verschleiert Beteiligung am Schienen- und Hafenprojekt im Amazonasregenwald

Ein junger Mann steht mit einem Briefumschlag vor einer Glastür mit der Aufschrift DB Haupteingang Konzernzentrale Mikaell von der brasilianischen Organisation Justiça nos Trilhos vor der DB-Zentrale in Berlin (© RdR/ Klaus Schenck)

13.11.2024

Die Deutsche Bahn (DB) stellt sich öffentlich als grün und sozial verantwortlich dar. Doch im Hinblick auf eine mögliche Beteiligung am Bau und Betrieb eines privaten Infrastrukturprojekts im Amazonasregenwald von Brasilien zeigt der Konzern ein anderes Gesicht – und versucht offenbar, die Öffentlichkeit über seine Rolle dabei zu täuschen.

Im Juni 2024 hat Rettet den Regenwald zusammen mit unserer brasilianischen Partnerorganisation Justiça nos Trilhos, dem Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL) und Misereor offiziell Beschwerde gegen die mögliche Beteiligung der Deutschen Bahn (DB) an dem geplanten privaten Schienen- und Hafenprojekt Grao-Pará Maranhao (GPM) in Brasilien eingelegt. Das Schreiben haben wir persönlich in der Konzernzentrale überreicht.

Drei portugiesische Geschäftsleute planen über ihre Firma GPM den Bau einer 520 Kilometer langen privaten Gütereisenbahnstrecke und eines daran angeschlossen ebenfalls geplanten privaten Hafenterminals im Amazonasregenwald von Brasilien. Das Projekt soll den kostengünstigen Export von jährlich vielen Millionen Tonnen Soja und Eisenerz aus Südamerika ermöglichen.

Die DB und deren Beschwerdestelle betonen, dass die DB bisher nicht an dem Projekt beteiligt sei. In einem Schreiben erklärt der Chef der DB, Dr. Richard Lutz, „dass das Tochterunternehmen DB Engineering & Consulting (DB E&C) mit der Unterzeichnung eines Memorandum of Understanding mit den Projektbetreibern von GPM Anfang 2023 lediglich ihr grundsätzliches Interesse bekundet habe, fachliche Leistungen für das Schienen- und Hafenprojekt zu erbringen. Bevor die DB E&C eine Projektbeteiligung in Erwägung zieht, müssen allerdings diverse zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sein.“

DB beteiligt sich an intensiver Lobbyarbeit

Doch die Angaben entsprechen anscheinend nicht so ganz der Realität. Hinter den Kulissen unterstützt die DB die Projektbetreiber GPM offenbar laufend aktiv und tatkräftig. So nehmen Mitarbeiter der DB an Treffen von GPM mit Ministern, Politikern und Funktionären staatlicher Behörden in Brasilien und Präsentationen in der Deutschen Botschaft teil. Denn mit der DB als einem der weltweit größten Eisenbahn- und Logistikkonzerne als Partner gewinnt GPM an Bedeutung und Seriosität.

Aber nicht nur in Brasilien, auch in Europa nimmt die DB offenbar entscheidenden Einfluss, um das Projekt im Regenwald voranzubringen. Das ergibt die Antwort der Beschwerdestelle der DB im Oktober 2024 auf eine Anfrage von uns: „Selbstverständlich haben Mitarbeiter:innen der DB E&C auch Termine mit GPM bzw. im Zusammenhang mit dem Projekt wahrgenommen.“

Der Hintergrund unserer Anfrage war, dass GPM nach Recherchen von Rettet den Regenwald seit einem Jahr mit der EU-Kommission über eine Finanzierung durch die Initiative Global Gateway verhandelt. Global Gateway ist die 300 Milliarden Euro schwere Reaktion der EU-Kommission auf die „neue Seidenstraße-Initiative“ von China.

Um die EU zur Finanzierung des Projekts in Brasilien zu überzeugen, führt GPM - offenbar auch zusammen mit der DB - öffentlichkeitswirksame Kommunikationsstrategien durch, um politische Förderer in Brasilien und Europa zu gewinnen.

Dazu wurden mindestens drei Präsentationsveranstaltungen von GPM in Brüssel durchgeführt – darunter ein hochrangiges Treffen zwischen der EU und brasilianischen Gouverneuren der Region Nordost am 15. Mai 2024 in der Zentrale der EU-Kommission. Auch die EU-Kommissare für internationale Partnerschaften, Jutta Urpilainen, und der Vizepräsident der EU-Kommission und Kommissar für Interinstitutionelle Beziehungen, Maroš Šefčovič, waren dabei.

Mögliche Finanzierung durch EU-Global Gateway-Initiative?

Offensichtlich mit Erfolg: Bei der EU befindet sich das Projekt GPM aktuell in der Vorstufe zur endgültigen Investitionsentscheidung (pre-Final Investment Decision – pre-FID). Die endgültige Investitionsentscheidung ist der Punkt, an dem sich die Projektbeteiligten zu erheblichen finanziellen Aufwendungen verpflichten und damit den Startschuss für den Übergang von der Planung zur Durchführung des Projekts geben.

Laut der DB-Beschwerdestelle hat die DB AG eine eigene Abteilung für EU-und Europa-Angelegenheiten und unterhält auch ein Büro in Brüssel, weshalb „daher verschiedene Stellen der DB bei diversen Treffen involviert sein können – immer mit dem Ziel die Interessen der DB wahrzunehmen“.

Das Büro liegt in 700 Metern Entfernung zum EU-Parlament und der EU-Kommission und beschäftigt laut LobbyFacts 13 Lobbyisten mit Lobbykosten von über 800.000 Euro pro Jahr. 2023 haben diese an 37 "High-Level" Commission Meetings teilgenommen.

Rettet den Regenwald fordert die Deutsche Bahn und die EU-Kommission auf, sich nicht an GPM zu beteiligen, das Projekt weder zu finanzieren noch in anderer Weise zu unterstützen. An unserer Petition „Brasilien: Deutsche Bahn raus aus Amazonien!“ haben bereits über 63.000 Menschen teilgenommen.


  1. Chef der DB, Dr. Richard Lutz Antwortschreiben Dr. Richard Lutz, Vorsitzender des DB-Vorstands, vom 26. Juni 2024: https://www.regenwald.org/files/de/Antwortschreiben-Dr-Lutz-DB-Vorstandsvorsitzender-27-6-24.pdf

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