Kein EU-Geld für Schienen- und Hafenprojekt GPM in Brasilien

Gruppenfoto von 7 Personen vor dem Eingang eines Gebäudes der EU-Kommission in Brüssel Nach unserem Gespräch mit der EU-Kommission am Eingang der Generaldirektion für Internationale Partnerschaften (© Rettet den Regenwald e.V.) Gruppenfoto von 9 Personen in einem Büro der EU-Kommission Gruppenfoto von unserem Gespräch mit der EU-Kommission/Global Gateway in Brüssel am 21. Nov. 2024: 3. und 4. Personen von links EU-Funktionäre Julia Fernandez-Puertas und Paolo Toselli (© Rettet den Regenwald e.V.) Eine Gruppe von Personen protestiert mit grossen farbigen Bannern vor drei Bürohochhäusern Unsere Demo vor der Zentrale der Deutschen Bahn (DB) am Potsdamer Platz in Berlin am 31. Mai 2024 (© Stefanie Hess)

06.12.2024

Mit unseren Partnerorganisationen aus Brasilien waren wir Ende November in Brüssel, um EU-Gelder für ein geplantes Schienen- und Hafenprojekt im Amazonas-Regenwald von Brasilien zu verhindern. Mit Erfolg! Unser Schreiben und unser Besuch waren sehr wichtig, für das Projekt gibt es keine Finanzierung, erklärt die EU-Kommission.

Fünf Monate haben wir immer wieder versucht, mit der Europäischen Kommission in Kontakt zu kommen. Nun, Ende November 2024, ist es endlich so weit: Mit acht Personen – fünf davon aus Brasilien, sitzen wir in einem Konferenzraum der EU-Kommission in Brüssel.

Es geht um die mögliche Finanzierung eines geplanten Gütereisenbahn- und Hafenprojekts im Amazonasgebiet durch die EU, gegen das Rettet den Regenwald zusammen mit brasilianischen Partnerorganisationen seit fast zwei Jahren aktiv ist. In Brasilien führt die Vereinigung Justiça nos Trilhos (Gerechtigkeit auf Schienen) die Kampagne an.

Im Bundesstaat Maranhão planen drei portugiesische Geschäftsleute den Bau einer 520 Kilometer langen privaten Gütereisenbahn und eines Industriegebietes und Exporthafens am Atlantik. Mit ihrem Projekt Grão-Pará Maranhao (GPM) wollen sie die Ausfuhr von Agrarprodukten und Bergbau-Rohstoffen weiter ankurbeln: Soja, Mais, Eisenerz sowie Wasserstoff.

Für die Natur in Brasilien, den Amazonas-Regenwald, die angrenzenden Savannen des Cerrado und die dort lebenden indigenen Völker und traditionellen Gemeinschaften bedeutet das Vorhaben und die damit angestrebte Ausweitung des An- und Abbaus von Rohstoffen eine enorme Bedrohung.

Regenwald-Rodung mit EU-Geldern?

Im März diesen Jahres wurde bekannt, dass GPM mit der EU-Initiative Global Gateway im Gespräch um eine Finanzierung ist. Global Gateway ist das europäische Gegenstück zu Chinas Neuer Seidenstraße-Initiative. Mit 300 Milliarden Euro will die EU-Kommission weltweit Infrastrukturprojekte finanzieren, um im Wettlauf mit China den Zugriff der europäischen Industrie auf Rohstoffe und Absatzmärkte abzusichern. Dazu gehören Häfen, Eisenbahnen, Straßen, Kraftwerke, Strom-, Wasser- und Datenleitungen. Auch Bildungs- und Gesundheitssysteme sollen dabei unterstützt werden, wobei ein Großteil des Geldes Banken, Investoren und Unternehmen stemmen sollen.

Drei Präsentationen des Projekts GPM habe es in Brüssel gegeben, hatten wir aus sicherer Quelle erfahren. Darunter eine im Mai während eines Treffens der EU-Kommissare Jutta Urpilainen und Maroš Šefčovič mit brasilianischen Gouverneuren im Sitz der Europäischen Kommission. Steht also eine Entscheidung über die Finanzierung von GPM unmittelbar bevor, oder ist sie gar bereits gefallen? Dieser Frage sind wir nachgegangen.

EU-Kommission ignoriert Anfragen

Fünf Monate lang haben wir an verschiedene Funktionäre der EU-Kommission geschrieben, darunter an die Präsidentin Ursula von der Leyen. In unseren Briefen haben wir um ein Gespräch gebeten und gefordert, das Projekt GPM auf keinen Fall zu finanzieren. Begründet haben wir das ausführlich mit den gravierenden sozialen und ökologischen Auswirkungen.

Antworten haben wir von der EU nicht erhalten, nicht einmal Bestätigungen des Eingangs unserer Schreiben. Erst Ende Oktober konnten wir per Telefon ein Gespräch mit der EU-Kommission vereinbaren. Daraufhin haben wir weitere Termine mit Abgeordneten des EU-Parlaments sowie Treffen mit belgischen Entwicklungsorganisationen ausgemacht – und sind jetzt nach Brüssel gereist. Dort haben wir mit Paolo Toselli und Julia Fernandez-Puertas, zwei Funktionären der Generaldirektion für Internationale Partnerschaften der EU-Kommission, gesprochen:

 

Die Betreiber von GPM haben sich als Experten präsentiert, sie wussten sehr gut, wonach die EU suchte, nach Projekten zur Produktion und zum Export von Wasserstoff“, beginnt Paolo Toselli. „Sie erklärten, sie hätten einen unglaublichen Ort in Brasilien, um mit erneuerbarer Energie grünen Wasserstoff zu den niedrigsten Kosten der Welt herzustellen.“

Die EU habe GPM 2023 als Leuchtturmprojekt geführt, so Toselli weiter. Doch dann sei klar geworden, dass die Betreiber von GPM über keinerlei Dokumentation verfügten und ihr Projekt lediglich aus einer Werbepräsentation bestehe. „Wir haben diese der Europäischen Investitionsbank (EIB) vorgelegt“, fährt der EU-Funktionär fort. Die Antwort der Bank: Die Betreiber haben kein eigenes Geld, es gebe keine Umwelt- und Sozialstudien, die Bank könne so etwas unmöglich unterstützen.

Deutsche Bahn (DB) stellt für GPM Kontakt zur EU-Kommission her

Seit etwa vier Monaten habe er nichts mehr von GPM gehört, und auch nicht von der Deutschen Bahn (DB), erklärt Toselli. Die DB habe für GPM den Kontakt mit der EU-Kommission vor zwei Jahren eingefädelt und sei auch bei den Präsentationen von GPM in Brüssel dabei gewesen.

Gegen die Beteiligung der DB an dem Projekt in Brasilien protestiert Rettet den Regenwald bereits seit Monaten mit der Petition „Deutsche Bahn raus aus Amazonien“. Über 63.000 Menschen haben bereits daran teilgenommen. Der Anlass war ein Memorandum of Understanding (MoU), das die Bahntochter DB E.C.O. Group Anfang 2023 mit GPM über die gemeinsame Projektentwicklung und den späteren Betrieb der Eisenbahn unterzeichnet hat.

 

Justiça nos Trilhos, Misereor und Rettet den Regenwald haben dagegen gemeinsam im Mai 2024 Beschwerde bei der DB eingereicht und vor der DB-Zentrale in Berlin demonstriert. Doch der DB-Chef Dr. Richard Lutz und die Beschwerdestelle spielen ihre Verantwortung herunter und erklären, „dass die DB E.C.O.Group damit lediglich ein grundsätzliches Interesse bekundet habe.

Nun hören wir von der EU-Kommission, dass die DB, die zu Hundert Prozent dem deutschen Staat gehört, bei der EU-Kommission die Kontakte zur möglichen Finanzierung des Vorhabens eingefädelt hat. Dabei sind der DB offensichtlich die Auswirkungen des Projekts GPM bewusst, denn kurz nach unseren Protesten und der Beschwerde in Berlin hat sie ihre Pressemitteilung für das Projekt mit GPM in Brasilien von ihrer Webseite stillschweigend gelöscht. Der Artikel ist aber weiterhin im Internetarchiv WayBackMachine gespeichert.

Global Gateway-Vorzeigeprojekte sind nicht real

Knapp zwei Wochen nach unserem Besuch in Brüssel veröffentlicht die EU eine Liste der Global Gateway-Vorzeigeprojekte für 2025. Für Brasilien ist im Transportbereich „die Entwicklung und der Bau eines Hafens in Maranhão mit dem Ziel, einen grünen und digitalen Korridor nach Europa zu schaffen“, aufgeführt.

Per Telefon erklärt EU-Funktionär Toselli: „Das sind Start Ups, diese Projekte befinden sich in einem sehr frühen Stadium, es gibt keine Rückendeckung, keine Sozial- und Umweltstudien dafür. Sie werden von der EU-Kommission wie echte Projekte angekündigt, sind es aber nicht.“

In Brasilien werde bisher kein einziges Projekt von Global Gateway finanziert, erklärt Toselli und betont, wie gut es war, dass wir unsere Briefe an die EU geschrieben haben und nach Brüssel gekommen sind. Global Gateway müsse dringend die Kommunikation verbessern, spätestens bis zum März 2025, wenn ein EU-Brasilien-Gipfel geplant sei.

Wir sind ernüchtert und schockiert. Mit solchen Luftnummern wirbt die EU-Kommission und betreibt internationale Politik? Das ist völlig unverantwortlich und unseriös. Offensichtlich täuscht die EU, aber auch die deutsche Bundesregierung, die Öffentlichkeit. Seit September 2022 hat die Europäische Kommission gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten über 220 Leuchtturmprojekte vorgestellt, die über Global Gateway gefördert werden, schreibt das Auswärtiges Amt.

Wir fragen uns, wie viele dieser Projekte sind echt und werden tatsächlich gefördert? An wen muss man sich bei der EU-Kommission wenden, wenn man Fragen zu den Projekten hat? Warum antwortet die EU-Kommission nicht auf fundierte schriftliche Anfragen, warum gibt es bei der Global Gateway keine Beschwerdestelle über Projekte?

Wir haben den EU-Funktionär Toselli um eine schriftliche Antwort der EU-Kommission zu dem Schienen- und Hafenprojekt GPM im Amazonasregenwald gebeten: „Ich habe eine mögliche Stellungnahme zum GPM-Projekt verfasst, und meine Vorgesetzten baten mich um einige Korrekturen, kleine Änderungen, aber die EU-Delegation in Brasilien war damit nicht einverstanden, und sie waren auch verärgert, dass ich mich mit Ihnen getroffen habe“, erklärt Toselli am Telefon.

Es wird also von der EU keine Antwort auf Papier geben. Aber wir werden nicht locker lassen und der Global Gateway-Initiative weiter nachgehen.


  1. seit fast zwei Jahren aktiv ist Rettet den Regenwald e.V., 4.3.2023. Brasilien: Schienen- und Hafenbau mit deutscher Beteiligung bedroht Mensch und Natur: https://www.regenwald.org/news/11250/brasilien-schienen-und-hafenbau-mit-deutscher-beteiligung-bedroht-mensch-und-natur

  2. DB-Chef Dr. Richard Lutz Antwortschreiben Dr. Richard Lutz, Vorsitzender des DB-Vorstands, vom 26. Juni 2024: https://www.regenwald.org/files/de/Antwortschreiben-Dr-Lutz-DB-Vorstandsvorsitzender-27-6-24.pdf

  3. aufgeführt Council of the European Union, 22.11.2024. Draft proposal for a list of Global Gateway flagship projects for 2025 and for amending the lists of Global Gateway flagship projects for 2023 and 2024: https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-15281-2024-INIT/en/pdf

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